Nun mal ein wenig Vorstellungskraft bitte: Als die Deutschen erstmals den WM-Titel gewannen, spielten sie im sogenannten WM-System. Logisch. Das System war allerdings nicht nach der Weltmeisterschaft benannt, sondern nach der Positionierung der Spieler. Heute würde man sagen: 3-2-2-3. Verbindet man die drei Stürmer mit den beiden Halbstürmern, ergibt sich auf der Taktiktafel ein "W" und wenn man zwischen den drei Verteidigern und den beiden defensiven Mittelfeldspielern Linien zieht, schaut das nach einem "M" aus. WM also. Und prinzipiell recht offensiv.
Später dann setzten nicht nur die Deutschen auf mehr Absicherung. Erst mit Franz Beckenbauers Interpretation des Liberos gewann das Spiel wieder mehr Freiheitsgrade. "Ramba-Zamba-Fußball", nannten es Boulevard und Fans, wenn sich Beckenbauer und Netzer bei ihren Vorstößen nach vorne abwechselten.
Matthias Sammer war der Letzte seiner Art
Letztmaliger Vertreter eines energisch nach vorne preschenden Liberos war Matthias Sammer. Mit der Einführung von Raumdeckung und Kettenarbeit erlangte das Spiel mehr Struktur. Damit fremdelten die Deutschen lange Zeit und versteckten ihre taktischen Mängel hinter kernigen Defensivspielern. Meist aber wurden die Mängel dann doch gefunden. Louis van Gaal sorgte während seiner Amtszeit beim FC Bayern für die nächste Entwicklungsstufe. Joachim Löw adaptierte, glich an und ließ die Deutschen erstmals seit Jahrzehnten Fußball spielen, der als modern anerkannt wurde. Weil die Deutschen weder über Ribéry noch über Robben verfügten, ließ der Bundestrainer das Spiel von Schweinsteiger, Khedira, Kroos und Özil eher durch das Zentrum lenken.
Auch bei dieser EM wird das deutsche Team meist im 4-2-3-1 auflaufen – jenem System, das van Gaal einst in München einführte. In Florian Wirtz und Jamal Musiala verfügt Julian Nagelsmann über zwei Offensivspieler, die sich herausragend zwischen den Linien bewegen können. Will sagen: die nicht permanent auf der gleichen Position zu finden sind. Aber das sollten die Spieler auch schon damals im WM-System nicht.
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