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Kamala Harris gegen Donald Trump: Wie stehen die Chancen?

Wahlkampf in den USA

Kann sie Trump schlagen?

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    „Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen“, erklärte Kamala Harris, aktuell Vizepräsidentin der USA..
    „Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen“, erklärte Kamala Harris, aktuell Vizepräsidentin der USA.. Foto: Carlos Osorio, AP/dpa (Archivbild)

    Seit Monaten hatte er keine Gelegenheit ausgelassen, seinen Kontrahenten zu attackieren. Als „schlechtesten Präsidenten aller Zeiten“ hat Donald Trump den Amtsinhaber Joe Biden immer wieder bezeichnet. Doch als der Demokrat am Sonntag abrupt seinen Rückzug aus dem Rennen um das Weiße Haus bekannt gab, war das dem Pöbel-Politiker gar nicht recht. „Wir waren gezwungen, Zeit und Geld aufzuwenden, um den betrügerischen Joe Biden zu bekämpfen“, wetterte er auf seinem Onlinekanal „Truth Social“: „Nun müssen wir wieder von vorne anfangen.“ Ernsthaft forderte Trump einen Schadenersatz.

    So absurd das Ansinnen ist: Von vorne anfangen - das müssen nun alle in diesem beispiellosen amerikanischen Wahlkrimi. Gerade mal vier Tage ist es her, dass Trump nach einem missglückten Attentatsversuch auf dem republikanischen Parteitag in Milwaukee wie ein Erlöser gefeiert wurde, während Biden unter desaströsen Umfragewerten und einer akuten Covid-Infektion litt. Das Rennen schien gelaufen. Doch nun plötzlich tauschen die Demokraten in einer halsbrecherischen Aktion dreieinhalb Monate vor dem Urnengang ihren Kandidaten aus. Die Karten werden komplett neu gemischt. Das hat es noch nie gegeben.

    Keine Pressekonferenz, kein öffentlicher Auftritt von Biden

    Es war 1.46 Uhr am Sonntagmittag, als ein Post auf der Plattform X die USA erschütterte. Auf seinem Kampagnen-Account mit 38 Millionen Followern veröffentliche Joe Biden einen Brief. „Meine lieben Amerikaner“, fing der langweilig an: „Über die nächsten dreieinhalb Jahre haben wir als Nation große Fortschritte erzielt“. Erst im dritten Absatz steckte die revolutionäre Nachricht: „Obwohl es meine Absicht war, eine Wiederwahl anzustreben, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich mich zurückziehe und alleine auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident in der verbleibenden Amtszeit konzentriere.“

    Trump ist nicht begeistert über Bidens Rückzug.
    Trump ist nicht begeistert über Bidens Rückzug. Foto: Evan Vucci, dpa

    Keine Pressekonferenz. Kein öffentlicher Auftritt. Ein Brief im Internet - abgeschickt gerade mal eine Minute, nachdem die engsten Mitarbeiter telefonisch informiert worden waren, aus Bidens Ferienhaus in Rehoboth Beach an der Atlantikküste. Dort hat sich der 81-Jährige wegen einer Covid-Infektion isoliert. Auf bizarre Weise erinnert das Ende seiner Präsidentschaftskandidatur 2024 an den Anfang der Kandidatur 2020, als sich Biden wegen der Corona-Pandemie aus dem Basement seines Hauses in Wilmington meldete.

    Bei der ersten TV-Debatte gegen Trump hatte Biden schwere Aussetzer

    Mit dem dreigeschossigen blauen Holzhaus in Rehoboth Beach, keine hundert Meter vom Strand und einem Naturschutzgebiet entfernt, hatte sich das Ehepaar Biden 2017 einen lange gehegten Traum erfüllt. Gerne ziehen sie sich der Präsident und die First Lady hier im Sommer oder für ein kurzes Wochenende zurück. Doch das Idyll wurde zum Schicksalsort: Im sandigen Henlopen Park vor ihrer Haustür war Joe Biden vor ziemlich genau zwei Jahren mit dem Fahrrad gestürzt. Die Bilder gingen um die Welt. Die danach aufflammende Debatte über sein Alter - erst als Hintergrundrauschen, dann im Panikmodus - ist er nie wieder losgeworden.

    Keine vier Wochen ist es her, dass die Dämme in Bidens Partei endgültig brachen. Bei der ersten TV-Debatte mit Trump hatte der 81-Jährige schwere Aussetzer und konnte seine Politik kaum erklären. Die Demokraten waren geschockt. Umfragen bestätigten: In den wichtigen Swing States fiel Biden hinter Trump zurück, die Wahl schien nicht mehr gewinnbar. Hinter verschlossenen Türen drängten am vorletzten Wochenende Ex-Parlamentschefin Nancy Pelosi, Senats-Mehrheitsführer Chuck Schumer und der Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, zum Rückzug. Doch der Präsident schaltete auf stur. Nur „der Allmächtige“ könne ihn zum Aufgeben bewegen, tönte er und grub sich zunächst in seine Wagenburg ein.

    Am Sonntag informierte Biden seine Stellvertreterin Kamala Harris

    Doch an diesem Wochenende wurde der Druck übermächtig: Stündlich forderten neue Abgeordnete und Senatoren seinen Abgang, Meinungsforscher warnten vor dem Verlust selbst der verlässlich demokratischen Bundesstaaten Virginia und New Mexico, und wichtige Großspender drehten den Geldhahn zu. Am Samstagabend, berichten amerikanische Medien, habe sich der Präsident entschieden, die Reißleine zu ziehen. Am Sonntag informierte er telefonisch seine Stellvertreterin Kamala Harris, die er als neue Kandidatin eine halbe Stunde nach der Verkündung seines Verzichts öffentlich unterstützte.

    An diesem Wochenende wurde der Druck übermächtig: Stündlich forderten neue Abgeordnete und Senatoren Bidens Abgang
    An diesem Wochenende wurde der Druck übermächtig: Stündlich forderten neue Abgeordnete und Senatoren Bidens Abgang Foto: Susan Walsh, dpa

    Harris nahm die Empfehlung an. „Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen“, erklärte sie. Kurz darauf griff die 59-Jährige zum Telefonhörer, um die parteiinterne Unterstützung für ihre Person zu organisieren. Mehr als 100 Entscheidungsträger soll sie nach einem Bericht der Nachrichtenseite „Politico“ noch am Sonntag angerufen haben. Zum hastigen Abendessen ließ sie sich Pizza mit Anchovis in ihre Washingtoner Residenz liefern.

    Im August wird der Kandidat oder die Kandidatin formal gekürt

    Für das, was nun in den nächsten Wochen passiert, gibt es kein Drehbuch. Vom 19. bis 22. August halten die Demokraten in Chicago ihre Convention ab. Dort wird der Kandidat oder die Kandidatin formal gekürt. Die rund 4000 Delegierten sind nach Bidens Rückzug in ihrer Entscheidung frei. Theoretisch könnte es ein offenes Rennen mit einer Kampfabstimmung geben. Damit allerdings hat die Partei zuletzt 1968, ausgerechnet in Chicago, denkbar schlechte Erfahrungen gemacht: Auf der Convention brach regelrechtes Chaos aus, und drei Monate später gewann der Republikaner Richard Nixon die Wahl.

    Nach Monaten der Selbstbeschäftigung und angstgesteuerten Lähmung vor der Trump-Gefahr wollen führende Demokraten dieses Szenario deshalb um jeden Preis vermeiden. Es scheint, als ob Randall Woodfin, der schwarze Bürgermeister von Birmingham im Bundesstaat Alabama, die Stimmung treffend beschreibt: „Die Demokraten müssen sich entscheiden. Sie können Einigkeit demonstrieren und gewinnen oder sie können sich bekämpfen und verlieren“, sagte er am Sonntag. Damit läuft alles auf Kamala Harris zu. 

    Zahlreiche Namen als Alternativen zu Biden wurden diskutiert

    In den vergangenen Wochen waren zahlreiche Namen als mögliche Alternativen für den Fall eines Biden-Rückzugs diskutiert worden. Gretchen Whitmer etwa, die populäre und bodenständige Gouverneurin von Michigan im politisch wichtigen Mittleren Westen der USA. Oder ihr Amtskollege Josh Shapiro aus Pennsylvania, das die Demokraten unbedingt gewinnen müssen. Auch der ebenso rhetorisch talentierte wie glatte Gouverneur Gavin Newsom, der das demokratische Bollwerk Kalifornien hinter sich weiß, wurde genannt. Doch keiner von ihnen hat in den ersten Stunden seinen Hut in den Ring geworfen. „Ich werde mich nicht für das Amt bewerben“, erklärte am Montagmorgen selbst Joe Manchin, der Kohle-Senator aus West Virginia, der sonst immer mit großmäuligen Ankündigungen zur Stelle ist, wenn irgendwo eine Kamera steht.

    In atemberaubender Geschwindigkeit gehen derweil bei Harris die Unterstützungserklärungen ein. Das einflussreiche Ehepaar Bill und Hillary Clinton war ganz vorne, dann folgten die Top-Vertreter der Parteilinken und der Afroamerikaner im Kongress sowie die vermeintlichen Konkurrenten Shapiro und Newsom. „Jede Menge Dominosteine fallen gerade“, postete David Axelrod, der einstige Chefstratege von Barack Obama, auf X: „Man kann sich kaum einen anderen Ausgang der Nominierung vorstellen.“

    Es gibt auch Gründe, die schnelle Festlegung auf Harris zu hinterfragen

    Bis Montagmorgen hatte bereits weit mehr als die Hälfte der demokratischen Abgeordneten und Senatoren zur Wahl von Harris aufgerufen. Dass ausgerechnet Ex-Präsident Obama, die frühere Parlamentschefin Pelosi sowie mit Schumer und Jeffries die derzeitigen Anführer der Demokraten im Senat und im Repräsentantenhaus noch keine derartige öffentliche Erklärung abgegeben haben, sollte man nicht als mögliches Anzeichen von Opposition werten. Ganz offensichtlich geht es den Partei-Granden vielmehr darum, den höchst problematischen Eindruck eines Hinterzimmerdeals mit undemokratischer Krönung zu verwischen.

    Tatsächlich gäbe es Gründe, die schnelle Festlegung auf Harris zu hinterfragen: Als Vizepräsidentin hat die 59-Jährige keinen bleibenden politischen Eindruck hinterlassen. Weder hat sie den Kampf für die Abtreibungsrechte überzeugend zu ihrer Sache gemacht, noch in ihrem - zugegebenermaßen schwierigen - Aufgabenfeld der Migrationspolitik irgendwelche Erfolge erzielt. Die Juristin aus Kalifornien lacht sympathisch viel - nur leider öfter an der falschen Stelle.

    In einer idealen Welt hätten sich die Demokraten wahrscheinlich anders entschieden

    In einer idealen Welt, mit einem offenen Personaltableau und zwölf Monaten Zeit bis zur Wahl, hätten sich die Demokraten wahrscheinlich für eine andere Person entschieden. Doch nun sind die Prioritäten anders. Harris ist die erste Frau und erste Schwarze im Vizepräsidentenamt. Sie bei der Nachfolgeregelung für ihren Chef beiseitezuschieben, würde viele Kernwähler der Demokraten vor den Kopf stoßen.

    Außerdem bietet die Peronalie neben den Risiken auch große Chancen: Harris muss sich landesweit nicht erst bekanntmachen. Sie ist 59 Jahre und damit fast zwei Jahrzehnte jünger als Trump. Sie ist eine starke Debattenrednerin, die als Ex-Staatsanwältin gegen einen Straftäter antritt. Und sie hat politisches Momentum: Die Partei wirkt derzeit aufgeputscht wie lange nicht mehr.

    Harris erbt eine prall gefüllte Wahlkampfkasse

    Ein sehr profaner Punkt kommt hinzu: Harris erbt eine prall gefüllte Wahlkampfkasse. Noch am Sonntag wurde die bisherige Biden-Harris-Kampagne kurzerhand auf sie übertragen und umbenannt: „Harris for President“. Das beschert ihr 96 Millionen Dollar. Weitere sensationelle 49 Millionen Dollar spendeten ihre Unterstützer alleine zwischen Sonntagmittag und Montagmorgen. Geld ist der unschöne, aber unverzichtbare Treibstoff in amerikanischen Wahlkämpfen. Auch das erklärt, weshalb Trump gerade so sauer ist.

    Gerade mal 105 Tage bleiben den Demokraten nun in neuer Aufstellung noch für den schicksalhaften Sprint bis zum Wahltag. Joe Biden will sich im Laufe der Woche in einer Rede an die Nation wenden. Am Montag kurierte er in Rehoboth Beach immer noch seine offenbar hartnäckige Covid-Infektion aus. Die Republikaner fordern nun lautstark, der 81-Jährige müsse sofort auch als Präsident abtreten. Doch Biden denkt nicht daran. Zumindest eine Amtsperiode will er ehrenvoll zu Ende bringen. Ein triumphaler Empfang auf der Convention im nächsten Monat und ein Eintrag im Geschichtsbuch der demokratischen Partei sind ihm sicher

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    1 Kommentar
    Wolfgang Schwank

    Zitat 1: "..... und wichtige Großspender drehten den Geldhahn zu." Zitat 2: "Das beschert ihr 96 Millionen Dollar. Weitere sensationelle 49 Millionen Dollar spendeten ihre Unterstützer alleine zwischen Sonntagmittag und Montagmorgen. " Perfekte Beschreibung der in Dollar messbaren Demikratie!

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