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Heinrich von Pierer: Zum Geburtstag hält der Ex-Konzernchef Rückschau

Heinrich von Pierer

Zum Geburtstag hält der Ex-Konzernchef Rückschau

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    Pierer muss im Siemens-Skandal Bußgeld zahlen
    Pierer muss im Siemens-Skandal Bußgeld zahlen Foto: DPA

    Wenn Heinrich von Pierer heute 65 und nicht 70 Jahre würde, stünde hier ein überwiegend wohlwollender Artikel - das Porträt eines Mannes, der den einst behäbigen Elektro-Riesen in einen leistungsfähigen Konzern verwandelt hat, sodass sich das Unternehmen gegenüber dem US-Konkurrenten General Electric zu behaupten weiß.

    Man wäre nicht umhin gekommen, die Verdienste des gebürtigen Erlangers um den Erhalt von Augsburg als Standort für die Produktion von Computern zu erwähnen. Auch wenn das entsprechende Werk heute dem japanischen Konzern Fujitsu gehört, hat Pierer seinen Teil zur Rettung der Jobs beigetragen.

    Und dass der Licht-Konzern Osram, der nach wie vor mit Standorten in Augsburg und Schwabmünchen vertreten ist, nicht längst verkauft wurde, hat ebenfalls etwas mit der Person des langjährigen Siemens-Chefs zu tun. Bayern hat Pierer insgesamt viel zu verdanken. Wenn Erlangen heute als eines der weltweit führenden Zentren der Medizintechnik gilt, ist das vor allem auf sein Engagement zurückzuführen.

    Von alledem profitiert der heutige Siemens-Chef Peter Löscher. Doch wirkt es in Kreisen des aktuellen Unternehmens-Managements unpassend, die Leistungen des Jubilars nachhaltig zu würdigen, sind die Auswirkungen der Schmiergeldaffäre für Siemens doch nach wie vor heftig. Das Unternehmen hat der Skandal bisher rund 2,5 Milliarden Euro gekostet.

    Daher wird nicht allzu laut darüber gesprochen, dass Pierer den Firmen-Tanker, der den Aktionären lange kaum Vergnügen bereiten konnte, in flotte Schnellboote verwandelt hat. Auch war der Manager für viele der "gute Mensch von Erlangen", weil er oft mit Erfolg den Spagat zwischen Mitarbeiter- und Rendite-Interessen wahren konnte.

    Wenn Pierer heute 65 und nicht 70 würde, bliebe aber nicht unerwähnt, dass seine, wenn auch intensiven Bemühungen, das Siemens-Handygeschäft zu retten, ins Leere gingen, obwohl er sich selbst immer wieder als obersten Verkäufer der hauseigenen Mobiltelefone in Szene gesetzt hatte. Der Name von Pierer steht zudem für die Ausgliederung Zehntausender Arbeitsplätze aus der einst festen und für Beschäftigte sicheren Siemens-Burg.

    Am Schluss der Persönlichkeitsstudie mit viel Licht, aber auch Schatten stünde das Bild eines Mannes am Gipfel seiner Macht, der sogar als möglicher Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt worden war. Führende Politiker wie Angela Merkel suchten seinen Rat und würden es vielleicht heute noch tun, wenn seit November 2006 Pierers Aktien im Zuge der Schmiergeldaffäre nicht deutlich gesunken wären. Oder um es in der Sprache des Lieblingssports des tief Gefallenen zu sagen: Pierer hat das Tennisspiel seines Berufslebens in den letzten Jahren nach einer hart errungenen 2:0-Führung doch noch 2:3 verloren, auch wenn gegen ihn keine Anhaltspunkte für ein strafrechtliches Vergehen bestehen. Er übernahm letztlich dennoch die politische Verantwortung für die Skandale während seiner Amtszeit.

    Ein teurer Frieden mit Siemens

    Bis heute weist von Pierer indes eine Verwicklung in die Affäre um Bestechungsgelder von 1,3 Milliarden Euro zurück. Mit seinem ehemaligen Arbeitgeber hat er trotzdem einen teuren Frieden geschlossen. Gegen eine Zahlung von fünf Millionen Euro verzichtet Siemens auf eine Klage gegen den einstigen Chef des Weltkonzerns. Zum Geburtstag hat sich der Manager eine Autobiografie mit dem Titel "Gipfel-Stürme" geschenkt. Die Lektüre des Buches offenbart, wie tief gekränkt der Autor ist, selbst wenn er das mit reichlich Ironie zu übertünchen versucht.

    In einigen Passagen kommen seine Verletzungen deutlich zum Vorschein. "Warum eigentlich dieser Hass? Das frage ich mich bis heute", schreibt er in seinem Werk, das schlecht besprochen wurde. Rezensenten zeigen sich verwundert über Sätze, in denen sich Pierer zum Moralhüter des Konzerns stilisiert: "Korruption ist kein Kavaliersdelikt, hatte ich praktisch bei allen jährlichen Zusammenkünften unserer Führungskräfte gesagt." Bis heute streitet er ab, um die schwarzen Kassen des Unternehmens gewusst zu haben. Das Buch bringt für Siemens-Kenner wenig Neues - vielleicht bis auf das Bekenntnis des Verfassers, sich in jungen Jahren gegen eine Karriere bei Siemens gestellt zu haben. Ihm wäre viel erspart geblieben - extreme Höhen und Tiefen. Von Stefan Stahl

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