Und jetzt kämpft er doch. Wochenlang hatte Olaf Scholz in der Ukraine-Politik wie ein Getriebener gewirkt. Wie jemand, der darauf setzt, dass sich die Dinge schon irgendwie von selbst fügen werden. Doch die Deutschen erwarten Antworten. Tut das Land genug, um der Ukraine dabei zu helfen, sich gegen den russischen Angriff zu wehren? Oder riskiert die Bundesregierung mit ihren Waffenlieferungen sogar eine weitere Eskalation? Am Montagabend wagt sich Scholz aus der Defensive – offenbar frei von größeren Selbstzweifeln. Zur besten Sendezeit tut er im ZDF das, was viele so dringend von ihm erwartet hatten: Er erklärt seine Politik.
„Was nun, Herr Scholz?“, heißt die Sendung, die kurzfristig ins Programm genommen wird. Auf die entscheidende Frage, wo denn nun die Führung bleibe, die der Kanzler versprochen hatte, antwortet Scholz beinahe trotzig: „Die Führung besteht ja darin, dass ich nicht jedem, der laut ruft und falsche Argumente verwendet, nachgebe.“ Der SPD-Politiker verweist darauf, dass sich viele Menschen „berechtigterweise“ Sorgen machen würden, der Krieg könnte sich über die Grenzen der Ukraine hinaus ausweiten.
Olaf Scholz warnte sogar vor der Gefahr eines Atomkrieges
Tatsächlich hatte die Debatte um Waffenlieferungen am Wochenende durch den Brief von Intellektuellen neue Fahrt aufgenommen, die davor warnen, Deutschland zur Kriegspartei zu machen. Scholz selbst war lange strikt dagegen, auch deutsche Panzer zur Verfügung zu stellen und warnte sogar vor der Gefahr eines Atomkrieges. Jetzt ist er dafür, Panzer zu liefern, um die Ukraine für den Kampf zu rüsten. Wie passt das zusammen?
„Russland darf nicht gewinnen und die Ukraine darf nicht verlieren“, sagt er, erklärt aber zugleich seine eigene Zerrissenheit: „Mit jeder Entscheidung ist verbunden, dass wir überlegen: Was hat das für weitere Konsequenzen?“ Das Dilemma des Regierungschefs besteht auch daran, dass er sich gleichzeitig von anderer Seite Kritik gefallen lassen muss, zu wenig für die Ukraine zu tun. Er kontert: „Ganz klar ist: Unsere Hilfe, die wir geleistet haben, die finanzielle und die militärische, hat dazu beigetragen, dass die ukrainische Armee jetzt so lange durchhalten kann gegen einen so mächtigen Gegner.“
"Was nun, Herr Scholz?": Olaf Scholz will sich nicht festlegen, wann er nach Kiew reist
Neben militärischer Unterstützung stehen weitere wirtschaftliche Sanktionen zur Debatte. Am Montag hatte die Europäische Union keine Einigung über ein Öl-Embargo gegen Russland erzielen können. Vor allem Ungarn stellt sich bislang quer. Scholz betont, es sei stets klar gewesen, dass man keine Maßnahmen verhängen wolle, „die uns mehr schaden als Russland“. Er hofft aber weiterhin auf eine gemeinsame Entscheidung der EU-Staaten, was den Boykott russischen Öls angeht, den die Regierung der Ukraine schon lange fordert.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kündigte einen weiteren Besuch in Kiew an, CDU-Chef Friedrich Merz wird schon vorher dorthin reisen. Und der Kanzler? Ob und wann er selbst nach Kiew reisen werde, um sich mit Präsident Wolodymyr Selenksyj solidarisch zu zeigen, darauf will sich Scholz nicht festlegen. Vorerst wird jedenfalls nichts aus einer solchen Reise. Zu tief sitzt noch der Ärger darüber, dass die Ukraine einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kürzlich abgelehnt hatte. Scholz bezeichnet das erst noch halbwegs diplomatisch als „bemerkenswerten Vorgang“, stellt dann aber unmissverständlich klar: „Das kann man nicht machen. Das steht der Sache im Weg.“ Auf die Frage, ob er sich beim G20-Gipfel im Herbst mit Wladimir Putin an einen Tisch setzen würde, gibt Scholz trotz mehrfachen Nachhakens keine klare Antwort. Gastgeber Indonesien hatte zuvor angekündigt, den Kreml-Herrscher trotz des Ukraine-Krieges einladen zu wollen.
Olaf Scholz übt bei "Was nun, Herr Scholz?" Kritik an Gerhard Schröder
Eine unmissverständliche Haltung hat der Kanzler hingegen zu seinem Vorgänger und SPD-Parteifreund Gerhard Schröder, der noch immer für russische Firmen Lobbyarbeit macht. „Ehrlicherweise finde ich es völlig unvertretbar, spätestens seit dem Kriegsbeginn unmöglich, dass der frühere Bundeskanzler diese Aufgaben weiterhin wahrnimmt“, sagt Scholz knallhart.