Für Millionen Dieselfahrer ist es die Woche der Entscheidung: Bis Montag will die Bundesregierung einen Plan vorlegen, wie weitere Fahrverbote verhindert werden können. Zentraler Punkt: Kommen die Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel – oder nicht? Geht es nach Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie, ist das die falsche Frage.
Innenminister Scheuer will Kaufanreize für neue Diesel-Autos
Diesel-Skandal: Was nach Entdeckung der VW-Affäre passierte
3. September 2015:
VW räumt hinter den Kulissen gegenüber der US-Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Diesel-Abgastests ein.
18. September 2015:
Die EPA teilt mit, VW habe eine Software eingesetzt, um Test-Messungen des Schadstoffausstoßes künstlich zu drücken.
23. September 2015:
Rücktritt von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn, zwei Tage später beruft der Aufsichtsrat Porsche-Chef Matthias Müller als Nachfolger.
15. Oktober 2015:
Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnet einen Pflichtrückruf aller VW-Dieselautos mit Betrugs-Software an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,5 Millionen Wagen in die Werkstatt.
22. April 2016:
Der Abgas-Skandal brockt dem Volkswagen-Konzern für 2015 mit 1,6 Milliarden Euro den größten Verlust der Geschichte ein.
8. August 2016:
Das Landgericht Braunschweig gibt den Startschuss für ein Musterverfahren wegen milliardenschwerer Aktionärsklagen gegen VW.
25. Oktober 2016:
US-Rechtsstreit um VW-Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren: VW einigt sich auf 16 Milliarden Dollar Entschädigung an Kunden, Behörden, Händler und US-Bundesstaaten.
11. Januar 2017:
VW und das US-Justizministerium vergleichen sich in strafrechtlichen Fragen auf eine Zahlung von 4,3 Milliarden Dollar.
31. Mai 2017:
Es wird bekannt, dass VW-Tochter Audi in Deutschland und Europa unzulässige Abgas-Software verwendet hat.
25. August 2017:
VW-Ingenieur James Liang wird in den USA zu 40 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte 2016 als Kronzeuge ausgepackt.
6. Dezember 2017:
Der frühere VW-Manager Oliver Schmidt wird in den USA wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoßes gegen Umweltgesetze zu sieben Jahren Haft verurteilt.
12. April 2018:
VW-Markenchef Herbert Diess wird zum Nachfolger von Müller an der Konzernspitze berufen.
18. Juni 2018:
Der Chef der VW-Tochter Audi, Rupert Stadler, wird verhaftet. Die Ermittler werfen ihm Falschbeurkundung im Zusammenhang mit den Abgasmanipulationen vor.
10. September 2018:
Beginn des Kapitalanleger-Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Musterklägerin ist die Sparkassen-Fondstochter Deka Investment. Ziel des Prozesses ist eine Rahmenentscheidung, die für alle Beteiligten bindend ist.
30. Oktober 2018:
Rupert Stadler wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Seinen Posten als Vorstandsvorsitzender ist er jedoch los. Bram Schot übernimmt seinen Posten.
31. Juli 2019:
Die Staatsanwaltschaft München II erhebt Anklage gegen Rupert Stadler und drei weitere Manager. Ihnen wird Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung vorgeworfen.
Für den Motoren-Professor sind Nachrüstungen zwar technisch machbar, aber „nicht sinnvoll und nicht zielführend“. Umweltverbände, aber auch die SPD fordern genau solche Nachrüstungen. Selbst Kanzlerin Merkel (CDU) lässt Sympathie dafür durchblicken. Verkehrsminister Scheuer (CSU) wiederum will eher auf Kaufanreize für neue Diesel-Fahrzeuge setzen.
Diesel-Nachrüstung kostet bis zu 5000 Euro pro Auto
Die Befürworter der Nachrüstung verkennen nach Kochs Einschätzung, dass die Hersteller auch nach dem Umbau alle Gesetze erfüllen müssen. Intensive Eingriffe wie etwa der Austausch des Kabelsatzes sind die Folge – und hohe Kosten von mehr als 5000 Euro pro Auto. „Außerdem bräuchten wir im großen Stil neue Abgasanlagen. Die Produktion müsste erst aufgebaut werden“, sagt Koch. Vor dem Jahr 2020 wird seiner Ansicht nach kaum ein umgerüstetes Auto auf den Straßen unterwegs sein. Das wäre wohl zu spät. Denn das Verwaltungsgericht Leipzig hatte in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Maßnahmen für saubere Luft schon 2019 greifen müssen.
Der ADAC spricht sich für eine Nachrüstung aus. „Die Technik funktioniert“, teilt der Autoklub nach einem entsprechenden Dauertest mit. 10.000 Kilometer haben die Testwagen bislang abgespult. Der Schadstoffausstoß sank laut ADAC um bis zu 90 Prozent; erhoben werden die Messwerte unter anderem im eigenen Technikzentrum in Landsberg am Lech. Die Nachrüstung sei „mit verträglichem Aufwand möglich“, schreibt auch Georg Wachtmeister, Inhaber des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen an der TU München, in einem Gutachten für das Verkehrsministerium. Er rechnet mit 3000 Euro Kosten pro Fahrzeug.
Wer soll die Kosten für Diesel-Nachrüstungen übernehmen?
Wer das bezahlen soll, ist unklar. Den ohnehin gestraften Dieselfahrern kann man die Kosten kaum zumuten; dem Steuerzahler wohl ebenfalls nicht; ob sie der Autoindustrie aufgebrummt werden können, gilt als ungewiss.
Was also tun? Motoren-Experte Koch rät zur Geduld. Er plädiert dafür, die Software-Updates erst einmal wirken zu lassen. Noch seien längst nicht alle aufgespielt. Euro-5-Diesel würden mit neuer Software um bis zu 30, Euro-6-Modelle sogar um bis zu 90 Prozent sauberer. „Seit Jahren fallen die gesamten Stickstoff-Emissionen – auch in diesem Jahr, auf einen neuen Tiefstand“, sagt der Professor.
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.