Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Interview: Baywa-Chef Lutz: Nicht jeder Käfer darf uns aufhalten

Interview

Baywa-Chef Lutz: Nicht jeder Käfer darf uns aufhalten

    • |
    Klaus Josef Lutz führt die Baywa AG mit ihren rund 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
    Klaus Josef Lutz führt die Baywa AG mit ihren rund 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Foto: Klaus Haag

    Herr Lutz, Sie haben im März Gesundheitsminister Jens Spahn einen Brief geschrieben und ihm darin angeboten, dass die Baywa liegen gebliebenen Impfstoff aufkauft und ihn an die Belegschaft verabreichen lässt. Hat sich Spahn bei Ihnen gemeldet?

    Klaus Josef Lutz: Herr Spahn schuldet mir bis heute eine Antwort.

    Weil Sie ihn zu hart kritisiert haben?

    Lutz: Ja, ich habe ihn und die Bundesregierung kritisiert, weil am Anfang der Impfkampagne die Betriebsärztinnen und Betriebsärzte nicht eingebunden wurden. Das war ein Fehler, diese wichtigen Kapazitäten zunächst nicht zu nutzen. Mir hätte schon gereicht, wenn er sich kurz bedankt hätte. Der Baywa- Konzern hat schließlich rund 25.000 Beschäftigte weltweit und wir haben als eines der ersten Unternehmen in Deutschland unsere Belegschaft ins mobile Arbeiten geschickt.

    Die Corona-Pandemie spitzt sich ja dramatisch zu.

    Lutz: Wir haben zum Glück weltweit ein großes Bewusstsein unter unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Corona-Schutzmaßnahmen. Noch ehe auf bundespolitischer Ebene Entscheidungen über 3G am Arbeitsplatz überhaupt gefällt wurden, haben wir für die Baywa entschieden, dass sich alle Beschäftigten bei uns jeden Tag testen müssen – egal ob geimpft, genesen oder ungeimpft. Wer den Test ablehnt, wird nach Hause geschickt und muss mit einer anteiligen Gehaltskürzung rechnen, sofern er oder sie die Arbeit nicht mobil erledigen kann.

    Wie groß ist der Shitstorm nach Verkündung dieses Schritts ausgefallen?

    Lutz: Es gab bisher keine Protestwelle. Der Zuspruch aus den Reihen der Belegschaft ist groß. Mir geht es ausschließlich darum, unsere Angestellten und Kunden sowie deren Familien vor einer Ansteckung zu schützen.

    Wirtschaftlich läuft es ja gut für das Energie-, Baustoff- und Agrarhandelsunternehmen Baywa.

    Lutz: Wir werden in diesem Jahr ein Rekordergebnis einfahren und haben erst zum Halbjahr gegenüber dem Kapitalmarkt die Prognose erhöht. Es ist erfreulich: Wir sind trotz Corona überall gut bis wesentlich besser unterwegs als im Vorjahr.

    Wie schaffen Sie das in Krisenzeiten?

    Lutz: Wir sind wirtschaftlich noch erfolgreicher, obwohl uns jetzt schon zusätzliche Kosten, zum Beispiel durch zunehmende bürokratische Auflagen, entstehen. Diese Kosten konnten wir aber überkompensieren. Besonders gut läuft unser Geschäft mit erneuerbaren Energien. Wir sind weltweit einer der führenden Anbieter bei der Planung und dem Bau von Solar- und Windkraftanlagen. Das Geschäft boomt. Aber auch unser deutsches Stammgeschäft, der Agrarhandel, ist deutlich besser unterwegs als im letzten Jahr.

    Weil die Preise für landwirtschaftliche Produkte deutlich steigen.

    Lutz: Es ist richtig, die Erzeugerpreise wie etwa für Getreide sind deutlich gestiegen. Aber auch die Betriebsmittelkosten für die Landwirte, etwa für Dünger, sind deutlich nach oben geschnellt. Das ist ein Resultat der gestiegenen Energiepreise. Zur Erzeugung von Dünger braucht man sehr viel Erdgas. Manche Düngerproduzenten haben deswegen die Herstellung reduziert, weil sie wegen der hohen Energiekosten kaum noch kostendeckend produzieren können. Zuletzt hat sich die Lage etwas entspannt. Dennoch ist der Preisanstieg von 250 auf 600 Euro pro Tonne dramatisch.

    Dabei ist der Einfluss Deutschlands auf die Energiepreise begrenzt.

    Lutz: Weil etwa China derzeit alles zusammenkauft, was es an Energie gibt, also etwa verflüssigtes Erdgas. Trotz aller Klimaschwüre beliefern die Amerikaner die Chinesen mit solchem Gas. Das grenzt an Heuchelei. Auch die zunehmende Elektromobilität wird weiter tendenziell die Energiepreise nach oben treiben. Die steigenden Energiepreise im Zusammenspiel mit dem zu langsamen Ausbau der Windkraft sind auf Dauer gefährlich, zumal wir nach der Atomenergie auch aus der Kohlekraft aussteigen. Das erhöht die Gefahr eines Blackouts in Deutschland. Wir müssen die erneuerbaren Energien viel schneller ausbauen.

    Was muss dafür passieren?

    Lutz: Die Genehmigungsverfahren zum Bau von Windrädern und Stromleitungen müssen deutlich beschleunigt werden. Wir dürfen uns nicht von jedem Käfer, der von rechts nach links läuft, aufhalten lassen. Zur Beschleunigung der Verfahren brauchen wir auch mutigere Beamtinnen und Beamte, die rascher Entscheidungen treffen. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es hier in Deutschland ein dramatisches Umsetzungsdefizit. Ich habe den Eindruck, wir kriegen in Deutschland nichts mehr hin.

    Der Ausbau der Windkraft an Land kommt nur langsam voran.
    Der Ausbau der Windkraft an Land kommt nur langsam voran. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Aber auch an der Brüsseler Politik haben Sie einiges auszusetzen.

    Lutz: Weil aus Brüssel, und sicher bald auch unter der neuen Regierung aus Berlin, immer strengere, die Kosten in die Höhe treibende Auflagen kommen und die Landwirte belasten. Doch nur mit Bio wird es nicht gehen. Die Agrarbranche steht vor vielen Fragezeichen und weiß nicht, was von der Politik noch auf sie zukommt. Das verunsichert die Landwirte.

    Wie reagiert die Baywa auf die Herausforderung?

    Lutz: Indem wir unser Agrargeschäft weiter digitalisieren und effizienter machen. Wir konzentrieren uns in Deutschland etwa auf weniger, aber produktivere Lagerstandorte. Allein in unser neues Warenwirtschaftssystem investieren wir bis 2025 über 100 Millionen Euro. Und Landwirte können durch digitale Innovationen wie den Einsatz von Satellitenbildern auf dem Acker Geld sparen, wenn sie dank technischer Hilfe etwa Dünger effizienter einsetzen.

    Sie sagen „Nur Bio reicht nicht“. Erwarten Sie deutlich mehr Bio durch die Politik der neuen Bundesregierung?

    Lutz: Die Grünen fordern einen radikalen Umbau der Landwirtschaft. Ich weiß nur nicht, wie das gehen soll. Das hängt hauptsächlich mit dem Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher zusammen. Schon jetzt sind die Nahrungsmittelpreise deutlich gestiegen, auch wegen der höheren Energiepreise.

    Doch Menschen in Ländern wie Frankreich geben schon lange mehr Geld für Lebensmittel aus.

    Lutz: Für deutsche Verhältnisse sind die Nahrungsmittelpreise schon sehr hoch: Hierzulande gibt man im Schnitt nur zwölf Prozent für

    Sie warnen also die Grünen vor einem zu radikalen Umsteuern der Landwirtschaft?

    Lutz: Ein zu radikales Umsteuern geht rein technisch nicht. Wer soll das bezahlen? Da machen die Landwirte nicht mit. Und die Bürger auch nicht. Man muss die Sache sachte angehen. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass die Landwirtschaft unter dem starken Einfluss der Grünen, aber auch der SPD in eine nicht wirtschaftlich tragfähige Richtung gelenkt wird. Die Bio-Nachfrage ist ja nicht gerade explodiert: Weltweit liegt der Anteil von Bio-Produkten bei nur einem Prozent. Wir als Baywa handeln selbst mit Bio-Produkten, zum Beispiel mit Bio-Obst vom Bodensee. Doch dies macht knapp 20 Prozent unseres Handelsvolumens in Deutschland mit Obst aus.

    Es gibt aber einen starken Bio-Trend in Deutschland. Da ist Luft nach oben.

    Lutz: Dennoch bleibt die Bio-Revolution an der Ladentheke aus. Die Menschen reden viel über Ernährung, die Politik überlegt sich viel, doch abgestimmt wird an der Ladenkasse. Da sehe ich aber keinen fundamentalen Bewusstseinswandel. In Umfragen sagen zwar rund 90 Prozent der Menschen in Deutschland, sie wären bereit, mehr für Lebensmittel – etwa für mehr Tierwohl – zu bezahlen, aber am Ende geben wohl nur 20 Prozent tatsächlich mehr Geld für diese Lebensmittel aus. Unlängst war ich in einem Supermarkt und habe das Einkaufsverhalten der Menschen studiert.

    Was haben Sie dort beobachtet?

    Lutz: Ich habe die Regale mit regionalen und ökologischen Produkten beobachtet. Da waren auch die Produkte wie der Veggie-Burger zu finden. Doch da sah ich kaum Menschen, obwohl der Supermarkt gut besucht war und sich an der Kasse eine Schlange gebildet hat.

    Zur Person: Klaus Josef Lutz, 63, ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der Baywa AG. Der gebürtige Münchner hat große Erfahrungen im Weiterentwickeln von Unternehmen. Der Netzwerker war schon in sieben Branchen tätig. Bekannt wurde der Manager als Geschäftsführer des Süddeutschen Verlags in München. Auch für die Burda Druck GmbH hat er einst als Geschäftsführer gearbeitet. Der Jurist wurde 2013 von der TU

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden