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Brüssel: Mehr Schutz für Sparer: Bankenunion zum Greifen nahe

Brüssel

Mehr Schutz für Sparer: Bankenunion zum Greifen nahe

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    Die EU will mit der Bankenunion Sparer besser schützen und Steuerzahler bei Zusammenbrüchen von Geldhäusern schonen.
    Die EU will mit der Bankenunion Sparer besser schützen und Steuerzahler bei Zusammenbrüchen von Geldhäusern schonen. Foto: Wolfgang Kumm (dpa)

    Sparer und Steuerzahler sollen bei künftigen Fällen von Bankenrettungen weitgehend verschont bleiben. Mit dieser Einigung haben die Finanzminister der EU am Mittwoch einen weiteren Schritt zur Vollendung der Bankenunion geschafft. Demnach werden Einlagen bis zu 100 000 Euro überhaupt nicht angetastet. Kunden eines maroden Institutes können sogar hoffen, binnen sieben Werktagen wieder über ihr Geld verfügen zu können. Doch bis zum Abend war der entscheidende Durchbruch noch nicht geschafft: die Entscheidung über einen neuen Fonds, den die Geldinstitute selbst füllen sollen, um damit im Fall einer Pleite in den eigenen Reihen die Kosten zu bewältigen. „Ich hoffe, dass es jetzt gelingen kann, das Werk so weit abzuschließen, wie wir es jetzt brauchen“, äußerte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble optimistisch, in der Nacht zum Donnerstag auch die letzten Fragen klären zu können.

    Europäischer Fonds zur Abwicklung von Pleite-Banken

    Es geht um einen mit 55 Milliarden Euro gefüllten Topf, in den die Banken zehn Jahre lang 0,8 Prozent ihrer verfügbaren Geldwerte als Risikovorsorge hinterlegen. Er soll auch mit Mitteln der nationalen Einlagensicherungen gefüllt werden. Gestern zeichnete sich ab, dass diese Gelder zwar in einem gemeinsamen Fonds geparkt werden, aber nicht für die gegenseitige Haftung zur Verfügung stehen, bis die volle Summe angespart wurde.

    „Das ist ein vernünftiger Schritt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer. Er bezeichnete Spekulationen, auf die deutschen Institute kämen Mehrausgaben von über einer Milliarde Euro pro Jahr zu, als „nicht richtig“. Zwar müssen die hiesigen Geldhäuser etwa eine Milliarde Euro pro Jahr in den neuen Abwicklungsfonds überweisen. Schon heute legten die Institute aber rund 520 Millionen Euro für die nationale Rücklage beiseite. Die Finanzminister haben nun beschlossen, dass Geldhäuser künftig nur noch einen Sicherungsfonds – entweder den nationalen oder den europäischen – zu bedienen haben. „Wenn die Geschäfte der Institute besser laufen, erhöhen sich auch unsere Risikorücklagen, sodass die Mehraufwendungen überschaubar bleiben“, betonte Kemmer.

    Um das EU-System auf rechtlich verbindliche Füße zu stellen, sollen die Euro-Mitgliedstaaten bis zum kommenden Frühjahr einen internationalen Vertrag schließen und von den nationalen Parlamenten ratifizieren lassen. Vor allem Bundesfinanzminister Schäuble hatte auf diese Lösung gedrungen, um bei eventuellen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht auf der sicheren Seite zu sein.

    Rettungsschirme, EFSF und ESM

    Griechenland-Pleite, Rettungsschirme, Eurobonds, EFSF, ESM: Beim Thema Euro-Krisen schwirren etliche Fachbegriffe herum. Lesen Sie hier in Kurzform, was Sie zum Thema Rettungsschirme wissen müssen.

    EFSF steht für Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility) und ist eine Aktiengesellschaft, die notleidenden Euro-Staaten helfen soll. Sollte ein EU-Land in Not geraten, kann die im Juni 2010 gegründete EFSF Anleihen bis zu 440 Milliarden Euro ausgeben. Dafür haften die Euro-Länder.

    Kritik am EFSF: Im Vertrag von Maastricht wurde eine so genannte Nichtbeistands-Klausel (No-bailout-Klausel) vereinbart, die die Haftung der Union oder einzelner Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten untersagt. Auf Druck des Nicht-Eurolandes Großbritannien wurde durchgesetzt, dass bei Krediten für Staaten, die Mitglieder der Eurozone sind, nur die übrigen Eurostaaten haften.

    Der EFSF soll bis Juni 2013 aktiv bleiben und dann abgelöst werden, nämlich vom ESM.

    ESM steht für Europäischer Stabilitäts-Mechanismus und ist der permanente Euro-Rettungsschirm. Seine wichtigsten Instrumente sind Notkredite und Bürgschaften für überschuldete EU-Staaten. Jedes Land, das Hilfe aus dem ESM erhält, muss im Gegenzug bestimmte wirtschaftliche Konsequenzen ziehen.

    Kritiker sagen, dass Rettungsschirme und Bürgschaften es Ländern erleichtern, Schulden zu machen. Wenn es wirklich eng wird, treten schließlich die anderen EU-Länder ein und helfen.

    Eurobonds: Darunter versteht man eine EU-Staatsanleihe. Das bedeutet, die Länder der EU würden gemeinsam Schulden aufnehmen - und auch gemeinsam für sie haften. Hinter der Idee steht die Hoffnung, dass die Kreditwürdigkeit der Eurozone als Ganzes von den Finanzmärkten und den Ratingagenturen höher eingeschätzt wird als die seiner einzelnen Mitgliedstaaten.

    Die Befürworter dagegen erklären, dass notleidenden EU-Staaten geholfen werden muss. sie warnen vor einem Domino-Effekt. Heißt: Wenn ein Land tatsächlich pleite geht, reißt es andere Länder mit sich.

    Mitgliederstaaten fürchten zu viel Macht für die Kommission

    Dennoch waren bis zum gestrigen Abend noch zahlreiche Fragen ungelöst. So konnten sich die Minister weiter nicht darauf einigen, welche Rolle die Kommission bei der Abwicklung eines strauchelnden Geldinstitutes haben soll. Sie selbst hatte angeregt, bei Streitfällen zwischen den Gremien das letzte Wort sprechen zu können. Das lehnten mehrere Mitgliedstaaten mit Blick auf die finanziellen Folgen, die zumindest noch einige Jahre lang aus dem Steueraufkommen bestritten werden müssten, ab. Unklar ist auch noch, welche Häuser sich am Aufbau des Bankenabwicklungsfonds beteiligen sollen und ob es gestaffelte Beiträge geben wird.

    Von einer vollständigen europäischen Bankenunion könne man „jetzt noch nicht sprechen“, betonte Bankenverbands-Hauptgeschäftsführer Kemmer. „Solange die Einlagensicherungssysteme nicht so gestaltet werden, dass es eine gegenseitige Haftung für alle Institute des Euro-Raums gibt, sind wir davon noch weit entfernt.“

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