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Warum Trump Deutschlands Politik radikal ablehnt: US-Experte gibt Einblicke

US-Experte im Interview

Was hat Trump eigentlich gegen Deutschland?

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    US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Nato-Gipfel im Jahr 2019. Das Verhältnis der beiden war angespannt
    US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Nato-Gipfel im Jahr 2019. Das Verhältnis der beiden war angespannt Foto: Michael Kappeler, dpa

    Herr Kleine-Brockhoff, Donald Trump, der republikanische Präsidentschaftskandidat, kritisiert Deutschland häufig und gern. Er ärgert sich über die vielen BMWs auf den Straßen von New York, mit Angela Merkel ist er nie warm geworden. Was hat Trump gegen Deutschland?
    THOMAS KLEINE-BROCKHOFF: Ich habe mich in meinem Berufsleben 30 Jahre lang mit Anti-Amerikanismus beschäftigt. Bei Donald Trump habe ich zum ersten Mal das Phänomen des Anti-Germanismus in Amerika kennengelernt. Ich möchte jetzt nicht den Hobby-Psychologen spielen, aber man hat den Eindruck, dass Deutschland in seinen Augen nichts richtig machen kann. Die Kritik wird bei ihm leider nicht aus der Sache heraus begründet, sondern die Sache wird als Vorwand genutzt für eine Generalabrechnung. Das Schlimme daran ist, dass dies Folgen hatte: Die republikanische Partei folgte ihrem Chef und auch dort hörte man diese anti-deutschen Töne. Das Gute ist, dass diese Stimmung nach Trumps erster Amtszeit auch wieder verflogen ist.

    Als Deutscher wird man in den USA eher herzlich begrüßt, anti-deutsche Stimmung erlebt man kaum. Wie kommt Trumps Deutschland-Bashing bei seinen Wählerinnen und Wählern an?
    KLEINE-BROCKHOFF: Ich bin nicht sicher, ob das beim Wähler ankommt, vieles versendet sich sicherlich recht schnell. Wir als Deutsche achten auf Trumps Äußerungen natürlich viel genauer. Immer, wenn er Deutschland erwähnt, hören wir zu.  

    Thomas Kleine-Brockhoff ist Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
    Thomas Kleine-Brockhoff ist Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Foto: Zsofia Pölöske, DGAP

    Ist die deutsche Politik mit ihrer Energiewende, der Zuwanderungspolitik und der sozialen Absicherung so etwas wie der größtmögliche Kontrast zu Trumps politischen Vorstellungen?
    KLEINE-BROCKHOFF: Definitiv. Deutschland – besonders unter Bundeskanzlerin Merkel – erscheint als postmodernes Gegenbild zu den Gesellschaftsvorstellungen von Donald Trump. Alles das, was er für falsch hält, tut die deutsche Politik. Trump lädt dieses Bild dann auch noch populistisch auf – das kennen wir ja von anderen Populisten. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski hat einmal gewarnt vor einer „Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen“. Das ist natürlich eine Zuspitzung; man konstruiert ein Land, von dem man sich als Rechtspopulist maximal abgrenzen kann.

    Welche Rolle spielte denn Angela Merkel als Person? Trump-Beobachter meinen, er habe einfach keinen Draht zu ihr gefunden, gegen Deutschland habe er gar nichts…
    KLEINE-BROCKHOFF: Wenn das so wäre, frage ich mich, warum seine Wahlkampfreden heute so klingen wie seine Reden als Präsident. Trotzdem ist Angela Merkel ein Grund für Trumps Abneigung. Zuerst einmal ist sie eine Frau. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mit irgendeiner Regierungschefin in seiner Amtszeit respektvoll umgegangen ist. Hinzu kommt, dass Donald Trump ungern belehrt wird. Und da müssen wir uns nur an den ersten Besuch von Angela Merkel bei ihm in Washington erinnern.

    Was ist da passiert?
    KLEINE-BROCKHOFF: Merkel hat sich vom Kanzleramt eine Karte mitgeben lassen, auf der sie den Einflussbereich der Sowjetunion farbig markieren ließ. Diese Karte hat sie vor Trump ausgerollt, um ihm vorzutragen, dass die wirkliche Gefahr unserer Tage von einem neo-imperialen Russland ausgeht, das seine alte Ausdehnung und Einfluss-Sphäre zurückwill. Nun ist es schon bemerkenswert, dass eine deutsche Kanzlerin einem US-Präsidenten erklären muss, wie gefährlich Russland ist. Aber was Trump eigentlich gestört hat, war wahrscheinlich, dass sie ihm überhaupt etwas vorgetragen hat, dass sie ihm die Welt erklärt – er hat still zugehört und sich geärgert. Sie hat ihm den Eindruck vermittelt: Sie ist die Erfahrene, er der Neuling.

    Ein ewiger Streitpunkt waren die deutschen Verteidigungsausgaben. Trump hat sogar die Nato als solche infrage gestellt…
    KLEINE-BROCKHOFF: Nicht Donald Trump war derjenige, der die Nato unterminiert hat, sondern viele europäische Staaten und die Bundesrepublik Deutschland im Besonderen. Deutschland hat sich mehrfach verpflichtet, das zwei Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen. Gleichzeitig wurde nie wirklich ein ernsthafter Versuch unternommen, es zu erreichen. Angela Merkel und ihre damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen haben auf dem Nato-Gipfel 2018 sogar offiziell erklärt, dass Deutschland nur 1,5 Prozent anstrebt. Stärker kann man die Glaubwürdigkeit eines Staates innerhalb einer Allianz kaum schwächen.

    Die Forderung nach höheren Rüstungsausgaben, die Warnung vor Nord Stream 2 – jenseits seines Tones hatte Trump durchaus in einigen Punkten recht.
    KLEINE-BROCKHOFF: Das stimmt, und das ist das Schwierige bei der Beurteilung. Aber es erklärt nicht vollständig seine bis heute fortdauernde Abwendung, ja fast schon Aversion gegenüber Deutschland.

    Was heißt das für Olaf Scholz – als Sozialdemokrat dürfte er auf der Beliebtheitsskala nicht wesentlich weiter oben stehen?
    KLEINE-BROCKHOFF: In den Augen von Trump könnte problematisch sein, dass Scholz sich so gut mit Joe Biden versteht. Dafür sind die Wahrnehmungsprobleme, die auf deutscher Seite hinsichtlich Russland, Energieabhängigkeit und Verteidigungsfähigkeit bestanden, weitgehend abgeräumt. Die Verhältnisse haben sich sogar umgekehrt: Trump hat ein eigenes Wahrnehmungsproblem, wenn er sein rosiges Russland- und Putin-Bild weiter pflegt.

    Käme Friedrich Merz mit Trump besser klar? Er gibt ja den eher zupackend wirkenden Politiker?
    KLEINE-BROCKHOFF: Aus Donald Trumps Sicht steht Merz weder im Verdacht, Joe Biden noch Angela Merkel zu nahezustehen. Das könnte ihm helfen. Als verantwortlicher Politiker muss man ganz einfach mit Trump umgehen lernen – es hilft nichts. Sich öffentlich über ihn lächerlich zu machen, wie manche das präferieren, führt jedenfalls nicht weiter.

    Bereitet sich Berlin auf eine zweite Amtszeit von Trump vor?
    KLEINE-BROCKHOFF: Ja, das geschieht durchaus. Wenn man den Diplomaten in Berlin zuhört, gibt es folgende Ansicht: Egal, ob Trump oder Kamala Harris gewinnen, die Folgen für Deutschland wären in wesentlichen Fragen sehr ähnlich. Die Amerikaner werden auf eine höhere Verteidigungsfähigkeit drängen, sie werden Gefolgschaft in der Auseinandersetzung mit China verlangen, sie werden protektionistisch sein. Deshalb liege der Unterschied zwischen Trump und Harris vor allem in Ton und Stil.

    Ist das so?
    KLEINE-BROCKHOFF: Ich glaube, dass diese Haltung entweder diplomatischer Zurückhaltung geschuldet oder ein Kategorienfehler ist. Denn auch da, wo Phänomene oberflächlich ähnlich erscheinen, sind Motivlage und strategisches Ziel doch gänzlich verschieden. Es ist ein Unterschied, ob Deutschland mit einem isolationistischen Nationalisten oder mit einer Internationalistin verhandelt. Dieser Unterschied wird sich im Laufe der Zeit sogar stärker ausbilden, weil die Ziele so anders sind. Trump glaubt mit Blick auf die amerikanischen Interessen, dass Alliierte eine Last sind – Harris glaubt, dass Alliierte Kraftverstärker sind. Harris sagt, dass die Ukraine den Krieg gewinnen muss, Trump sagt, dass es im amerikanischen Interesse sei, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden.

    Sowohl Donald Trump als auch sein Unterstützer Elon Musk sollen schon jetzt regelmäßige Kontakte zu Wladimir Putin haben. Das klingt, als ob sie unter sich ausmachen werden, was mit der Ukraine geschieht.
    KLEINE-BROCKHOFF: Putin träumt von einem Gipfel mit Trump. Sein Ziel ist es, Russland wieder zu einer globalen Supermacht werden zu lassen – wenn das geschieht, reden nur die Großen miteinander. Die Ukrainer, aber auch die Europäer werden ausgeschlossen. Dieser Gefahr müssten wir vorbeugen.

    Aber heißt das dann nicht auch, dass die Europäer eine Führungsrolle im Krieg gegen die Ukraine einnehmen müssten und das nicht länger auf die USA abschieben können?
    KLEINE-BROCKHOFF: Manche Beobachter sagen, dass die Europäer im Fall einer zweiten Amtszeit von Donald Trump zusammenfinden würden, weil sie es müssten. Ich fürchte eher, dass das Gegenteil passiert. Die europäische Spaltung wird sich vertiefen. Ungarns Viktor Orbán und Frankreichs Emmanuel Macron werden versuchen, sich von Amerika abzusetzen – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Polen hingegen wird aus Gründen der eigenen Sicherheit immer eng an der Seite der USA bleiben. Wir leben in einer Zeit, in der Nuklearwaffen wieder der Goldstandard der Macht sind. Wer keine Nuklearwaffen hat, ist auf die USA angewiesen und kann sich nicht in eine Opposition zu Trump begeben.  

    Muss Deutschland eigene Atomwaffen anstreben?
    KLEINE-BROCKHOFF: Deutschland muss Abschreckungsfähigkeit anstreben. Deshalb sind die konventionellen Mittelstreckenwaffen, die die USA hier für eine Übergangszeit stationieren wollen, so wichtig. Putin hat mit den atomwaffenfähigen Abschussvorrichtungen, die er in Kaliningrad hat, die Voraussetzung geschaffen, innerhalb weniger Minuten Berlin treffen zu können.

    Der Plan für die Mittelstreckenwaffen stammt von Biden. Wird Trump ihn beibehalten?
    KLEINE-BROCKHOFF: Dahinter würde ich zumindest ein Fragezeichen setzen. Wir Europäer müssen erkennen, dass der Höhepunkt der amerikanischen Sicherheitsgarantien überschritten ist. Wir werden das Bündnis mit Amerika nur durch große eigene Anstrengungen stärken können. Es wäre wichtig, nicht nur eine Lastenteilung, sondern eine Lastenübertragung zu organisieren. Wir selbst sollten den Amerikanern vorschlagen, wie und wann sie welche Teile ihrer Truppen aus Europa abziehen können.

    Lassen Sie uns noch einen Blick auf die Wirtschaft nehmen. Könnte Trumps harte Wirtschaftspolitik gegenüber China deutschen Unternehmen vielleicht sogar helfen?
    KLEINE-BROCKHOFF: Meine Kollegin Constanze Stelzenmüller von der Brookings Institution hat einmal gesagt: Die Politik der Bundesregierung basierte darauf, deutsche Sicherheit nach Amerika auszulagern, die Energieversorgung nach Russland und den Markt nach China. Zwei dieser Beine sind bereits weggebrochen und müssen unter großen Anstrengungen repariert werden. Ich würde daher jeden Bundeskanzler verstehen, der nicht gleichzeitig auch noch selbst am dritten Bein sägen und deshalb diese Frage verschieben möchte. Die Frage könnte sein, ob Donald Trump das zuließe. 

    Zur Person

    Thomas Kleine-Brockhoff, 64, ist seit August 2024 Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Zuvor leitete er fünf Jahre lang das Berliner Büro des „German Marshall Fund“. Zwischen 2013 und 2017 diente Kleine-Brockhoff als Berater des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck.

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    1 Kommentar
    Jochen Hoeflein

    Habe selbst über 5 Jahre beruflich in USA gelebt. Bin dort immer wieder auf die überbordende soziale Absicherung in Zusammenhang mit den geringen Aufwendungen für die Verteidigung in DEU hingewiesen worden. Bestes Beispiel derzeit sind die ausufernden Ausgaben beim Bürgergeld und für Migranten ohne Aussicht auf Asylgewährung und mangelnde Integrationsmotivation. Für die USA ist die unüberlegte und hektisch betriebene Energiewende nicht nachvollziehbar. Auch die Zuwanderungspolitik ist zu sehr an sozialen Kriterien geknüpft und nicht am real existierenden Bedarf für den Arbeitsmarkt. Auch werden zu viele Randgruppen der Gesellschaft unterstützt aus ideologisch moralischen Beweggründen.

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