An einem Tag im Sommer 2016 macht sich Waldemar Zeiler daran, das größte Geheimnis der Arbeitswelt zu lüften. Zeiler, 35 Jahre, ist ein freundlicher Mann mit Vollbart, Dutt und Hornbrille. Gemeinsam mit seinem Partner Philip Siefer hat er vor drei Jahren das Start-up Einhorn gegründet. Die beiden verkaufen vegane Kondome, vor einiger Zeit haben sie an der Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ teilgenommen.
An jenem Sommertag vor zwei Jahren fahren Zeiler und Siefer mit ihren Mitarbeitern von Berlin ins Grüne. Sie haben ein Landhaus gemietet, drei Tage wollen sie Klausur halten, und darüber sprechen, was sie anders machen können als andere Unternehmen.
"Kapitalismus muss doch auch anders gehen"
Die Einhorn-Gründer sind unzufrieden damit, wie die meisten Firmen in Deutschland geführt werden. Sie wissen vor allem, was sie nicht wollen: Strenge Hierarchien, gefrustete Mitarbeiter und den immer gleichen Trott. „Wir dachten uns, Kapitalismus muss doch auch anders gehen“, sagt Zeiler heute. Und fügt hinzu: „Bei uns ist niemand, weil er Kondome verkaufen will.“ Soll heißen: Wer bei Einhorn arbeitet, dem geht es um mehr. Um Nachhaltigkeit zum Beispiel, aber auch um Flexibilität, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, kurz: um eine Arbeitswelt, die sich an die Bedürfnisse der Beschäftigten anpasst anstatt umgekehrt.
Ihr Unternehmen, sagt Gründer Zeiler, soll eine Art Labor sein. Und tatsächlich passiert in diesen Tagen im Sommer vor zwei Jahren etwas, das in vielen anderen Firmen unvorstellbar ist: Das Einhorn-Team setzt sich zusammen, jeder erzählt, was er verdient – und wie viel Geld er gern zusätzlich hätte. Es wird verhandelt und am Ende gehen alle mit einem Plus nach Hause.
Für die meisten Arbeitnehmer muss sich das merkwürdig anhören. Denn über kein Thema wird in deutschen Büros so eisern geschwiegen wie über das Gehalt. Nach einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young wissen zwei Drittel der deutschen Beschäftigten nicht, was ihre Kollegen verdienen. Und das, obwohl die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen: Schreibtisch-Nachbarn tauschen sich über Kinder, Hobbys oder Krankheiten aus. Beim Lohnzettel jedoch hört die Freundschaft auf, Gespräche über das Gehalt sind tabu.
Glaubt man der Studie, dann will die Mehrzahl der Beschäftigten daran nichts ändern. 56 Prozent der Befragten geben an, dass transparente Gehälter nur zu Neid unter Kollegen führen würden – oder Leistung plötzlich keine Rolle mehr spielen könnte.
Aber stimmt das überhaupt? Verträgt die Arbeitswelt keine Transparenz? Oder ist es vielleicht eher andersherum? Wäre das Büro ein besserer Ort, wenn das Gehalt nicht länger ein Geheimnis ist?
Wie so oft, wenn es um ganz grundsätzliche Fragen geht, lohnt es sich, über den eigenen Tellerrand zu schauen und zu fragen: Wie machen das andere eigentlich? Die Schweden zum Beispiel. Dort kann seit fast 40 Jahren jeder herausfinden, wie viel der Nachbar verdient. Einmal im Jahr erscheint der sogenannte Steuerkalender, der so dick ist, wie die Telefonbücher mehrere Städte. Darin aufgelistet ist jeder Einwohner Schwedens mit Name, Geburtstag, Familienstand und Einkommen. Wer wissen will, was der Chef verdient oder der schwedische Popstar Björn Ulvaeus von ABBA, kann nachgucken.
Was steckt hinter den transparenten Gehältern in Schweden?
Der Grund für die Transparenz ist aber nicht die besonders große Neugier der Schweden. Hinter dem Offenlegen der Gehälter steckt etwas anderes. Die Skandinavier wollen die Steuertreue ihrer Bürger erhöhen. Wer weiß, dass jemand anders, der ähnlich viel verdient, auch ähnlich hohe Steuern bezahlt, ist eher bereit, sich selbst an die Gesetze zu halten, so die Überlegung. Und tatsächlich hat der Kalender schon dazu beigetragen, Steuersünder zu überführen.
Dass die Schweden und übrigens auch die Norweger, die ähnlich offen mit ihren Einkünften umgehen, so vorgehen, verwundert Florian Becker nicht. Der Wirtschaftpsychologe berät seit 2001 Unternehmen unter anderem dazu, wie sie ihre Mitarbeiter am besten motivieren. Das Gehalt spielt dabei natürlich eine wichtige Rolle. Becker sagt: „In nordisch-skandinavischen Ländern, zu denen auch Deutschland zählt, gibt es eine Tendenz zum Egalitarismus.“ Das heißt: Traditionell werden in solchen Ländern die Gemeinsamkeiten von Menschen stark betont. Alle gelten als gleich. Hierarchien, Machtgefälle und Unterschiede werden nicht gerne gesehen. Doch obwohl die Skandinavier und die Deutschen ähnlich denken, ziehen sie daraus völlig unterschiedliche Schlüsse. Während die einen auf Transparenz setzen, würden die anderen ihr Einkommen niemals preisgeben.
Und dennoch: Themen wie Managergehälter oder Gehaltsunterschiede sind in Deutschland Dauerbrenner. „Wie viel verdient ein Manager? Das interessiert in den USA keinen“, sagt Becker. „Wie viel ein Firmeneigentümer seinem Mitarbeitern bezahlt, das ist in Amerika allein seine Sache. In Deutschland, wollen alle mitreden.“ Es gibt auch Länder, in denen Reichtum offensiv zur Schau getragen wird – in China zum Beispiel. „Dort ist es keine Seltenheit, dass jemand eine Uhr für 300.000 Euro trägt oder eine Gürtelschnalle aus massiven Gold“, erzählt Becker. „Dafür werden die Träger bewundert. In Deutschland würde ich keinem raten mit seinem Gehalt – zumal wenn es höher liegt – anzugeben.“ Solche Unterschiede werden nicht gern gesehen.
Die Unterschiede sind nicht zu leugnen
Alte verdienen in der Regel mehr als Junge, langjährige Mitarbeiter mehr als neue Beschäftigte, die auf der gleichen Position anfangen. Auch der Wohnort spielt eine Rolle, der Familienstand – und immer noch das Geschlecht. Frauen verdienen im Schnitt in der Stunde 21 Prozent weniger als Männer.
Die Zahlen müssen aber eingeordnet werden. Für diese Statistik wird der durchschnittliche Stundenlohn aller Frauen mit dem durchschnittlichen Stundenlohn aller Männer verglichen. Unterschiede, wie die Position, in der jemand arbeitet, der Beruf, den jemand ausübt, oder die Zahl der Berufsjahre, die jemand hat, werden nicht berücksichtigt. Und das hat Folgen. „Frauen arbeiten deutlich öfter in Teilzeit. Gerade bei den geburtenstarken Jahrgängen haben viele Frauen außerdem einen niedrigeren Berufsabschluss. Sie sind deutlich seltener in Führungspositionen als Männer und sie arbeiten, in Branchen, in denen man weniger verdient“, zählt Christian Hutter die Einflussfaktoren auf. Der Volkswirt befasst sich für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg mit dem Thema Lohntransparenz. Und weiß: Wenn all diese Unterschiede in der Statistik berücksichtigt werden – Frauen also mit Männern auf der gleichen Position verglichen werden – schrumpft die Lohnlücke zusammen: von 21 auf sechs Prozent.
Henrike von Platen ärgert sich über Wissenschaftler wie Christian Hutter, die die Lohnlücke kleinrechnen. Die Finanzexpertin setzt sich seit Jahren für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen ein. Im vergangenen Jahr hat sie das Fair Pay Innovation Lab gegründet, dass unter anderem Unternehmen berät, die ihre Gehaltsstrukturen umstellen wollen. Natürlich, sagt sie, lasse sich ein Teil der Lohnunterschiede wissenschaftlich erklären. Aber eine plausible Erklärung bedeute nicht, dass die Unterschiede nicht existieren. „Wenn Frauen im Durchschnitt ein Fünftel weniger verdienen als Männer, dann ist das ein gesellschaftliches Problem“, betont von Platen.
Ihrer Meinung nach zeigt die 21-Prozent-Lücke, dass Frauen in Deutschland strukturell benachteiligt sind: Weil sie zu Hause bleiben oder die Arbeitszeit reduzieren, wenn sie ein Kind bekommen oder Angehörige pflegen. „Wer weniger verdient, bleibt zuhause, wer zuhause bleibt, verdient weniger – ein Teufelskreis!“ Zu dieser Erkenntnis ist auch Florian Becker gekommen. Er sagt: „Das Hauptproblem ist, dass zu wenige Frauen in Führungspositionen kommen.“ Und warum? Um das herauszufinden, hat er sich angeschaut, wer eigentlich befördert wird. Das Ergebnis: Je maskuliner jemand auftritt, desto weiter kommt er die Karriereleiter nach oben. Das gilt für Frauen wie für Männer. „Das fängt schon bei der Stimme an. Frauen mit tiefen Stimmen werden eher befördert“, weiß er.
Ist Chancengleichheit ohnehin eine Illusion?
Dass nicht allein die fachliche Leistung über ein Fortkommen im Job entscheidet, sondern viele verschiedene Faktoren, zeigt auch eine Studie des niederländischen Psychologen Jaap Denissen. Wer extrovertiert ist, kann demnach häufig ein deutlich höheres Gehalt aushandeln als weniger offene Mitarbeiter. Wer zu sorgfältig ist, habe dagegen sogar oft das Nachsehen. Warum? Denissen vermutet, dass weniger gewissenhafte Beschäftigte schneller arbeiten – und deshalb bei ihren Chefs einen besseren Eindruck hinterlassen. Glaubt man dem Psychologen, dann ist völlige Chancengleichheit von vorneherein eine Illusion.
Lohnexpertin von Platen ist der Meinung, dass sich dies durch mehr Transparenz ändern ließe. Wenn das Gehalt kein Geheimnis mehr ist, müssten Arbeitgeber in ihren Augen gerechter bezahlen und mehr Augenmerk auf das fachliche Können legen. Das würde auch automatisch die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern verringern. „Geld ist die wichtigste Stellschraube, auf dem Weg zur Gleichstellung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt“, betont von Platen.
Ähnlich hat die ehemalige Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) argumentiert. Lange hat sie für die Einführung eines Gesetzes gekämpft, dass Männern und Frauen gleiche Löhne garantieren soll. Immer wieder passte sie es an, modifizierte es, bis das Entgelttransparenzgesetz im vergangenen Jahr beschlossen wurde. Langfristig, hoffte Schwesig, werde das Gesetz „zu einem Kulturwandel in den Unternehmen und in der Gesellschaft beitragen“.
Seit Anfang des Jahres haben nun Beschäftigte – zumindest wenn in ihrem Unternehmen mehr als 200 Menschen arbeiten – einen gesetzlichen Anspruch darauf, zu erfahren, was ihre Büronachbarn verdienen. Jedenfalls in der Theorie. In der Praxis muss es mindestens sechs Kollegen des jeweils anderen Geschlechts geben, die einen vergleichbaren Job machen. Eine Sekretärin darf sich also nicht nach dem Gehalt des Abteilungsleiters erkundigen, ein Bandarbeiter nicht erfahren, was eine Ingenieurin verdient. Sind alle Kriterien erfüllt, wird dem Mitarbeiter das mittlere Gehalt der Vergleichsgruppe verraten.
Transparenz zu schaffen, ist mühsam
Die Hürden sind hoch. Aber überwindbar, sagt Lohnexpertin Henrike von Platen. Das neue Gesetz sei ein wichtiges Signal für Unternehmen und Beschäftigte. „Ich finde es gut, dass es jetzt dieses Gesetz gibt“, sagt sie. „Der Rechtsanspruch bringt aber niemandem etwas, wenn er nicht genutzt wird.“ Also tritt von Platen auf Konferenzen auf, setzt sich an Runde Tische, um immer wieder über Lohngerechtigkeit und Transparenz zu sprechen. Ein mühsames Unterfangen. Aber eines, das sich lohnt, sagt die Expertin.
Wenn sie Unternehmen berät, empfiehlt von Platen ihnen immer, den größten und schwersten Schritt gleich am Anfang zu machen: die Löhne offenzulegen. Ein Teil der Betriebe würde davor erst einmal zurückschrecken. „Viele Unternehmen glauben, gerecht zu bezahlen, ohne ihre Einkommensstrukturen jemals überprüft zu haben“, sagt von Platen. „Aber wer diese Hürde nicht nimmt, braucht mit allem anderen gar nicht erst anfangen.“
Nach Meinung der Expertin sind Firmen, die Transparenz leben, die klügeren und wirtschaftlicheren Unternehmen. Denn wo eher nach Gefühl als nach Gesetzmäßigkeit bezahlt werde, entstünden Frust und Neid. Werden Gehälter dagegen offengelegt, sei für jeden ersichtlich, wer warum wie viel verdient. „Es reicht nicht mehr zu sagen, jemand bekomme mehr Geld, weil er besser ist als andere“, sagt von Platen. Unternehmen müssten genau definieren, durch welche Leistungen und Extra-Aufgaben sich das Gehalt steigern lasse. „Fair Pay“, sagt sie, „ist die Zukunft“.
Aber wann ist ein Gehalt überhaupt fair? Stellt man von Platen diese Frage, dann lacht sie erst einmal auf. „Das ist meine Lieblingsfrage“, sagt sie. Eine konkrete Antwort gebe es nicht. Zumindest noch nicht. Denn in der Arbeitswelt fehle – anders als im Sport – ein Fairness-Regelwerk. Jeder verstehe also unter Lohngerechtigkeit etwas anderes: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit etwa, ein Gehalt, das sich ausschließlich an der Leistung orientiert – oder auch einen Lohn, der völlig unabhängig von alldem gezahlt wird.
An diesem Punkt sind sich die Experten Becker und von Platen einig. Auch Becker sagt: „Gerechtigkeit ist eine Frage der Perspektive.“ Ein Unternehmer, der viel Geld hat, wird nicht daran zweifeln, dass er es auch verdient. Schließlich arbeitet er zwölf Stunden am Tag, kümmert sich auch am Wochenende um den Betrieb, hat Kredite aufgenommen, haftet vielleicht mit seinem Privatvermögen und trägt ständig das Risiko pleite zu gehen. Sein Nachbar, auf dessen Lohnzettel eine deutlich kleinere Summe steht, wird es vermutlich eher ungerecht finden, dass der andere ein Vielfaches seines Gehalts bekommt.
Anders als von Platen hält Becker es nicht für klug, Löhne offen zu legen. „Ich kann den Wunsch aus der Kultur heraus verstehen. Aus unserem Streben nach Gleichheit“, sagt er. „Aber das würde nicht zu mehr Frieden führen, im Gegenteil.“ Seine ablehnende Haltung begründet er mit verschiedenen Untersuchungen. Sie haben überprüft, wie Menschen reagieren, wenn sie an Geld denken. Becker schildert ein Beispiel: Ein Proband wird einen Gang entlang geschickt, an dessen Wänden Bilder hängen. In einem Fall zeigen die Abbildungen Dinge, die den Teilnehmer an Geld denken lassen, etwa Aktienkurse. Dann kommt er wie zufällig in eine Situation, in der er jemandem helfen müsste. Eine Person lässt etwa einen Stapel Papiere fallen. Die Studie zeigt: Ein Proband, der an Bildern mit Geldbezug vorbeikam, ist wesentlich seltener hilfsbereit als ein Mensch, der an etwas Neutrales denkt, erläutert der Psychologe. Und das sei nur ein Negativbeispiel, dazu kämen noch andere. „Wenn Menschen an Geld denken, haben sie weniger Angst vor Risiken, sie ertragen größere Schmerzen, werden egoistischer, weniger hilfsbereit und reagieren impulsiver“, fasst er die Studien zusammen. Das alles seien Verhaltensweisen, die man am Arbeitsplatz nicht haben möchte. „Als Berater würde ich davon abraten, dass Arbeitnehmer sich damit beschäftigen, was bekomme ich und was meine Kollegen“, sagt er.
Auch der Nürnberger Arbeitsmarktforscher Christian Hutter ist nicht der Meinung, dass Lohntransparenz glücklicher macht. Er verweist auf eine Studie aus den USA, wo sich Forscher im kleinen Kosmos einer Universität angeschaut haben, was passiert, wenn plötzlich jeder weiß, was der Büro-Nachbar verdient. Die Zufriedenheit unter den Mitarbeitern ist dabei nicht gewachsen – im Gegenteil. Wer erfuhr, dass er zu den Besserverdienern gehört, war nicht glücklicher als vorher. Bei den Angestellten, die weniger Geld bekamen, wuchs die Unzufriedenheit.
Die Leistung einer Volkswirtschaft hängt von den Löhnen ab
Und dennoch gibt es auch für den Volkswirt einen Punkt, der für Lohntransparenz spricht. Der ergibt sich, wenn man die Wirtschaft als Ganzes betrachte. Gesamtwirtschaftlich gesehen, sollte jeder Arbeitnehmer genauso viel Gehalt bekommen, wie es seiner Leistung entspricht. Nur dann, könne eine Volkswirtschaft zur Hochform auflaufen, sagt Hutter. Ein Angestellter, der merkt, er bekommt weniger Gehalt, als er wert wäre, wird sich nach einem besser bezahlten Job umschauen. Einer Stelle, die seinem Niveau entspricht. Auf diesem Posten wird gesamtwirtschaftlich gesehen eine bessere Leistung erbringen, sagt Hutter. Aber dass er zu wenig verdient, findet der Einzelne nur heraus, wenn er weiß, wie viel die Kollegen im eigenen Unternehmen oder in der Branche bekommen.
Eine Denkweise, der sich wohl auch Start-up-Gründer Waldemar Zeiler anschließen könnte. Für ihn ist es wichtig, dass seine Mitarbeiter alle Informationen kennen, die für ihre Arbeit wichtig sind. Denn sie sollen nicht nur die Aufgaben ausführen, die er ihnen gibt, sondern selbst unternehmerisch denken. „Das“, sagt Zeiler, „geht nur, wenn ich ihnen auf Augenhöhe begegne und keine Geheimnisse vor ihnen habe.“
Im Rückblick zeigt sich Zeiler aber selbstkritisch. „Ich habe mir damals gedacht, dass das alles ja nicht so schwierig sein kann“, erzählt er. Aber als das junge Unternehmen größer wurde, ließen sich die freien Gehaltsstrukturen nicht mehr so leicht durchsetzen. Der Flurfunk begann, Mitarbeiter verglichen sich, kurz: die Stimmung war mies. Heute wissen die Gründer, dass eine solche Umstellung behutsamer vonstattengehen muss. „Wir mussten uns was einfallen lassen“, erzählt Zeiler. Ein Gehaltsrat wurde gegründet, Zeiler und sein Partner Siefer tauschten sich mit anderen Unternehmen aus, holten sich Unterstützung. Über Monate entwickelten sie ein Lohnsystem, in das verschiedene Kriterien hineinspielen: die Lebenshaltungskosten, die Berufserfahrung, die Zahl der Kinder und zusätzliche Aufgaben innerhalb des Unternehmens. Die beiden Chefs, auch das ist eine Konsequenz, verdienen heute maximal drei mal so viel wie ihre Mitarbeiter.
Zurück zu den alten Gehaltsstrukturen wollten sie bei Einhorn trotz aller Anlaufschwierigkeiten nie. Von einer Sache ist Zeiler heute noch genauso überzeugt wie an jenem Tag im Sommer 2016: Eine Alternative zu transparenten Gehältern gibt es nicht.