Selten war eine Champions-League-Saison vor ihrem Start so umstritten wie die diesjährige. Grund ist die große Reform, mit der die UEFA den Wettbewerb attraktiver machen und ganz nebenbei noch ein paar Euro mehr einheimsen möchte. Aber auch sportlich ist diese Runde besonders, es treten fünf deutsche Teams an. Welche Chancen Experte Matthias Sammer den hiesigen Vertretern einräumt – und warum er die Reform der Königsklasse gut findet.
36 Teams sind in diesem Jahr am Start, statt einer Gruppenphase spielen die Mannschaften in einem Ligasystem. In der nun beginnenden Hauptrunde spielt jeder Klub achtmal, sodass die Punktspiele bis Ende Januar laufen. Manch einer sorgt sich da um die Physis der Spieler, die noch diverse andere Wettbewerbe zu bestreiten haben. Nicht so Matthias Sammer, der den Henkelpott 1997 mit Borussia Dortmund holte. „Ich möchte nichts vergleichen, aber wir hatten damals kaum Urlaub nach der Saison“, erteilt er einer möglichen Überbelastung in einer Presserunde eine Absage. „Dieses Mal hatten die Top-Leute nach der Europameisterschaft drei Wochen Urlaub.“ Die zwei zusätzlichen Spiele im Januar seien auf jeden Fall „im Tank“. Ansonsten fänden in diesem Zeitraum eben Freundschaftsspiele statt. Auswirkungen der Reform sieht der Ex-Nationalspieler allenfalls bei den Kadergrößen. „Es kann schon sein, dass der ein oder andere Verein in Zukunft einen Spieler mehr holt aufgrund der zusätzlichen Spiele.“ Auch aus ökonomischer Sicht findet Sammer die Neuerungen nicht verkehrt. „Wenn die Klubs mehr Geld verdienen wollen, müssen sie dafür auch mehr tun. In der Hoffnung, dass sich was ändert, immer das Gleiche zu tun, macht keinen Sinn.“
Matthias Sammer findet den neuen Modus in der Champions League gut
Als Meister tritt in diesem Jahr erstmals Bayer Leverkusen an. Der Verein konnte das Stammpersonal zusammenhalten, auch Innenverteidiger Jonathan Tah wechselte trotz entsprechender Gerüchte nicht an die Säbener Straße. In der Ligaphase trifft die Werkself unter anderem auf Liverpool und Inter Mailand. Sammer ist nicht ganz überzeugt davon, dass Bayer seine Super-Saison wiederholen kann. „Ganz nach oben zu kommen ist schon schwer, oben zu bleiben aber umso mehr.“ Der Klub müsse erst einmal damit umgehen, was man erreicht habe.
Vizemeister VfB Stuttgart hat zu Beginn eine der schwersten Aufgaben überhaupt vor der Brust; im Estadio Bernabeu treffen die Schwaben auf Real Madrid mit Neuverpflichtung Kylian Mbappé. Dazu kommt, dass Erfolgstrainer Sebastian Hoeneß viele Abgänge kompensieren muss. Waldemar Anton (Dortmund), Serhou Guirassy (Dortmund) und Hiroki Ito (Bayern) dürften nur schwer zu ersetzen sein. „Sie haben wichtige Spieler verloren und sich ein Stück weit verändert“, urteilt Sammer. Es werde sich zeigen, ob der VfB die Euphorie aus der Vorsaison mitnehmen könne. Sammers Urteil: Der direkte Einzug ins Achtelfinale ist nicht sicher, dafür aber die Qualifikation an den Play-off-Spielen. Diese bestreiten die Mannschaften zwischen Platz neun und Rang 24 in Hin- und Rückspiel.
Ein ähnliches Urteil fällt Sammer auch über den BVB. Der zog im vergangenen Jahr ins Champions-League-Finale ein, musste sich dort aber Real Madrid mit 0:2 geschlagen geben. Am dritten Spieltag kommt es im Estadio Bernabeu zu einer Revanche der Vorjahresfinalisten. „Sie haben eine veränderte Mannschaft, eine veränderte Hierarchie“, findet Sammer. „Bei einem solch großen Klub hast du aber nicht viel Zeit, Veränderungen umzusetzen.“ Auch die Dortmunder können es aus Sammers Sicht unter die besten acht Teams schaffen. Nicht wundern würde es Sammer auch, wenn RB Leipzig das schaffen würde. Mit Mittelfeldstar Dani Olmo habe der Klub zwar einen sehr wichtigen Spieler an Barcelona abgegeben. „Sie haben aber auch super Qualität dazubekommen.“
Matthias Sammer traut FC Bayern Finale in der Allianz-Arena zu
Gleich mehrere Akteure hat der FC Bayern verpflichtet, darunter Joao Palhinha (Fulham) und Michael Olise (Crystal Palace). „Bei den Bayern ist eine Entwicklung im Gange, sie müssen sich an den neuen Coach Vincent Kompany adaptieren“, sagt Sammer. Sollte man das schaffen, traue er den Bayern das Finale zu. Die Verantwortlichen müssten sich jedoch gut überlegen, Spieler in der Öffentlichkeit infrage zu stellen. „Das würde ich niemals bei jemandem tun, von dem ich erwarte, dass er in drei Wochen sein letztes Hemd für mich gibt. Intern sieht das natürlich anders aus.“ Sammer spielt damit offenkundig auf Ex-Coach Thomas Tuchel an, der Spieler nach außen hin mitunter deutlich kritisierte.
Als einzigen deutschen Vertreter sieht Sammer die Münchner auf jeden Fall unter den ersten Acht der Ligatabelle. Eine solche Platzierung würde für eine direkte Achtelfinalqualifikation reichen. Damit dürften die erfolgsverwöhnten Münchner aber kaum zufrieden sein. Vermutlich ist der Wunsch nach einem Finaleinzug sogar noch größer als ohnehin schon. Denn dieses findet am 31. Mai in der Münchner Allianz-Arena statt. Da möchten die Bayern die Niederlage im „Finale dahoam“ 2012 gegen Chelsea vergessen machen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden