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Verteidigungspolitik: Taurus und kein Ende: Pistorius und Scholz stehen unter Druck

Verteidigungspolitik

Taurus und kein Ende: Pistorius und Scholz stehen unter Druck

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    Schrobenhausen: Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident (CSU), steht an einem Ausstellungsstück eines Taurus KEPD 350 Marschflugkörpers im Showroom des Rüstungsunternehmens MBDA.
    Schrobenhausen: Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident (CSU), steht an einem Ausstellungsstück eines Taurus KEPD 350 Marschflugkörpers im Showroom des Rüstungsunternehmens MBDA. Foto: Karl-Josef Hildenbrand

    Für Bundeskanzler Olaf Scholz und seinen Verteidigungsminister Boris Pistorius wird die Debatte um die mögliche Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine immer brenzliger. Die Union, aber auch Teile des eigenen Ampellagers setzen die beiden SPD-Politiker mächtig unter Druck. Zur Unzeit für Scholz kommt nun auch noch ein Ringtausch-Angebot aus Großbritannien, für das sich die grüne Außenministerin Annalena Baerbock aufgeschlossen zeigt. Am Mittwoch muss der Kanzler bei der Regierungsbefragung im Bundestag den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Einen Tag später lässt die Union im Parlament ein weiteres Mal über Taurus-Lieferungen abstimmen. Manche Abgeordnete aus den Ampelparteien Grüne und FDP drohen offen damit, für den Antrag von CDU und CSU zu votieren. Also gegen den eigenen Kanzler.

    Pistorius hat am Montagabend nach einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags die Position des Kanzlers verteidigt, wonach der Ukraine keine Marschflugkörper geliefert werden. Auch einen Ringtausch lehnte er ab. “Wir glauben nicht, dass es einen wesentlichen Unterschied macht“, sagte der Verteidigungsminister. Er gab bekannt, dass sich auch Luftwaffenchef Ingo Gerhartz über eine nicht ausreichend sichere Verbindung in das von Russland abgehörte Gespräch zum Einsatz der Taurus-Rakete eingewählt habe. „Das war der Inspekteur der Luftwaffe“, berichtete Pistorius. Es habe aber keinen Datenabfluss bei ihm gegeben.

    Der Austausch unter den Top-Militärs ist in Singapur ausgespäht worden, von wo sich ein anderer Offizier über eine offene Verbindung in die Konferenz eingewählt hatte. Der Verteidigungsminister stärkte Gerhartz trotz des Fehlverhaltens den Rücken. „Ich bin nicht gewillt, Putin hier auf den Leim zu gehen und … meine besten Offiziere an die Luft zu setzen“.

    Abhörskandal bringt Kanzler in Erklärungsnot

    Eigentlich hätte die Union am Montag gern den Kanzler selbst befragt, doch der schickte seinen Verteidigungsminister. Aufgrund der Brisanz der Sache fand die zweistündige Sondersitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, ein Teil der Befragung fand sogar in geheimer Aussprache statt. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, kündigte im Anschluss daran an, den Bundeskanzler am Mittwoch im Parlament hart zu befragen. „Wir sind nicht zufrieden. Es war viel Rumgeeiere“, beklagte Hahn. Der Kanzler müsse den Widerspruch aufklären, warum es wegen der Lieferung der Marschflugkörper zu einer Kriegsbeteiligung Deutschlands komme, während die Offiziere in dem abgehörten Gespräch das Gegenteil festgestellt hätten. 

    Seit Monaten bittet Kiew die Bundesregierung immer flehentlicher um die deutschen Marschflugkörper, die bis zu 500 Kilometer entfernte Ziele mit hoher Präzision treffen können. Scholz weigert sich, denn er befürchtet, dass Deutschland durch einen Taurus-Einsatz in den Krieg hineingezogen werden könnte. Er argumentiert, dass für die Nutzung der Raketen deutsche Soldaten direkt vor Ort sein müssten. Aus dem abgehörten Gespräch geht jedoch hervor, dass der Inspekteur der Luftwaffe einen Einsatz auch ohne deutsche Soldaten für möglich hält – peinlich für den Kanzler.

    Teile seiner Regierungskoalition drängen unterdessen immer heftiger darauf, der im Abwehrkampf gegen die russische Invasion mit dem Rücken zur Wand stehenden Ukraine auch mit den Marschflugkörpern zu helfen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, kündigte an, am Donnerstag erneut für den Unionsantrag zu stimmen. Vor zwei Wochen war die FDP-Politikerin noch die Einzige, die aus der Koalitionsdisziplin ausscherte. Nun, so Partei-Vize Wolfgang Kubicki, könnten es mehr werden. Bis zu ein Dutzend Liberale hätten ihm zufolge schon letztes Mal lieber für den Antrag von CDU und CSU gestimmt. 

    Hofreiter und Röttgen vereint gegen Scholz

    Der Streit um die Marschflugkörper führt sogar zum ungewöhnlichen Schulterschluss zwischen CDU-Verteidigungspolitiker Norbert Röttgen und dem Grünen Toni Hofreiter. In einem gemeinsamen Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung werfen sie dem Bundeskanzler "katastrophalen Defätismus" und eine "dramatisch schlechte Kommunikation" vor. Scholz verbreite mit seinen Argumenten gegen eine Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine in der Bevölkerung Angst und Schrecken. Seine Behauptung, Taurus-Lieferungen machten Deutschland zur Kriegspartei, sei "faktisch und rechtlich falsch". Auch Hofreiter schloss nicht aus, mit der Union für Taurus-Lieferungen zu stimmen. Verteidigungsminister Pistorius kanzelte den Vorstoß der beiden Abgeordneten hingegen ab. „Ich lese das, staune über die Wortwahl“, meinte er.

    Großbritanniens Außenminister David Cameron hat einen Ringtausch angeboten, um Scholz' Bedenken zu zerstreuen. Die Briten würden den Ukrainern dabei eigene Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow überlassen, Deutschland deren Bestände mit den ähnlichen Taurus-Waffen auffüllen. "Das wäre eine Option", sagte die grüne Außenministerin Annalena Baerbock. Postwendend lehnte SPD-Chef Lars Klingbeil die Idee ab. Die Union hingegen mäkelt, Deutschland solle direkt liefern. 

    Taurus-Zerreißprobe für die Ampel

    Für die Ampel wird die Taurus-Frage so immer mehr zur Zerreißprobe. Dabei hofften SPD, Grüne und FDP noch vor gut zwei Wochen, einen Durchbruch erzielt zu haben. Sie beschlossen die Lieferung von "weitreichenden Waffensystemen", doch was das zu bedeuten hat, darüber gehen nun in der Regierungskoalition die Meinungen weit auseinander. Scholz bekräftigte seine Taurus-Absage mit einer Basta-Ansage: "Ich bin der Kanzler und deshalb gilt das."

    Doch FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber ist anderer Meinung: "Mit dem Koalitionsantrag hat der Bundestag zusätzliche, weitreichende Waffensysteme wie den Taurus gefordert und Großbritannien und Frankreich für die Lieferung von Marschflugkörpern gelobt." Das sei "wichtig und gut", da brauche es "jetzt nicht jede Woche eine Wiederholung". Gegenüber unserer Redaktion fordert Faber: "Der Kanzler muss jetzt liefern."

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