Das Wirken von Leon Goretzka beim aktuellen Zusammentreffen der Nationalmannschaft lässt sich im Wesentlichen auf einen kurzen Videoschnipsel bei seiner Ankunft im Frankfurter Hotel reduzieren. Darin fragt ein ebenso aufgedrehter wie jugendlicher Fan den Bayern-Spieler, ob er denn ein Foto mit ihm machen dürfe. Die sichtlich genervte Antwort des 27-Jährigen ging in diesen Tagen viral: Mit einem "Ja-haaa", das an die Reaktion eines Familienvaters erinnert, der im Urlaub zum hundertsten Mal vom Nachwuchs gefragt wird, ob man denn endlich am Zielort angekommen sei, ließ der Kicker den Fan gewähren. Seit Mittwochvormittag ist klar: Sportlich wird in den letzten beiden Spielen der Nationalmannschaft vor dem Start der WM-Vorbereitung nichts mehr hinzukommen.
Wie der DFB mitteilte, sind sowohl Goretzka als auch sein Teamkollege vom FC Bayern, Manuel Neuer, positiv auf das Coronavirus getestet worden. Beide Münchner seien zwar symptomfrei, reisten aber bereits am Mittwoch wieder zurück in die Landeshauptstadt. Damit fehlen die beiden in den letzten Partien vor der WM-Vorbereitung, den Nations-League-Spielen gegen Ungarn (Freitag, 20.45 Uhr) und am Montag in England (20.45 Uhr). Vor dem WM-Start am 26. November gegen Japan bleibt somit nur der Test gegen den Oman am 16. November.
Oliver Baumann und Maxi Arnold werden nachnominiert
Wie der DFB mitteilte, habe es im Umfeld eines der beiden Spieler einen positiven Corona-Fall gegeben – ob bei Goretzka oder bei Neuer, ließ der Verband offen. Obwohl Neuer und Goretzka wie alle Nationalspieler einen negativen Schnelltest vorweisen mussten, wurden die Spieler und alle weiteren Kontaktpersonen erneut getestet. Beim zweiten Mal schlug der Test bei den Kickern an.
Die Nachnominierungen stehen bereits fest: Torhüter Oliver Baumann von der TSG Hoffenheim komplettiert das Keeper-Trio um Marc-André ter Stegen (Barcelona) und Kevin Trapp (Frankfurt). Für Goretzka reist Wolfsburgs Maximilian Arnold zur DFB-Auswahl. Später wurde bekannt, dass auch der Dortmunder Mittelfeldspieler Julian Brandt aus Frankfurt abreisen musste – er jedoch wegen eines grippalen Infekts, ein Corona-Test fiel negativ aus. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in den kommenden Tagen weitere Nationalspieler abreisen müssen: Die Kontaktpersonen der beiden Infizierten – also alle Bayern-Profis – werden täglich getestet.
Neuer war neben seiner Rolle als Keeper auch als Botschafter des DFB in Sachen Katar-WM eingeplant. Denn als Spielführer wird der 36-Jährige bei dem Turnier mit einer speziellen Kapitänsbinde aufs Feld gehen. Darauf sind ein Herz in bunten Farben, die für Vielfalt stehen, sowie die Aufschrift "One Love" zu sehen. Die Aktion ist Teil einer gemeinsamen Kampagne der Nationalmannschaften aus England, der Niederlande, Belgien, Schweiz, Wales, Frankreich, Dänemark, Norwegen, Schweden und Deutschland. Der Gladbacher Jonas Hofmann, der die Binde in Vertretung Neuers vorstellte, sagte dazu: "Das soll ein Zeichen unsererseits sein für Vielfalt und gegen Diskriminierung."
Der WM-Gastgeber Katar steht seit längerem in der Kritik, unter anderem deshalb, weil in dem Emirat die Rechte von homosexuellen Menschen stark eingeschränkt sind, Homosexualität sogar eine Straftat darstellt. Der DFB will das Thema Menschenrechte während der WM ansprechen, wie Hofmann sagte: "Das wird nicht die einzige Aktion von uns bleiben."
Einen Vorgeschmack darauf bekam der katarische Botschafter Abdulla Bin Mohammed bin Saud Al-Thani am Montag beim DFB-Kongress. Darin hatte sich Dario Minden, Fanbeauftragter von "Unsere Kurve", gegenüber dem Katari als homosexuell geoutet und betont: "Ich bin ein Mann und liebe Männer. Das ist normal. Also gewöhnt euch daran oder bleibt weg vom Fußball. Denn die wichtigste Regel im Fußball lautet: Fußball ist für jeden." Katar sei eingeladen, sich am globalen Fußball zu beteiligen – sofern das Emirat sich an die Regeln halte.
Hofmann sagte zum Statement des Fanvertreters, dass dies im Sinne der Nationalelf gewesen sei. "Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit anderen Nationen Dinge in Bewegung setzen können, damit sich etwas ändert. Egal, was gesagt wird, es ist wichtig, das durchzuziehen. Wegzublicken wäre das weitaus schlimmere Übel."