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Kommentar: Wasserstoff statt Strom: Verkehrswende tut erst einmal weh

Kommentar

Wasserstoff statt Strom: Verkehrswende tut erst einmal weh

Tobias Schaumann
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    Wasserstoff könnte ebenfalls eine saubere Alternative zum Benzin sein. Doch Deutschland ist nicht vorbereitet.
    Wasserstoff könnte ebenfalls eine saubere Alternative zum Benzin sein. Doch Deutschland ist nicht vorbereitet. Foto: Ole Spata, dpa (Symbolbild)

    Endlich Urlaubszeit in Bayern! Alles verreist. Der ADAC warnt vor den schlimmsten Stauwochenenden des Jahres. Wer nicht fährt, fliegt. Gut-und-günstig-Ziele wie Ägypten und die Türkei liegen wieder voll im Trend. In den Gärten der Daheimgebliebenen rauchen die Grills.

    Allein „die Klimakrise macht keine Ferien“ (Greta Thunberg) und so haben die Deutschen, ein Volk von tapferen Weltrettern, selbst in diesen Tagen viel zu diskutieren: Flugverbote, CO2-Steuer, Wasserstoff-Antrieb.

    Wasserstoff-Antrieb? Ja, in der Tat werden Stimmen lauter, die eine stärkere Hinwendung zu dieser Technologie fordern – mit teils bemerkenswerter Vehemenz. Die hat ihren Grund: Mögliche Lösungen liegen seit Jahrzehnten in der Schublade, aber ihre Fürsprecher finden bislang kaum Gehör. So etwas stresst jede Lobby.

    Wasserstoff statt schwere Batterien

    Dabei verdient die Auseinandersetzung mit alternativen Antrieben die gleiche kritische Würdigung wie die mit konventionellen. Eine ideologiefreie Betrachtung scheint der batteriebetriebenen Mobilität derzeit eher zu schaden. Schon durch die Produktion der Akkus gehen die Stromer mit einem gewaltigen CO2-Rucksack an den Start. Auch in der Konstruktion und im Betrieb der Autos machen die schweren und klobigen Batterien wenig Freude.

    Hier ist die Wasserstoff-Technologie im Vorteil. Der Strom wird in einer Brennstoffzelle erzeugt. Der „Sprit“ kommt, wie gehabt, aus einem Tank. Weiteres Plus: H2 lässt sich im Prinzip genauso schnell nachfüllen wie Benzin. Und die Reichweiten unterscheiden sich ebenfalls nicht dramatisch.

    Ansonsten plagt sich die Wasserstoff-Fraktion mit denselben Problemen wie die Batterie-Liga: Die Autos sind relativ teuer. Das Netz an Lade- beziehungsweise Tankmöglichkeiten hat große Lücken.

    Ein Wasserstoff-Auto kostet 80.000 Euro

    Beides mag zwar hier wie dort lösbar sein. Doch ist die Elektromobilität stark vom Henne-Ei-Prinzip geprägt. Was kommt zuerst, die Infrastruktur oder die Nachfrage, die Nachfrage oder der Preis? Autos werden erst billiger und damit populärer, wenn man sie in hohen Stückzahlen herstellt. Heute kostet der meistverkaufte Wasserstoff-Pkw, ein Toyota, 80.000 Euro. Gesamtzahl aller H2-Fahrzeuge im Januar 2019 in Deutschland: 392. Zahl der Tankstellen: 71.

    In anderen Ländern steht der Wasserstoff besser da, zum Beispiel in Japan. Dort hat man aber auch keine Atomkraftwerke abgeschaltet. (Seit diesem Sommer baden die Menschen wieder am Strand von Fukushima.) Der Schlüssel für einen Durchbruch liegt in einer CO2-neutralen Stromerzeugung. Schon die H2-Produktion verschlingt viel elektrische Energie. Und die Autos selbst verfügen zwar über einen besseren Wirkungsgrad als Verbrenner, aber über einen schlechteren als batteriebetriebene Wagen.

    Deutschland ist meilenweit von Alternativen Antrieben entfernt

    All dies müsste unser Strommix wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll abbilden. Davon jedoch ist Deutschland derzeit meilenweit entfernt. Um jedes Windrad, um jeden Meter Trasse wird gestritten. Die Strompreise steigen und steigen. Wasserstoff-Importe im großen Stil sind denkbar. Aber will man sich wieder von Lieferländern abhängig machen wie beim Öl?

    Trotz dieser Herausforderungen bleibt das Ziel einer nachhaltigeren Mobilität richtig und wichtig. Da kann auch die Brennstoffzelle helfen. Politiker sollten sich jedoch um Rahmenbedingungen kümmern, nicht um Technik. Vor allem müssen sie, wenn sie Elektromobilität mit Macht durchdrücken, den Menschen endlich reinen Wein einschenken: Verkehrswende tut erst einmal weh. Klimaschutz kostet. Da müssen die Deutschen ehrlich zu sich selbst sein. Der Schlüssel liegt in der Stromerzeugung.

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