Ulm Der 6. Juli 2009 hat der deutschen Leichtathletik die aufregendsten Minuten ihrer jüngeren Vergangenheit beschert.
Schauplatz waren die deutschen Titelkämpfe in Ulm. Carolin Nytra, deutsche Meisterin über 100 m Hürden, hatte lange vergeblich mit der Qualifikations-Norm für die Weltmeisterschaft in Berlin gekämpft. In Ulm platzte der Knoten. Nytra flog in 12,78 zu persönlicher Bestleistung, holte sich den Titel und das Ticket für die WM. Einige Meter entfernt wartet Sebastian Bayer auf seinen fünften Versuch im Weitsprung.
Bayer, Halleneuropameister, Nytras Lebensgefährte, war der neue Star der Leichtathletik. Seine 8,71 m sind noch immer die zweitbeste Weite in der Halle überhaupt nach den 8,79 m von Weltrekordler Carl Lewis. Ein Sprung, der Bayer zunächst allerdings kein Glück gebracht hatte. Es folgte eine Serie von Verletzungen. Bayer schaffte kaum mehr die Acht-Meter-Marke.
Zweitbeste Weite eines deutschen Springers
So stand er also am 6. Juli am Anlauf. Man ließ ihn warten. „Sechs Minuten“, erinnert sich Frank Kowalski, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, noch genau an die Dramaturgie des Nachmittags. Das Paar sollte es gemeinsam schaffen. Bayer sah seine Freundin die Arme hochreißen. Er selbst hatte 8,14 m vorgelegt. Einen Zentimeter zu wenig für Berlin. Dann kehrte auch er in die Weltspitze zurück. 8,49 m – die zweitbeste Weite eines Deutschen seit dem Rekordsprung von Lutz Dombrowski (8,54 m) 1980.
Von solchen Geschichten hoffen Veranstalter und Organisatoren auch für die Ulmer Neuauflage der Meisterschaften am 6./7. Juli. Ob Bayer/Nytra ein weiteres Mal damit dienen können, ist derzeit fraglich. Vor allem die 28-jährige Hamburgerin, die für Mannheim startet, ist schon lange keinen Wettkampf mehr gelaufen. Weil die Muskeln immer häufiger gestreikt haben, hat sie sich sechs Monate Pause gegönnt. Ein halbes Jahr, in dem sie intensiv mit Physiotherapeuten und Ärzten an ihrer Stabilität gearbeitet hat. Schweren Herzens hat sie auf die Hallen-EM verzichtet, damit auch auf die Verteidigung ihres Titels von 2011. Zwischendurch, räumt sie ein, seien auch Zweifel aufgetreten, ob sie den Weg zurück noch einmal gehen könne. Nytra: „Ich hab die letzten beiden Jahre im Hürdensprint so gut wie nicht stattgefunden. Und mit 28 bist du nicht mehr die Jüngste.“
Anfangs drohen Enttäuschungen
Es ist nicht die Angst vor der Zukunft, die sie auf die Bahn zurückgetrieben hat. Die gelernte Bankkauffrau arbeitet in der Mannheimer Stadtverwaltung, ist zuständig für Marketing. „Ich könnte, wenn meine Karriere zu Ende ist, am nächsten Tag arbeiten gehen“, sagt sie. Noch aber will sie laufen. Bei den Bislett Games in Olso am 13. Juni ist ihr erster internationaler Start geplant, drei Wochen später läuft sie in Ulm. Dass ihr anfangs Enttäuschungen drohen, ahnt sie. Die WM-Norm für Moskau (10. bis 18. August) steht bei 12,94 Sek. Keine Zeit, die sie vor einigen Jahren erschreckt hätte. Nun, da sie nicht weiß, wo sie steht, kann sie nicht einmal genau sagen, wie hoch diese Hürde für sie ist. In jedem Fall aber soll Ulm ihr weiterhelfen.
Die Stadt hat ihr 2009 Glück gebracht – und könnte das auch 2014 wieder tun. Ulm hat sich auch für nächstes Jahr um die Austragung beworben. „Der Gemeinderat ist dafür sehr aufgeschlossen“, deutet Gerhard Semmler, Ulms Abteilungsleiter für Bildung und Sport an, dass die Wettkämpfe auch 2014 an der Donau stattfinden.
Deutsche Meisterschaften, 6./7. Juli in Ulm, Donaustadion; Sa., ab 12 Uhr, So., ab 12.50 Uhr.