Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht mit dem Aus für die Ampel-Koalition vorerst kaum noch Chancen für sein Modell eines neuen Wehrdienstes. Voraussichtlich werde die Regierung das Gesetz «angesichts der jetzt doch deutlich kürzer gewordenen Legislaturperiode wohl nicht mehr umsetzen können», sagte der SPD-Politiker beim Wirtschaftsgipfel der «Süddeutschen Zeitung» in Berlin.
An der Notwendigkeit, zunächst mindestens die 2011 abgeschaffte Wehrerfassung wieder aufzunehmen, könne es aber keinen Zweifel geben. «Im Ernstfall wüssten wir morgen nicht, wen wir einziehen können, weil es keine Daten gibt, weil sich niemand darum gekümmert hat», sagte Pistorius. «Wenigstens das schnell auszubügeln, wäre Auftrag einer Wehrdienstnovelle, die wir auf den Weg gebracht haben, aber die eben vermutlich nicht mehr zum Tragen kommen wird.»
Pistorius: Auch schon Grundlagen für kommende Legislaturperiode legen
In der verbleibenden Zeit der Minderheitsregierung werde noch mit Hochdruck an einigen angeschobenen Projekten gearbeitet. «Und bei einigen Projekten können wir Grundlagen legen für die kommende Legislaturperiode. Egal, wer regiert», sagte er.
Am Morgen vor dem Scheitern der Ampel-Koalition am Mittwoch hatte das Bundeskabinett gesetzlichen Änderungen für die Einführung eines neuen Wehrdienstes in Deutschland zugestimmt. Pistorius beabsichtigt, wieder eine Wehrerfassung zu installieren und für junge Männer eine Auskunftspflicht über ihre Bereitschaft zum Wehrdienst einzuführen.
Unionspolitiker für «Verpflichtungsmodelle»
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul ist nach dem Ampel-Aus dagegen, das von Pistorius geplante Wehrdienstmodell noch aufs Gleis zu setzen. «CDU/CSU wollen eine echte Wehrpflicht und keinen unverbindlichen Fragebogen. Das hatte Verteidigungsminister Pistorius auch erkannt, konnte sich in seiner Partei aber schon nicht gegen den Kanzler durchsetzen», sagte Wadephul der Deutschen Presse-Agentur.
«Die Bedrohungslage durch Russland und die Personalnot der Bundeswehr machen Verpflichtungsmodelle nötig», sagte Wadephul. Deutschland sollte nach seinen Worten ähnlich wie in Skandinavien zunächst alle mustern und dann diejenigen heranziehen, die wehrdiensttauglich sind und ihre Bereitschaft signalisieren.
Wadephul: Schnelle Neuwahl macht auch vernünftigen Kompromiss möglich
So könne man Jahr für Jahr zu einer Steigerung der Wehrdienstleistenden kommen. Dies werde eine Kraftanstrengung für die Bundeswehr, was Personalerfassung und Ausbildungskapazitäten angeht.
«Das ist ein Grund mehr, gleich mit dem richtigen Modell zu beginnen. Je eher der Kanzler endlich den Weg für Neuwahlen frei macht, desto schneller kann ein vernünftiger Kompromiss gefunden werden, der für die Bundeswehr eine hinreichende Personalausstattung sichert», sagte Wadephul.
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