Die Aussage im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist eindeutig. Man wolle „das Bauen und Wohnen der Zukunft“ bezahlbar gestalten, schreiben SPD, Grüne und FDP. Dazu sollen gebaut werden, 100.000 davon öffentlich gefördert. Das ehrgeizige Ziel rückt durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg gerade in weite Ferne. Lieferketten sind unterbrochen, die Preise steigen. Hausgemachte Probleme der Regierung wie das Chaos bei der energetischen Neubauförderung tun ihr Übriges. Experten fordern die Ampel deshalb zum Gegensteuern auf.
Bundesbauministerin Klara Geywitz will am kommenden Mittwoch in Berlin den Startschuss für das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ geben. „Nur wenn alle mitziehen und in ihren Verantwortungsbereichen auf mehr bezahlbaren Wohnungsbau hinwirken, können wir gemeinsam erfolgreich sein“, heißt es im Einladungsschreiben der SPD-Politikerin. Die Idee ist sicherlich gut gemeint, zeigt aber gleichzeitig eines der Hauptprobleme beim Wohnungsbau auf. Denn solche Bündnisse gab es in der Vergangenheit immer mal wieder. Im Sommer 2014 etwa schlossen sich Bund, Länder, Kommunen und Verbände zum „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ zusammen. Damals wie heute war der Mangel groß, die Politik kommt beim Wohnungsbau nicht recht voran.
Robert Habecks Neubauförderung wird jetzt komplizierter
Das Durcheinander bei der energetischen Neubauförderung belegt das eindrucksvoll. Bereits Ende Januar hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Bewilligung entsprechender Anträge zur energetischen Neubauförderung gestoppt, weil nicht genügend Mittel vorhanden waren. Ein erneuter Anlauf musste am Mittwoch nach nur wenigen Stunden ebenfalls abgebrochen werden, weil das Geld alle war. Am Donnerstag wurde zwar die zweite Stufe gestartet. Der Zugang zum Förderprogramm „EH/EG 40 NH“ ist ab sofort aber komplizierter geworden. Geld gibt es nur, wenn die Voraussetzungen für das „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ (QNG) erfüllt werden.
Das Siegel wird durch akkreditierte Zertifizierungsstellen vergeben, es soll „die Erfüllung von Anforderungen an die ökologische, soziokulturelle und ökonomische Qualität von Gebäuden sowie an die Qualität der Planungs- und Bauprozesse“ sicherstellen. Wer dahinter einen Haufen Papierkram vermutet, liegt genau richtig. Das Bauministerium hat sich alle Mühe gegeben und die Informationen im Internet gebündelt. Private Bauträger jedoch könnten angesichts Dutzender Dokumentenseiten schnell überfordert sein. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie jedenfalls ist gewarnt. „Nicht nur angesichts stark steigender Materialkosten sind bezahlbare Mieten im Wohnungsneubau ohne eine staatliche Förderung nicht zu realisieren“, sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. Ob die neue Förderung in Kombination mit dem QNG dies leisten könne, sei „eher fraglich“.
400.000 neugebaute Wohnungen jährlich eher die Untergrenze
Beim Spitzenverband der Immobilienwirtschaft geht die Einschätzung in eine ähnliche Richtung. „Da sich viele Parameter wie Energie- und Materialpreise, Verfügbarkeit von Baustoffen, allgemeine Preisentwicklungen und anderes aufgrund der Folgen des Ukrainekrieges und der Corona-Pandemie zum Negativen entwickeln, ist es zwingend notwendig, dass von der Politik Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Investitionen in den Wohnungsbau stimulieren und überhaupt erst möglich machen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Oliver Wittke, unserer Redaktion. Nur bei Schaffung eben dieser Rahmenbedingungen werde das Regierungsziel erreichbar sein – das angesichts des aktuellen Flüchtlingszuzugs „eher als Untergrenze des Notwendigen zu betrachten“ ist, wie Wittke mahnte.
Der Preisanstieg beim Diesel belastet die Branche besonders. Knapp die Hälfte der benötigten Energie wird im Baugewerbe aus Dieselkraftstoff gezogen. Betonstahl ist im Vorjahresvergleich um 60 Prozent teurer geworden, allein diese beiden Faktoren zeigen deutlich, warum die Bauindustrie „mit einem Rückgang beim Wohnungsneubau“ rechnet, wie Hauptgeschäftsführer Müller erklärte.
Mieterbund will Belegungsrechte ankaufen
Der Deutsche Mieterbund hat das erkannt und fordert eine Reaktion der Ampel. „Der Fokus darf nicht mehr allein auf dem Neubau bezahlbarer Wohnungen liegen, sondern es bedarf jetzt erheblicher Anstrengungen, die Wohnungen im Bestand, die noch bezahlbar sind, bezahlbar zu halten und darüber hinaus zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum im Bestand zu schaffen“, sagte Präsident Lukas Siebenkotten unserer Redaktion. Notwendig seien dafür „funktionierende mietrechtliche “.
Der Mieterbund nennt als Beispiel den „Ankauf von Belegungsrechten“: Wenn Vermieter sich verpflichten, die Wohnung zu einem reduzierten Preis an einkommensschwächere Haushalte zu vermieten, werden sie gefördert. „Solche Lösungen können“, sagt Siebenkotten, der auf eine langjährige Erfahrung mit der deutschen Wohnungspolitik zurückblickt, „recht schnell umgesetzt werden“. Sie würden nicht von den rasant steigenden Preisen für Baumaterial und ähnlichem abhängen, „sondern allein vom politischen Willen“.