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Borussia Dortmund: BVB-Boss Watzke: "Meisterschaftsfavorit ist der FC Bayern"

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BVB-Boss Watzke: "Meisterschaftsfavorit ist der FC Bayern"

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    BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sieht den FC Bayern weiter als Favoriten auf den Meistertitel.
    BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sieht den FC Bayern weiter als Favoriten auf den Meistertitel. Foto: David Inderlied, dpa

    Der Punktvorsprung ist komfortabel, die Umfragen zum Ausgang der Meisterschaft sind eindeutig. Herbstmeister Borussia Dortmund startet als Favorit in die Rückrunde der Fußball-Bundesliga. In einem Interview  äußert sich BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zu den Titelchancen des Revierclubs, den jüngsten üppigen Transfererlösen und zum Verfolger FC Bayern.

    Herr Watzke, dürfen wir Ihnen nachträglich gratulieren?

    Hans-Joachim Watzke: Wozu? Ich werde doch erst im Sommer 60.

    Zum Transfer von Christian Pulisic. Wie schafft man es, 64 Millionen Euro für einen Profi zu erlösen, der nur noch einen Vertrag bis 2020 hat?

    Die spektakulärste Personalie präsentierte bislang der BVB mit dem Verkauf von Christian Pulisic an den FC Chelsea.
    Die spektakulärste Personalie präsentierte bislang der BVB mit dem Verkauf von Christian Pulisic an den FC Chelsea. Foto: Virginie Lefour/BELGA (dpa)

    Watzke: Am liebsten wäre uns gewesen, Christian hätte seinen Vertrag verlängert. Aber nachdem das ausgeschlossen war, war es sicherlich die beste Lösung. Es gab wirtschaftlich einfach günstige Umstände. Es hat uns geholfen, dass sich ein Bieter-Wettbewerb entwickelt hat. Mit dem Preis können wir zufrieden sein.

    Mönchengladbachs Manager Max Eberl hat die Summe als pervers bezeichnet. Teilen Sie diese Einschätzung?

    Watzke: Wenn Christian richtig durchstartet, wird sich die Summe für den FC Chelsea irgendwann amortisieren. Als Kapitän der US-Nationalmannschaft stellt er für jeden englischen Club einen besonderen Wert dar. Der FC Chelsea hat sich noch nie dadurch ausgezeichnet, romantische Dinge zu machen. Das sind knallharte Geschäftsleute.

    Der BVB kassierte allein in den letzten drei Jahren üppige 476 Millionen Euro Ablöse. Was bedeutet es Ihnen, in den Medien als Verkaufs-Weltmeister gefeiert zu werden?

    Watzke: Deshalb muss man sich nicht auf die Schulter klopfen lassen. Das ist in zwei Wochen wieder vergessen. Entscheidend ist, dass wir Transferüberschüsse benötigen. Wenn wir mit den besten Mannschaften in Europa mithalten wollen, müssen wir ein bestimmtes Gehaltsniveau stemmen. Auf der anderen Seite ist es uns einige Male gelungen, junge Spieler sehr gut zu entwickeln. Das ist unsere Philosophie.

    Bleibt der BVB auf ewig ein Ausbildungsclub für Talente, die für viel Geld weiterziehen? Was stimmt Sie optimistisch, dass Sie die Abwerbungsversuche in Zukunft kontern können?

    Watzke: Das mit dem Ausbildungsclub ist ein Etikett, das nicht mehr der Wahrheit entspricht. Barcelona hat Neymar an Paris verloren. Kein Mensch würde deshalb behaupten, dass Barcelona ein Ausbildungsclub ist. Oder der FC Liverpool, der Coutinho an Barcelona abgeben musste.

    Im Rahmen der von Ihnen angekündigten Restrukturierung des Kerngeschäfts kamen im Sommer Matthias Sammer als externer Berater und Sebastian Kehl als Leiter der Lizenzspielerabteilung dazu. Der Münchner Uli Hoeneß kommentierte höhnisch, man brauche für Dortmunds Berater schon fast einen Gelenkbus, um die alle mitzukriegen. Sehen Sie sich nun bestätigt?

    Watzke: Eine meiner guten Entscheidungen war es, solche Kommentare aus München nicht ständig zu kommentieren. Ich stelle fest, dass sich die Bayern inzwischen wieder mit dem BVB beschäftigen. Heutzutage würde Uli Hoeneß diese Aussage aber vermutlich nicht mehr machen. Ich denke, dass er inzwischen weiß, dass sie auf einer Fehleinschätzung beruhte. Wir haben nur einen Berater.

    Hat diese Restrukturierung zur hohen Trefferquote bei den Transfers beigetragen? Witsel, Alcacer, Delaney, Hakimi, Diallo gelten als Top-Verstärkungen.

    Watzke: Sie hat sicherlich nicht geschadet. Aber es lässt sich natürlich nicht alles damit begründen. Wir haben auch in den Jahren zuvor eine gute Transferpolitik gemacht. Die Federführung liegt hier nach wie vor voll bei Michael Zorc. Wir haben die Mentalität des Teams neu justiert.

    Und die zweitbeste Hinrunde der Vereinsgeschichte gespielt.

    Watzke: Dass es so gut gelaufen ist, ist Segen und Fluch zugleich. Weil wir diese Entwicklung viel schneller durchlaufen haben, als wir uns das vorgestellt haben. Das führt dazu, dass die Erwartungshaltung sehr groß ist. Und dazu, dass wir jetzt sehen müssen, dass wir diese Erwartungshaltung in dieser Struktur, die ja noch jung und fragil ist, auch erfüllen können. Da sind wir ein bisschen die Getriebenen unseres schnellen Erfolgs.

    Meisterschaft? "Favorit ist immer der FC Bayern"

    Umfragen deuten darauf hin. Demnach trauen nur noch 32 Prozent der Fußball-Fans dem FC Bayern den Titel zu. 73 Prozent der Bundesliga-Profis glauben an die Meisterschaft des BVB. Geht die Borussia als Favorit in die Rückrunde?

    Watzke: Nein. Favorit ist immer der FC Bayern. Da lasse ich mir nichts anderes einreden. Wer sich wirtschaftlich in solchen Größenordnungen bewegt, der muss auch damit leben, immer die Favoritenrolle zu haben. Für uns ist es viel wichtiger, dass wir Fußball-Deutschland gezeigt haben, dass man wieder mit uns rechnen muss. Dass wir der Liga Spannung zurückgegeben haben. In den vergangenen Jahren war ja im Prinzip Weihnachten schon klar, wer Deutscher Meister wird. Das hat eine gewisse Lähmungserscheinung ausgelöst.

    Noch am Ende der vergangenen Saison schien die Kluft zwischen dem FC Bayern und dem BVB bei einem Abstand von 29 Punkten unüberbrückbar. Nun liegt die Borussia sechs Zähler vor den Münchnern. Was hat der BVB besser gemacht als der Rekordmeister?

    Watzke: Ich vergleiche nicht! Es ist aber ganz grundsätzlich im Fußball völlig normal, dass für große Mannschaften irgendwann einmal eine Strecke zu Ende geht. Aktuelles Beispiel ist Real Madrid. Aber ich erwarte in der Rückrunde einen sehr starken FC Bayern. Ob es dann zu alter Stärke reicht, das weiß ich nicht. Unsere Mannschaft ist in der vergangenen Saison oft eingeknickt. Das passiert aktuell nicht mehr. Wir werden nicht total einbrechen. Ob wir aber noch einmal 42 Punkte holen wie in der Hinrunde, das müssen wir sehen.

    Die Bayern lassen sich nur ungern ärgern. Das bekam der BVB bereits mehrfach zu spüren, als wichtige Leistungsträger wie Lewandowski, Götze oder Hummels nach München wechselten. Wie groß ist Ihre Sorge, dass sich so etwas wiederholt? Einen Spieler wie Sancho hätten der FC Bayern sicher auch gern.

    Watzke: Man kann nichts ausschließen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist niedriger geworden. Wir können uns heute viel besser wehren als noch 2011 oder 2012. Beispiel Marco Reus: Er war einer der überragenden Spieler der Hinrunde. Da prophezeien mir seit fünf Jahren alle möglichen Menschen, dass er bald woanders spielt. Aber er spielt immer noch bei uns. Jadon hat einen Vertrag bis 2022. Deshalb machen wir uns aktuell darum überhaupt keinen Kopf.

    Erwarten sie einen Zweikampf um den Titel?

    Watzke: Ganz ehrlich, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich denke nur an unser erstes Spiel in Leipzig. Daran, ob es uns in der kurzen Zeit gelingt, wieder Schärfe und Gier aufzubauen. Die Mannschaft ist hier klar gefordert. Es wird entscheidend sein, wie wir in die Rückrunde starten. Ich würde mir wünschen, dass bis weit in die Saison der Meisterkampf offen ist. Dazu könnten auch Leipzig und Mönchengladbach beitragen.

    Die Bayern scheinen ihre kleine Krise überwunden zu haben und feierten in der Bundesliga zuletzt fünf Siege in Serie. Zudem gibt es Kampfansagen aus München. Macht Sie das nervös?

    Watzke: Nicht im Ansatz. Was sollen sie denn machen? Sollen sie sagen, dass sie nicht Meister werden wollen? Es ist völlig normal, dass sie Druck auf uns aufbauen wollen.

    Dortmunds Trainer Lucien Favre ist für die Bundesligaprofis der Coach der Hinrunde.
    Dortmunds Trainer Lucien Favre ist für die Bundesligaprofis der Coach der Hinrunde. Foto: David Inderlied (dpa)

    Großen Anteil an der Herbstmeisterschaft hat Lucien Favre. Wie hat er es geschafft, das Team auf ein solch hohes Niveau zu heben?

    Watzke: Der Trainer ist, was den kurzfristigen sportlichen Erfolg angeht, die alles entscheidende Figur in einem Verein. Lucien lebt Fußball akribisch - von morgens bis abends im positiven Sinne. Er macht die Spieler besser. Lucien hat das großartig gemacht und alle Erwartungen übererfüllt.

    Beim BVB gibt es vor allem in der Abwehr Personalprobleme. Wie konkret sind die BVB-Planungen, noch einen Spieler zu verpflichten? Ist der Argentinier Leonardo Banerdi ein Kandidat?

    Watzke: Konkret wäre das falsche Wort. Es ist denkbar, dass wir im Defensivbereich noch etwas machen. Aber es ist nicht in Stein gemeißelt, weil es ein bisschen davon abhängt, wie sich die Situation bei Manuel Akanjis Hüftverletzung wirklich darstellt. Die Untersuchungen stehen in den nächsten Tagen an.

    "Ich kenne mindestens achtzig Spieler, die gut zu uns passen würden"

    Darüber hinaus gibt es Spekulationen über namhafte Neuzugänge im Sommer. Wer würde besser zum BVB passen? Timo Werner oder Thorgan Hazard?

    Watzke: Ich kenne mindestens achtzig Spieler, die gut zu uns passen würden. Aber ich habe zumindest den Eindruck, dass einer der beiden Spieler seine Zukunft schon geregelt hat. Und das nicht mit uns.

    Der Vertrag von Mario Götze läuft 2020 aus. Warum gab es bisher noch keine Verhandlungen über eine Verlängerung?

    Watzke: Die werden wir in absehbarer Zeit führen. Wir wollen ihn nicht loswerden, er will nicht weg. Also ist es eine Personalie, bei der es relativ entspannt zugeht.

    Sie haben zu Beginn des Interviews erwähnt, dass sie bald 60 Jahre alt werden. Ihr Vertrag beim BVB läuft bis 2022. Denken Sie gelegentlich darüber nach, sich danach zur Ruhe zu setzen?

    Watzke: Ich habe von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Nachricht bekommen, dass ich meine Rente erst mit 66 Jahren und acht Monaten erhalte. Was die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft anbetrifft, sind die Menschen in Deutschland darauf angewiesen, nicht kürzer, sondern länger zu arbeiten. Also ist diese Diskussion mit meinen 59 Jahren völlig verfrüht. Wenn ich aber das Gefühl hätte, dass es reicht, dann würde ich ganz bestimmt nicht in der Öffentlichkeit darüber sprechen. Ich hätte keine Lust dazu, auch nur einen Tag als "Lame Duck" durch die Gegend zu laufen. (dpa)

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