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Wahlen: Der britische Sonderweg: Wo die Sozialdemokratie im Aufwind ist

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Der britische Sonderweg: Wo die Sozialdemokratie im Aufwind ist

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    Der Vorsitzende der Labour-Partei, Keir Starmer (Mitte), hat beste Chance, die Wahl in Großbritannien für sich zu entscheiden.
    Der Vorsitzende der Labour-Partei, Keir Starmer (Mitte), hat beste Chance, die Wahl in Großbritannien für sich zu entscheiden. Foto: Stefan Rousseau, dpa

    Über Ereignisse jenseits des Ärmelkanals berichten britische Tageszeitungen selten auf der Titelseite. Doch die Ergebnisse der Europawahlen, der Rechtsruck in Deutschland sowie die Neuwahlen in Frankreich wurden auch in den britischen Medien prominent beleuchtet. Dabei ist Journalisten die bemerkenswerte Lage nicht entgangen, in der sich das Vereinigte Königreich, dessen Bürger 2016 mehrheitlich für den Brexit gestimmt hatten, derzeit befindet. Denn während die EU weiter nach rechts rückt, wird in Großbritannien aller Voraussicht nach die Mitte-Links-Partei Labour an die Macht kommen. Warum entwickelt sich die Situation jenseits des Ärmelkanals anders als in anderen europäischen Ländern? 

    Für Patrick Diamond, Professor an der Queen Mary University of London, ist das britische Zweiparteiensystem mehr als alles andere eine Erklärung dafür, warum demnächst mit Keir Starmer ein sozialdemokratischer Premierminister in die Downing Street Nummer 10 einziehen könnte. „1997 wurde eine Labour-Regierung gewählt, die 13 Jahre an der Macht war. Dann gab es 14 Jahre lang eine konservative Regierung, und jetzt werden wir wohl wieder eine Labour-Regierung bekommen. Das gehört zum Muster der britischen Politik”, sagt er unserer Redaktion. 

    Wahlrecht in Großbritannien stützt das Zweiparteiensystem

    Das Zweiparteiensystem auf der Insel wird durch das System der relativen Mehrheitswahl gestützt. Dabei machen die Briten in ihrem Wahlkreis nur ein Kreuz für einen Kandidaten. Wer die meisten Stimmen erhält, zieht ins britische Parlament ein, die restlichen Stimmen verfallen. „Vor allem kleinere Parteien fühlen sich durch dieses System benachteiligt, andere befürworten es, weil es extremistische Parteien in Schach hält“, sagt Sophie Stowers von der Denkfabrik UK in a Changing Europe. 

    Insgesamt gilt die britische Gesellschaft jedoch auch als toleranter als andere Nationen. Eine Expertenkommission hob schon im Jahr 2021 hervor, dass sich das Land in den letzten 50 Jahren zu einer der offensten Gesellschaften in Europa entwickelt habe. Die zeige sich an den abnehmenden Einkommensunterschieden zwischen ethnischen Gruppen und der Vielfalt in Berufsfeldern wie Medizin und Recht. „Rechtspopulistische Parteien wie Reform UK finden nur eine relativ kleine Anhängerschaft. Vielen sind die Ansichten zu extrem“, sagt Diamond. In Umfragen liegt die Partei Reform UK unter Nigel Farage, die sich unter anderem für eine striktere Kontrolle von Migration ausspricht, bei derzeit 17 Prozent. 

    Nigel Farage kommt mit Reform UK zurück

    Dies bedeutet jedoch nicht, dass populistische Politiker keinen Einfluss haben. Die britische Unabhängigkeitspartei UKIP erhielt unter der Führung von Farage bei den Europawahlen 2014 die meisten Stimmen. Ein Ergebnis, das den ehemaligen Premierminister David Cameron dazu veranlasste, ein Referendum über den Austritt aus der Europäischen Union abzuhalten. 2019 gründete Farage die Brexit-Partei, seit Anfang Juni führt er die Protestpartei Reform UK an, die sich nun auf andere Themen als den Brexit konzentriert. 

    Er sagt den Leuten genau das, was sie hören wollen, meint der britische Journalist Sean O’Grady. Während die Tory-Führung blass, technokratisch und entfremdet erscheine, wirke er der 60-Jährige nahbar. Statt Reform UK ein eigenes Narrativ entgegenzusetzen, seien die Konservativen unter den Premierministern Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak weiter nach rechts gerückt. Das Problem sei jedoch, so O’Grady, dass eine ernstzunehmende Regierungspartei Farage niemals rechts überholen könne.

    Keir Starmer, Vorsitzender der Labour-Partei, auf Wahlkampfreise.
    Keir Starmer, Vorsitzender der Labour-Partei, auf Wahlkampfreise. Foto: Stefan Rousseau, dpa

    Labour-Partei will auch striktere Einwanderungspolitik verfolgen

    Kurz vor dem wahrscheinlichen Wahlsieg der Labour-Partei Anfang Juli ist von echter Begeisterung wenig zu spüren. Briten wollen Veränderung, und die geht im britischen Wahlsystem fast zwangsläufig von Labour aus. Anders als Farage hält sich Labour-Chef Keir Starmer mit großen Versprechungen zurück. 

    Allerdings, so Diamond, sei auch die Arbeiterpartei in den vergangenen fünf Jahren durchaus weiter nach rechts gerückt, um mehr Wähler anzuziehen. Vor allem in der Migrationsfrage wolle Starmer deutlich rigider vorgehen als sein umstrittener Vorgänger Jeremy Corbyn. Dieser Trend kann sich verstärken. „Wenn andere europäischen Länder eine aggressivere Anti-Einwanderungspolitik verfolgen, könnte der Druck auf Labour zunehmen, ebenfalls eine härtere Gangart einzuschlagen.”

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