Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Euro-Rettung: Angela Merkel und Wolfgang Schäuble: Gestörtes Verhältnis?

Euro-Rettung

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble: Gestörtes Verhältnis?

    • |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble fahren in der Griechenland-Krise eine unterschiedlich harte Strategie.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble fahren in der Griechenland-Krise eine unterschiedlich harte Strategie. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

    So schnell macht ihm niemand mehr etwas vor. Dazu hat er in seinem langen politischen Leben schon zu viel erlebt, Höhen und Tiefen, Überraschungen und Wendungen. „’s isch, wie’s isch“, pflegt er in seinem badischen Tonfall zu sagen. Soll heißen: Ihn kann nichts mehr erschüttern.

    Seit bald 43 Jahren gehört Wolfgang Schäuble dem Bundestag an, niemand in der Geschichte der Bundesrepublik war so lange im Parlament, zudem kommt er auf eine mehr als 18-jährige Kabinettszugehörigkeit unter den Kanzlern Helmut Kohl und Angela Merkel. Das verleiht ihm persönlich wie politisch eine gewisse Freiheit und Unabhängigkeit. Kanzlerin, die er zwar achtet und respektiert, vor der er allerdings nicht kuscht.

    Merkel: Griechenland soll in Eurozone bleiben

    Auch nicht in der Frage der Griechenland-Rettung. So deutlich und konsequent wie kein anderer Politiker auf der europäischen Bühne drängt der deutsche Finanzminister darauf, dass sich Griechenland an die geltenden Gesetze und Regeln hält, seinen Haushalt in Ordnung bringt und die geforderten Reformen umsetzt. Auch einen Grexit, den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, will er als äußerste Konsequenz nicht ausschließen.

    So weit mag Angela Merkel in ihren öffentlichen Äußerungen hingegen nicht gehen. Zwar fordert auch sie gebetsmühlenartig, dass sich die griechische Regierung an die vereinbarten Auflagen hält, und doch klingt es bei ihr nicht so hart, wenn sie nachschiebt: „Wir wollen alles tun, damit Griechenland in der Eurozone bleiben kann.“ In Berlin heißt es, Merkel wolle nicht als die Kanzlerin in die Geschichte eingehen, unter der der Euro zerbrochen ist, sie sei daher bereit, den Griechen entgegenzukommen.

    Gibt es aus diesem Grund ein Zerwürfnis zwischen Merkel und Schäuble? Ziehen die Kanzlerin und der Finanzminister gar in den entscheidenden Tagen, in denen sich die Griechenland-Frage dramatisch zuspitzt, nicht mehr an einem Strang? Pflichtschuldigst dementieren das Kanzleramt wie das Finanzministerium entsprechende Spekulationen, die seit einigen Tagen durch das Regierungsviertel wabern. Beide wollten das Gleiche erreichen. Es sei einzig und allein die Sache Griechenlands, eine Einigung mit den drei Institutionen EU, EZB und IWF zu finden, sagen Merkel wie Schäuble unisono.

    Auf der internationalen Bühne: Schäuble als bad guy

    Die Stationen von Angela Merkel

    1989: In der politischen Umbruchphase der DDR steigt die Physikerin Merkel in die Politik ein und schließt sich dem Demokratischen Aufbruch (DA) an, der später der CDU beitritt.

    April 1990: Nach den Volkskammerwahlen wird Merkel stellvertretende Regierungssprecherin der DDR.

    Dezember 1990: Merkel wird mit der ersten gesamtdeutschen Wahl direkt gewählte CDU-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Stralsund, Rügen, Nordvorpommern.

    Januar 1991: Merkel wird unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) als Bundesministerin für Frauen und Jugend vereidigt.

    Dezember 1991: Merkel wird zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.

    November 1994: Merkel wird Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Für ihre Verhandlungsführung beim UN-Klimagipfel in Berlin erntet sie ein Jahr später breites Lob.

    November 1998: Der neue CDU-Chef Wolfgang Schäuble macht Merkel zur Generalsekretärin.

    Dezember 1999: Nach Bekanntwerden der CDU-Spendenaffäre ruft Merkel in einem spektakulären Zeitungsbeitrag zur Abnabelung von Kohl auf.

    10. April 2000: Nach Schäubles Rücktritt infolge der CDU-Spendenaffäre wird Merkel auf dem Parteitag in Essen mit 95,9 Prozent zur Parteichefin gewählt.

    24. September 2002: Nach der verlorenen Bundestagswahl mit Spitzenkandidat Edmund Stoiber sichert Merkel sich den Fraktionsvorsitz der CDU/CSU im Bundestag.

    1./2. Dezember 2003: Unter Merkels Führung segnet die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig einen radikalen Kurswechsel in der Steuer- und Sozialpolitik ab. Später distanzieren sich sowohl Kanzlerin als auch Partei wieder davon.

    18. September 2005: Die Union gewinnt mit Merkel als Kanzlerkandidatin die Bundestagswahl knapp vor der SPD, bleibt aber weit hinter den Erwartungen zurück.

    22. November 2005: Merkel wird als Bundeskanzlerin einer großen Koalition vereidigt. Sie ist nicht nur die erste Frau, sondern mit 51 Jahren die bislang jüngste Politikerin in diesem Amt.

    August 2006: Das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" kürt Merkel erstmals zur "mächtigsten Frau der Welt". Den Spitzenplatz hält sie auch in den kommenden Jahren fast durchgängig.

    September/Oktober 2008: Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stellen wegen der Finanzkrise in dramatischen Rettungsaktionen Milliardensummen für Banken und die Wirtschaft bereit.

    27. September 2009: Die CDU fährt bei der Bundestagswahl unter Merkels Führung zwar ein schwaches Ergebnis ein, es reicht aber für das gewünschte schwarz-gelbe Bündnis.

    28. Oktober 2009: Merkel wird zum zweiten Mal vom Bundestag zur Kanzlerin gewählt.

    Mai 2010: Die Staaten der Euro-Zone beschließen den ersten Rettungsschirm. Während Merkel mit der Euro-Krise beschäftigt ist, macht ihre schwarz-gelbe Koalition vor allem durch Streits von sich reden.

    6. Juni 2011: Nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima beschließt Merkels Kabinett das Aus für acht Atomkraftwerke und einen schrittweisen Atomausstieg bis 2022. Im Wahlkampf hatte Merkel noch für eine Verlängerung der Laufzeiten geworben.

    Dezember 2012: Bei ihrer sechsten Wiederwahl zur CDU-Chefin erreicht Merkel mit 97,94 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis.

    22. September 2013: Bei der Bundestagswahl erreicht die Union mit 41,5 Prozent das beste Zweitstimmenergebnis seit 1990.

    17. Dezember 2013: Merkel wird zum dritten Mal im Bundestag zur Kanzlerin gewählt.

    10. April 2014: Merkel ist jetzt länger als Kanzlerin im Amt als Helmut Schmidt, der acht Jahre und vier Monate Regierungschef war. Nur Konrad Adenauer und Helmut Kohl regierten deutlich länger.

    Das unterschiedliche Auftreten wie der abweichende Tonfall scheinen ein Stück weit auch eine geschickte Arbeitsteilung zu sein. Auf der internationalen Bühne gibt Schäuble den „bad guy“, der alle Pfeile auf sich zielt und auch nach innen gegenüber den skeptischen Abgeordneten der Unionsfraktion signalisiert, dass er hart bleiben und nicht umfallen werde. Gleichzeitig hält er seiner Chefin damit den Rücken frei und verschafft ihr einen gewissen politischen Spielraum, den sie auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs nützen kann. In Unionskreisen wird Schäubles hartes Auftreten auch mit seinem Frust über seinen griechischen Amtskollegen Gianis Varoufakis erklärt, den er gerne ironisch einen „Großökonomen“ nennt. Mehrfach sei Varoufakis ohne Vorbereitung, ohne Verhandlungsmandat und ohne sichtbare Bereitschaft zum Kompromiss nach Brüssel gekommen. Längst habe Premierminister Alexis Tsipras die Verhandlungen mit den Geldgebern zur Chefsache erklärt. Damit hat er aber auch Wolfgang Schäuble aus dem Spiel genommen. Nichts hasse der Finanzminister mehr, als in die Rolle des Statisten gedrängt zu werden, heißt es in seinem Umfeld.

    Angela Merkel lässt Wolfgang Schäuble gewähren. Sie weiß, dass sie sich auf ihn verlassen kann und er sich, wenn es darauf ankommt, fügt, wenn auch murrend. Dies war schon zu Beginn der Griechenland-Rettung so. Merkel drängte darauf, den IWF ins Boot zu holen, Schäuble war dagegen. Die Kanzlerin setzte sich durch. Und der Finanzminister akzeptierte es.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden