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Europa weiter Sorgenkind der Weltwirtschaft

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Europa weiter Sorgenkind der Weltwirtschaft

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    IWF-Chefin Christine Lagarde im Gespräch mit Wolfgang Schäuble bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds.
    IWF-Chefin Christine Lagarde im Gespräch mit Wolfgang Schäuble bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds. Foto: Stephen Jaffe (dpa)

    Die Hoffnung der Welt in Sachen Wirtschaftswachstum ruht nach Ansicht von Finanzminister Schäuble zu sehr auf Europa. Die Konjunktur werde hier stabil, aber nicht rasant zulegen. Alle anderen Erwartungen seien überzogen - und gefährlich.

    US-Finanzminister: Nachfrage in Europa wichtig für die Weltwirtschaft

    Europa bleibt mit seinen unverändert schwachen Konjunktur das Sorgenkind der Weltwirtschaft. "Das Wachstum muss sich in der Eurozone insgesamt erst noch verwirklichen", bemängelte der Lenkungsausschuss des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Samstag zum Abschluss seiner Frühjahrstagung in Washington. Er forderte eine weitere Reparatur des Finanzsektors, Reformen für mehr Jobwachstum und Produktivität sowie eine effektive Bankenunion.

    "Eine stärkere Nachfrage in Europa ist wichtig für das globale Wachstum", meinte US-Finanzminister Jack Lew. Der Amerikaner begrüßte die Debatte der Europäer, ihre Konjunktur "durch eine angemessene Mischung volkswirtschaftlicher Werkzeuge" anzukurbeln. Vor allem die starken Staaten sollten in Wachstum investieren, um die "anstrengenden" Sparmaßnahmen der Krisenländer abzufedern.

    Konjunktur der Eurozone schrumpft um 0,3 Prozent

    Während die Weltwirtschaft in diesem Jahr nach IWF-Berechnung um 3,3 Prozent wachsen soll, schrumpft die Konjunktur in der Eurozone um 0,3 Prozent. Auch im kommenden Jahr soll sie mit 1,1 Prozent Wachstum im Vergleich eher schwach dastehen. Die Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde warnte, dass Europa zunehmend hinter den USA und den Schwellenländern zurückbleibe. Diese "Erholung mit drei Geschwindigkeiten" sei nicht gut für Entwicklung der Weltwirtschaft.

    Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) entgegnete, dass Europa in den kommenden Jahren kein starker Konjunkturmotor für die Weltwirtschaft werde. Es wäre völlig unrealistisch, hier große Wachstumsraten zu erwarten, sagte er in Washington. Wer mehr erwarte, laufe Gefahr, nicht die eigenen Problem zu lösen. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann betonte, Europa müsse immer mit niedrigeren Zuwachsraten rechnen als andere Regionen.

    Sorgen um die Weltkonjunktur: Wachstum zu schwach

    Hintergrund des Augenmerks auf die Eurozone sind Sorgen um die Weltkonjunktur. "Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen ist noch immer zu schwach", heißt es im Papier des Lenkungsausschusses. "Wir müssen entschlossen handeln, um die Widerstandskraft der Weltökonomie wiederherzustellen." Singapurs Minister Tharman Shanmugaratnam, der Vorsitzende des Komitees, betonte, dass dafür eine Mischung verschiedener Maßnahmen notwendig sei. "Es gibt nicht eine einzige Waffe."

    Unentbehrlich sei etwa eine mittelfristige, glaubwürdige Sparpolitik - vor allem auch in den USA und Japan. Ein starker Defizitabbau in kurzer Zeit sei hingegen nicht hilfreich. Auch ein "übermäßiges Vertrauen auf Geldpolitik" sollte vermieden werden. Ein Ende der Niedrigzinsen, wenn es soweit sei, müsse aber "vorsichtig durchgeführt und klar kommuniziert werden", heißt es in dem Abschlusspapier. Die Schwellenländer sollten zudem ihre derzeit gute Konjunkturlage nutzen, um jetzt Puffer gegen mögliche künftige Probleme aufzubauen.

    IWF will Bankenunion in Europa

    Der Weg vom nationalen Geld zur gemeinsamen Währung in Europa

    Seit 2002 ist der Euro offizielles Zahlungsmittel. In Deutschland hatte der Euro vom Start weg bei den Menschen einen schwierigen Stand, rasch machte das Wort «Teuro» die Runde. Die wichtigsten Etappen auf dem bisherigen Weg zum Euro als EU-Gemeinschaftswährung:

    1. Juli 1987: Das Ziel Währungsunion wird im EG-Vertrag verankert.

    7. Februar 1992: Unterzeichnung des EU-Vertrages von Maastricht, der die Währungsunion bis 1999 vorsieht und Beitrittskriterien festlegt.

    1. November 1993: Ratifizierung des Maastricht-Vertrages. Aus den Europäischen Gemeinschaften (EG) wird die Europäische Union (EU).

    Dezember 1995: Als Einheiten der neuen Währung werden Euro und Cent festgelegt.

    16./17. Juni 1997: Verabschiedung des Stabilitäts- und Wachstumspakts in Amsterdam. Einigung auf die «europäische Seite» für die Münzen.

    25. März 1998: Die EU-Kommission und das Europäische Währungsinstitut (EWI), Vorläufer der Europäischen Zentralbank (EZB) empfehlen elf Länder für den Start der Währungsunion. Außen vor bleiben aus freien Stücken Großbritannien, Dänemark, Schweden sowie Griechenland, das die Kriterien noch nicht erfüllt.

    1. bis 3. Mai 1998: Ein Sondergipfel der EU-Gremien gibt in Brüssel grünes Licht für den Euro. Die Staats- und Regierungschefs bestimmen den 1. Januar 1999 als Start der Währungsunion.

    31. Dezember 1998: Die Wirtschafts- und Finanzminister der EU legen den Umrechnungskurs des Euro zu den elf Teilnehmerwährungen endgültig fest. Danach ist ein Euro 1,95583 D-Mark wert.

    1. Januar 1999: Der Euro wird gemeinsame Währung der elf Länder. In Euro bezahlt werden kann per Scheck, Kredit- oder EC-Karte. Das alte nationale Geld bleibt noch das allein gültige Zahlungsmittel.

    4. Januar 1999: Die Finanzmärkte nehmen den Handel mit Euro auf.

    Juli 1999: Die Herstellung des neuen Bargelds läuft an.

    1. Januar 2001: Griechenland wird nach Erfüllung der Beitrittskriterien zwölftes Euroland-Mitglied - allerdings mit frisierten Haushaltszahlen, wie sich später herausstellt.

    1. September 2001: Beginn der Ausgabe von Noten und Münzen an Banken und Handel.

    1. Januar 2002: Der Euro wird gesetzliches Zahlungsmittel.

    1. März 2002: Die D-Mark verliert ihre Gültigkeit, kann aber weiterhin gegen Euro eingetauscht werden.

    1. Mai 2004: Zehn Länder in Mittel- und Osteuropa sowie im Mittelmeerraum werden neue EU-Mitglieder. Sie müssen die Gemeinschaftswährung übernehmen, sobald sie die Konvergenzkriterien erfüllen.

    1. Januar 2007: Als erster der neuen EU-Staaten wird Slowenien 13. Mitgliedsland der Euro-Zone. Ein Beitrittsgesuch Litauens wird hingegen von der EU-Kommission wegen überhöhter Inflation abgelehnt.

    1. Januar 2008: Malta und die Republik Zypern führen den Euro ein.

    1. Januar 2009: Die Slowakei führt den Euro ein.

    Frühjahr 2010: Griechenland kommt in immer größere Finanznöte und muss als erstes Euroland Milliardenhilfen beantragen. Damit nimmt eine Schuldenkrise ihren Lauf, die sich trotz neuer Milliarden-Hilfspakete auch für Irland und Portugal bis Ende 2011 dramatisch verschärft.

    1. Januar 2011: Zum Auftakt des schlimmsten Krisenjahres führt Estland den Euro ein - als erste frühere Sowjetrepublik. Damit leben gut 330 Millionen Menschen im Euro-Raum mit 17 Mitgliedsländern.

    Der IWF will eventuelle Negativfolgen der extrem lockeren Geldpolitik untersuchen. Dabei sollten auch Möglichkeiten erkundet werden, wie Notenbanken einen ungefährlichen Ausweg aus den "unkonventionellen Maßnahmen" finden könnten, sagte Lagarde. Nachdem zuletzt die japanische Zentralbank massiv die Liquidität erhöhte, sind Sorgen über die Konsequenzen lauter geworden. Dazu gehören etwa Inflation, Spekulationsblasen, instabile Rohstoffpreise und ein Abwertungswettlauf verschiedener Währungen. Laut Weidmann nehmen die Risiken durch die "ultraexpansive" Geldpolitik in dem Maße zu, je länger diese Phase andauere.

    Wie die Gruppe der G20-Wirtschaftsmächte ruft der IWF nach entschlossenen Schritten zur Bankenunion in Europa. Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem sieht dabei keine größeren Verzögerungen durch den Streit über mögliche EU-Vertragsänderungen. "Wir können eigentlich sehr, sehr weit vorankommen mit den wesentlichen Elementen der Bankenunion", sagte er. Parallel könne darüber debattiert werden, ob für den geplanten Abwicklungsmechanismus für marode Banken die europäischen Verträge geändert werden müssten. Aus Sicht von Schäuble ist eine Abwicklungsbehörde zur Schließung von Instituten nur möglich, wenn die europäischen Verträge geändert würden.

    Olli Rehn: Finanzsektor muss sich erholen

    EU-Währungskommissar Olli Rehn bezeichnete vor allem die weitere Erholung des Finanzsektors als unentbehrlich für eine Ankurbelung der Wirtschaft. "In der EU herrscht Bedarf an langfristigen, produktiven Investitionen, die finanziert werden müssen", schrieb er in einer Erklärung. Es gebe aber noch viele Faktoren, die verhinderten, dass das benötigte Geld im Bankensystem zielgerichtet fließe. Zuvor hatte der IWF in seinem globalen Finanzstabilitätsbericht beklagt, dass vor allem in den ärmeren Eurostaaten wegen Schwächen im Finanzsystem die günstigen Kredite noch nicht bei kleineren Unternehmen ankämen.

    Neue Zielvorgaben der Wirtschaftsmächte: Schäuble will sich Zeit lassen

    Weidmann meinte zu den Wachstumserwartungen an Europa, dass die Bewältigung der Krise eher ein Jahrzehnt als ein Jahr dauern werde. Es könne nicht der Versuch unternommen werden, mit mehr Schulden an die Wachstumsraten vor der Schäuble verwies darauf, dass Einigkeit darin bestehe, dass der Defizitabbau fortgesetzt werden müsse. Bei der Vereinbarung neuer Zielvorgaben der führenden Wirtschaftsmächte G20 müsse man sich aber noch ein Stück weit Zeit lassen. dpa

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