Im Glücksgefühl seines höchsten Sieges als Bundestrainer ließ sich Julian Nagelsmann nicht zu flotten Sprüchen hinreißen, den Anspruch auf die Mitfavoritenrolle bei der Fußball-WM 2026 untermauert zu haben. Der 37-Jährige lachte vielmehr bei der Frage nach der 5:0-Gala gegen Ungarn beim fulminanten Start in die Nations League kurz auf und sagte dann auf dem Pressepodium: «Das ist noch ein weiter Weg. Wir haben jetzt noch ungefähr 19 Spiele bis zur WM. Wenn wir die gewinnen, zähle ich uns zum Favoritenkreis.»
Naja, «vielleicht auch, wenn wir 14 gewinnen», fügte der eloquente Coach keck hinzu. Klar: «Weltmeister werden!» Diese forsche Aussage von Nagelsmann im akuten Schmerz des bitteren EM-Ausscheidens gegen Spanien wird Nagelsmann und auch seine Spieler auf dem Marathonlauf zum WM-Turnier in den USA, Kanada und Mexiko nicht mehr loslassen.
Und der stimmungsvolle Startschuss in der Düsseldorfer Arena war durchaus dazu angetan, nach der Heim-EM sofort neue Turnierträume zu wecken. Aber es war nur ein erster Schritt. Der nächste soll gleich am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) in Amsterdam gegen den Erzrivalen Holland folgen, der beim 5:2 gegen Bosnien-Herzegowina ebenfalls offensiv überzeugte. Deutschland gegen Holland, der Gruppensieg sollte in diesen Duellen ausgespielt werden.
«Energie mitnehmen ins nächste Spiel»
«Ich freue mich schon. Die Holländer haben auch fünf Tore geschossen. Holland hat eine sehr, sehr gute Mannschaft und sehr viel Potenzial, was die Einzelspieler angeht. Da bin ich gespannt», sagte Nagelsmann. «Die gute Energie müssen wir mit ins nächste Spiel nehmen», sagte Bayern-Profi Musiala, einer der Hauptdarsteller in Spiel eins nach dem EM-Sommer.
Der Ungarn-Auftritt war ein fußballerisches Statement, das Nagelsmann zum großen Gewinner eines Abends machte, bei dem auf dem Rasen andere glänzten wie das Zauberduo «Wuisiala». «Man muss schauen, wie es auf Dauer funktioniert», sagte der neue Kapitän Joshua Kimmich zur Euphorie rund um ein Team, das auch ohne die abgetretenen Granden Toni Kroos, Manuel Neuer, Thomas Müller und Ilkay Gündogan bestens harmonieren und das Publikum mitreißen kann.
Am Morgen danach durften sich Jamal Musiala, Florian Wirtz und Kollegen gleich noch mal beim Training im Düsseldorfer Paul-Janes-Stadion von rund 7000 Fans wie auf einem Volksfest abfeiern lassen. Die Heim-EM ist vorbei, die Bande zwischen Team und Fans bleibt. «Wir haben gleich wieder die Connection zu den Fans hergestellt», sagte Nagelsmann.
«Völlig losgelöst» wurden von den 49.235 Zuschauern die Treffer von Torjäger Niclas Füllkrug, Musiala und Wirtz, Premierenschütze Aleksandar Pavlovic und Elfmeterschütze Kai Havertz bejubelt. Nagelsmann wählte nachher Worte wie «Spaß», «Fleiß» und «Lust zum Siegen», um den Auftritt seiner Mannschaft zu beschreiben.
Und er sagte einen Satz, der für ihn der Schlüssel auf dem Weg in die Zukunft ist: «Die Chemie dieser Gruppe ist eine ganz andere, wenn man das mit vor einem Jahr vergleicht. Das ist der Nährboden für das, was wir irgendwann erreichen wollen.» Nagelsmann hat den EM-Kader nur marginal verändert. Aber seine Stärke ist es, die Spieler auf gemeinsame Ziele einzuschwören. Und dabei denkt er nicht in Problemen, sondern immer in Lösungen.
Kein «Jammern» nach Kroos, Neuer, Müller, Gündogan
«Jammern» über die Rücktritte der letzten Rio-Weltmeister und Anführer Gündogan? Nicht mit Nagelsmann. Er ahnte schon während der EM, dass ein weiterer Umbruch, eine deutliche Verjüngung unbedingt erfolgen müssen. Das Vorbild Spanien wurde schließlich auch mit viel jugendlicher Frische Europameister, siehe Teenager Lamine Yamal oder Nico Williams.
Im Umfeld von Ankerspielern wie Kapitän Kimmich, dem pausierenden Abwehrchef Antonio Rüdiger, Pascal Groß, der neuen Nummer eins Marc-André ter Stegen oder auch dem im Abschluss glücklosen Kai Havertz können sich die Offensiv-Trümpfe Musiala und Wirtz ausleben. Weitere Youngster wie Pavlovic oder Debütant Angelo Stiller dürfen in Ruhe reifen.
Der Neu-Dortmunder Groß ersetzte Kroos im Zentrum mit Dynamik, spielerischer Finesse und einem Aktionsradius, der enorm war. «Ich glaube schon an meine Stärken, auch wenn ich keine großen Töne spucke», sagte der 33-Jährige nach seinem erst neunten Länderspiel.
Im Fokus aber standen Musiala und Wirtz. Im EM-Eröffnungsspiel am 14. Juni in München waren es die beiden 21-Jährigen, die mit ihren Toren das 5:1 gegen Schottland einleiteten. Und nun, beim fulminanten Start in die bislang nie Ernst genommene Nations League, war es wieder das Zauberduo, das die Fans mitriss. «Es macht immer Spaß, mit Flo rumzuzocken», sagte Musiala. Als «Augenweide» und «Geschenk» bezeichnete Füllkrug die Offensivzocker.
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