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Fussball-EM 2021: Analyse zur DFB-Elf: Löw braucht Alternativen, Löw hat Alternativen

Fussball-EM 2021

Analyse zur DFB-Elf: Löw braucht Alternativen, Löw hat Alternativen

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    Joachim Löw muss sich für das Spiel gegen England etwas einfallen lassen.
    Joachim Löw muss sich für das Spiel gegen England etwas einfallen lassen. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Joachim Löw hätte sich wohl auch nicht gescheut, den Platzwart auf das Feld zu schicken. Wenn dieser denn schon mal auf irgendeinem Dorfplatz als Stürmer agiert hätte. Es war nicht der Mut der Verzweiflung. Es war reine Verzweiflung, dass der Bundestrainer nach und nach sämtliche seiner Offensivkräfte eingewechselt hatte. Je länger das Spiel dauerte, desto kompromissloser tauschte Löw sein Personal. Zuerst ersetzte Leon Goretzka noch positionsgetreu Ilkay Gündogan.

    Auch die Hereinnahmen von Thomas Müller und Timo Werner für Kai Havertz und Serge Gnabry gaben sich noch einer spieltaktischen Logik hin – wenngleich ein Einsatz des angeschlagenen Müllers ursprünglich nicht vorgesehen war. Als aber Kevin Volland und Jamal Musiala in den Schlussminuten das Feld für Matthias Ginter und Robin Gosens betraten, war klar, dass hier jemand alles und doch nichts mehr zu verlieren hat.

    Jamal Musiala, Leon Goretzka, Timo Werner: Die drei Joker retten Löw

    Goretzka sorgte mit seinem Treffer in der Schlussphase dafür, dass die Ära Löws nicht auf immer mit dem zweimaligen Vorrunden-Aus bei großen Turnieren verbunden sein wird. Er hatte den Ball ins Tor gewuchtet, der zuvor über Musiala und Werner den Weg zu ihm gefunden hatte. Musiala, Werner, Goretzka. Drei Einwechselspieler, denen vor dem Spiel allenfalls Rollen als Nebendarstellern zugedacht waren. Sie brachten frischen Wind. „Wind of change“ sozusagen. Gegen eine ungarische Mannschaft, die über 90 Minuten lustvoll verteidigte und mit ihren vereinzelten Vorstößen immer wieder darauf  hinwiesen, dass es in der deutschen Defensivreihe auch nach drei Turnierspielen noch erhebliche Abstimmungsprobleme gibt.

    Mats Hummels ließ Adam Szalai vor dem ersten Gegentor gedankenverloren in seinem Rücken passieren. Das zweite Tor führten die Deutschen nach dem unmittelbar durch Kai Havertz erzielten Ausgleich auf eine Konzentrationsschwäche zurück. „Da sind wir im Kopf nicht schnell genug. Das darf niemals passieren, wenn du in diesem Turnier was erreichen willst“, monierte Goretzka. Nun will die Mannschaft zweifellos bei diesem Turnier etwas erreichen. Das Spiel gegen die Ungarn nährte allerdings beträchtliche Zweifel daran, weiter als bis ins Achtelfinale vorrücken zu können.

    So herrschte nach dem Abpfiff der unerwartet dramatischen Partie gegen Ungarn Erleichterung statt Euphorie. Sie waren dem zweiten blamablen Aus nach 2018 gerade so entkommen. Weil Musiala vor dem Ausgleich zum 2:2 auf engstem Raum zwei Gegenspieler band und den Ball zielgenau in den Strafraum brachte. Dort hatten sich die Deutschen ziemlich lange nur äußerst selten gezeigt. Als Gündogan und Toni Kroos für die Spielgestaltung zuständig waren, bewegte sich das Spiel vornehmlich in seitliche Richtungen – erst Goretzkas Einwechslung zog das Spiel etwas in die Länge.

    Musiala wiederum hatte von Löw genau jene Anweisung bekommen, die er vor dem zweiten Treffer ausführte. "Er hat gesagt, ich soll mutig sein und aggressiv nach vorne spielen". Der 18-Jährige blickt nun voller Vorfreude auf die Partie am kommenden Dienstag im Wembley-Stadion. Er hat den Großteil seiner Jugend in England verbracht. „Das ist meine zweite Heimat. Das wird ein cooles Spiel.“ Ähnliches dürften die Briten denken, denn es war allzu offensichtlich, was es braucht, um das deutsche Spiel zu stoppen: Flügel dicht machen und vorne Fehler provozieren.

    Für Leroy Sané wird demnächst wohl wieder nur ein Platz auf der Bank bleiben.
    Für Leroy Sané wird demnächst wohl wieder nur ein Platz auf der Bank bleiben. Foto: Christian Charisius, dpa

    Der Bundestrainer wird nicht umhinkommen, mit seinen Spielern einen alternativen Plan einzupauken. Einen, der mehr Zielstrebigkeit durch das Zentrum verspricht. Einen, in dem Leroy Sané wohl wieder auf die Bank rücken wird. Der Münchner sollte mit seiner Schnelligkeit die Defensive beschäftigen, hatte aber keinerlei Einfluss auf die Offensivbemühungen.

    Leon Goretzka kündigte Thomas Müller an, noch gebraucht zu werden

    Anders als Goretzka, der sich nachhaltig um einen Platz in der Startformation bewarb. Während des Spiels hatte er schon bemerkt, dass sein Wirken vonnöten sein wird. "Ich habe schon zu Thomas gesagt: ,Junge, wir müssen heute noch ran.‘" Er und Müller werden wohl gegen England von Beginn an spielen. Personal, das sich für einen Platz auf der Bank anbot, gibt es genug. Es ist die Zeit der Wechsel gekommen. Um ins Viertelfinale zu gelangen, bedarf es nicht nur eines zarten Hauchs, sondern stürmische Veränderungen.

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