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Wahlrechtsreform: Diät für den Bundestag: So will die Ampel-Koalition das Parlament schrumpfen

Wahlrechtsreform

Diät für den Bundestag: So will die Ampel-Koalition das Parlament schrumpfen

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    Hat das deutsche Parlament nach der nächsten Wahl weniger Sitze?
    Hat das deutsche Parlament nach der nächsten Wahl weniger Sitze? Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Wenn die Fraktionen im Bundestag bei vielen Themen unterschiedlicher Meinung sind, so gibt es bei der Frage nach der Größe des Parlaments Übereinstimmung: Die Volksvertretung in Berlin platzt aus allen Nähten. In den Fachausschüssen beispielsweise tummeln sich bis zu 45 Abgeordnete. Wenn da jeder und jede was sagen will, zerfasern die Sitzungen. Von „Miniparlamenten“ ist abwertend die Rede. 2013 zählte der einen Gesetzentwurf für eine Wahlrechtsnovelle vorgelegt. Damit soll in Zukunft die per Wahlgesetz vorgeschriebene Regelgröße des Bundestags von 598 Sitzen zwingend eingehalten werden.

    Die Reform stützt sich auf das Prinzip der verbundenen Mehrheitsregel. Im Kern geht es darum, dass künftig die Zweitstimme, Hauptstimme genannt, die Zahl der Sitze für die Parteien im Bundestag bestimmt. Wer dann im Plenarsaal als Abgeordnete oder Abgeordneter Platz nehmen darf, wird durch die Landeslisten der Parteien und durch die „Wahlkreisstimme“ geregelt, die der heutigen Erststimme entspricht. 

    Der Bundestag muss kleiner werden: Überhang- und Ausgleichsmandate fallen weg

    Überhang- und Ausgleichsmandate soll es dem Entwurf zufolge nicht mehr geben. Sie entstehen dann, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr aufgrund des Zweitstimmenergebnisses zustehen. Diese Mandate werden für die Aufblähung des Bundestages verantwortlich gemacht. Zuletzt fielen davon 138 an, bei der Wahl 2017 waren es 111 zusätzliche Sitze.

    Durch die Reform würde aber auch das Direktmandat Geschichte. Denn der Einzug in den Bundestag ist nur möglich, wenn genügend Zweit- beziehungsweise Hauptstimmen vorhanden sind. Wenn also eine Kandidatin oder ein Kandidat die meisten Erststimmen bekommt, ist er oder sie dennoch nicht automatisch gewählt. 

    Das leere Plenum des Deutschen Bundestags.
    Das leere Plenum des Deutschen Bundestags. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Die Opposition ist alarmiert. „Die geplante Wahlrechtsreform bricht mit demokratischen Prinzipien in Deutschland“, sagte der CSU-Rechtspolitiker Volker Ullrich unserer Redaktion. „Es gilt seit vielen Jahrzehnten das Prinzip, das derjenige, der den Wahlkreis gewinnt, auch ins Parlament einzieht“, erklärte der Abgeordnete. Es sei dies eine Frage des Mehrheitsprinzips, dass dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes folge. „Wenn die Ampel will, dass gewählte Wahlkreisbewerber und Wahlkreisbewerberinnen nicht mehr in den Bundestag einziehen, dann ist das ein grober Verstoß gegen diese Prinzipien.“

    CSU profitierte besonders von Direktmandaten

    Unions-Fraktionsvize Jens Spahn äußerte sich ähnlich. Die Idee, dass ein gewonnenes Direktmandat am Ende nicht zu einem Direktmandat führe, „widerspricht demokratischen Zielen und ist auch nicht logisch“, sagte der CDU-Politiker. Es gewinne jemand einen Wahlkreis, ziehe aber nicht in den Bundestag ein. Wenn man

    Seit der Wahlrechtsreform 2013 ist die Debatte um das Bundestagswahlrecht nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die Bundestagspräsidenten Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble (beide CDU) legten Reformvorschläge für einen großen Wurf vor, konnten sich aber nicht durchsetzen. Sie scheiterten auch am Widerstand aus den eigenen Reihen - vornehmlich der CSU, die besonders viele Direktmandate einfährt. Die Große Koalition konnte sich lediglich darauf verständigen, die Zahl der Wahlkreise zur Bundestagswahl 2025 von 299 auf 280 zu verringern. 

    Hat die Wahlrechtsreform Aussicht auf Erfolg? Oder droht die Klage in Karlsruhe?

    In der Debatte wurde auch immer die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines jeden Reformvorschlags gestellt. Dem geplanten Gesetz könnte, das legen Äußerungen aus der Opposition nahe, eine Klage in Karlsruhe drohen. Ob sie Erfolg hätte, ist fraglich. Der Rechtswissenschaftler Florian Meinel von der Georg-August-Universität Uni Göttingen schrieb in einem vom Bundestag veröffentlichten Gutachten, die verbundene Mehrheitsregel „wäre verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sofern eine Ausnahmeregelung der Konditionierung der Erststimme durch das Zweitstimmenergebnis für parteilose Wahlkreisbewerber eingeführt wird“. Heißt: Einzelbewerber brauchen eine Sonderregelung, weil sie nicht auf einer Landesliste stehen.

    Die Ampel setzt auf einen breiten Konsens, Ullrich zeigte sich gesprächsbereit. „Mögliche Stellenschrauben wären die Anzahl der Listenmandate sowie die Verrechnung von Überhangmandaten“, sagte er. „Aber es darf kein Wahlrecht sein, das zu absurden Ergebnissen führen kann.“

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