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USA: Bye-bye, Biden: Die letzten Tage als US-Präsident

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Bye-bye, Biden: Die letzten Tage als US-Präsident

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    Der scheidende US-Präsident Joe Biden während einer Veranstaltung im State Dining Room des Weißen Hauses – einer seiner letzten öffentlichen Termine.
    Der scheidende US-Präsident Joe Biden während einer Veranstaltung im State Dining Room des Weißen Hauses – einer seiner letzten öffentlichen Termine. Foto: Mark Schiefelbein, AP/dpa

    Fast 2000 Kilometer trennen die USA von dem mittelamerikanischen Kleinstaat Panama, der normalerweise nicht im Fokus der Washingtoner Politik steht. Zu Weihnachten aber meldeten sich gleich zwei US-Präsidenten in der Hauptstadt Panama City: Noch-Amtsinhaber Joe Biden rief bei den dort stationierten Angehörigen der Army an, um sich für deren Einsatz zu bedanken. Sein designierter Nachfolger Donald Trump drohte derweil, den Panamakanal unter US-Kontrolle zu bringen.

    Bidens Telefonat mit den Truppen – ein Ritual zum Festtag – fand in den Medien kaum Erwähnung. Die Tirade von Trump gegen Panama – bei der er im gleichen Atemzug Kanada, Mexiko und Grönland attackierte – schlug hingegen weltweit Wellen.

    Tatsächlich aber wirkt das Oval Office im Weißen Haus bereits verwaist

    So geht das seit acht Wochen. Offiziell ist Joe Biden noch bis zum 20. Januar Herr im Weißen Haus. Tatsächlich aber wirkt das Oval Office bereits verwaist. Die amerikanische Politik, so scheint es, wird seit der Wahl in Trumps protziger Residenz Mar-a-Lago in Florida gemacht. Der neue starke Mann verdeckt den Noch-Präsidenten komplett, der gleichzeitig in atemberaubender Geschwindigkeit zu schrumpfen scheint. Und mit ihm, so muss man das wohl sehen, schrumpfen das alte Amerika, seine Werte und Institutionen. An ihre Stelle rückt, nun zum zweiten Mal, eine Führung im Stile eines autoritären Firmenpatriarchen, der sich seine Gefolgschaft weitgehend außerhalb der politischen Elite gesucht hat, siehe X-Chef Elon Musk, um das alte System zu beerdigen.

    „Mit jedem Tag wirkt Biden ein bisschen älter und langsamer“, notierte kürzlich die New York Times. „Biden verschwindet von der Bildfläche“, beschrieb die Nachrichtenseite Politico das Phänomen. Das konservative Wall Street Journal titelte: „Biden wird von Trumps Schatten verschluckt“. Tatsächlich ist die sogenannte „Lame Duck“-Phase zwischen der Wahl Anfang November und der Vereidigung des neuen Präsidenten Ende Januar für jeden Amtsinhaber eine Herausforderung: Große politische Vorhaben sind in der kurzen Zeit – zumal bei einer absehbaren Veränderung der Mehrheitsverhältnisse auch im Kongress – kaum noch umzusetzen. Die Öffentlichkeit ist natürlich am Neuen interessiert. Aber so dramatisch wie im Moment war das Vakuum im Weißen Haus selten.

    Als Anfang Dezember in Paris die wiederaufgebaute Kathedrale Notre-Dame feierlich eingeweiht wurde, war Donald Trump der umworbene Überraschungsgast. Präsident Emmanuel Macron begrüßte ihn wie einen amtierenden Staatschef. Der ukrainische Amtskollege Wolodymyr Selenskyj traf ihn zu einem 30-minütigen Gespräch. Eine Woche zuvor war schon Kanadas Noch-Premierminister Justin Trudeau nach Mar-a-Lago gepilgert. Nach dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad gab Trump mit einem Tweet die Linie der amerikanischen Politik vor: „Das ist nicht unser Kampf!“ Kurz darauf zeigte er sich mit Stellvertreter J.D. Vance und seinem Sponsor Elon Musk beim traditionellen Football-Spiel einer Auswahl der US-Armee gegen die Marine.

    In dieser Woche hält Joe Biden die Trauerrede auf seinen verstorbenen Vorvorgänger Jimmy Carter

    Von Joe Biden war in der Zeit kaum etwas zu sehen. Für Schlagzeilen sorgte der Präsident vor allem, als er gleich zu Beginn des Monats entgegen früheren Versprechen seinen wegen Steuerhinterziehung und illegalem Waffenbesitz angeklagten Sohn Hunter begnadigte. Dabei hatte er über Monate hinweg beteuert, er werde nicht in die Justiz eingreifen und seinen Sohn keinesfalls begnadigen. Biden brachte der Schritt zum Schluss seiner Präsidentschaft viel Kritik ein – und den Vorwurf der Heuchelei. Kurz darauf brach er zu einer Auslandsreise nach Angola auf, bei der er mit den mitgereisten Journalisten ganze sechs Wörter wechselte. Für den Januar ist noch ein Trip nach Rom geplant, wo sich der gläubige Katholik mit dem Papst austauschen will. Der Termin mit der größten Öffentlichkeitswirkung aber dürfte in dieser Woche in der National Cathedral in Washington stattfinden: Da hält der 82-Jährige die Trauerrede auf seinen verstorbenen Vorvorgänger Jimmy Carter.

    Bidens Alter war von Anfang an ein Thema. Er zog als ältester US-Präsident aller Zeiten ins Weiße Haus ein. Peinliche Versprecher, Patzer, Aussetzer, Stolperer und Stürze nahmen über die Jahre kontinuierlich zu und bestimmten am Ende komplett die Berichterstattung über ihn. Dass es einer öffentlichen Rebellion seiner Partei bedurfte, um ihn zugunsten von Kamala Harris zum Ausstieg aus dem Wahlkampf um eine zweite Amtszeit zu zwingen, machte das Ganze zu einem unwürdigen Schauspiel.

    Ausgerechnet Vizepräsidentin und Wahl-Verliererin Kamala Harris verkündete am Montag die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahl.
    Ausgerechnet Vizepräsidentin und Wahl-Verliererin Kamala Harris verkündete am Montag die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahl. Foto: Matt Rourke, AP/dpa

    Bei öffentlichen Auftritten liest Biden nur vom Teleprompter ab. Interviews oder Pressekonferenzen hat er seit der Wahl nicht gegeben. Nach der Vereinbarung des Waffenstillstands von Israel mit der Hisbollah-Miliz im Libanon trat er kurzfristig im Rosengarten des Weißen Hauses vor die Kameras. „Heute habe ich gute Nachrichten aus dem Nahen Osten“, eröffnete er seinen Vortrag. Es schien, als genieße er den diplomatischen Erfolg nach monatelangen Demütigungen durch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Doch der ganze Auftritt dauerte keine zehn Minuten. Fragen waren nicht zugelassen.

    Viele Demokraten geben Biden hinter vorgehaltener Hand eine erhebliche Mitschuld an dem Wahldebakel

    Biden sei müde, manchmal verärgert und auch enttäuscht über die wenig schmeichelhaften Umstände seines Abgangs, wird in Washington kolportiert. Nach einem Bericht der Washington Post glaubt er tatsächlich noch immer, dass er Trump hätte schlagen können. Doch viele Demokraten geben hinter vorgehaltener Hand dem Mann, der trotz seiner Altersprobleme unbedingt noch einmal Präsident werden wollte, eine erhebliche Mitschuld an dem Wahldebakel. Die Trauer über sein Verschwinden hält sich in engen Grenzen. Umgekehrt hat Biden das Gefühl, seiner Partei nichts mehr zu schulden.

    Das mag erklären, weshalb der Präsident eine Auseinandersetzung mit seinem Nachfolger und dessen verstörenden Ankündigungen vermeidet. Bis zum 5. November hatte Biden leidenschaftlich vor Trump als einer „ernsten Gefahr für die Demokratie“ gewarnt. Kurz nach der Wahl empfing er ihn freundlich mit den Worten „Welcome back!“ im Weißen Haus und saß mit ihm grinsend vor einem knisternden Kamin. Nicht allen Demokraten gefällt diese Optik. „Wir sollten laut sein und uns gegen diese Nominierungen, die ein Desaster sind, zur Wehr setzen“, forderte etwa Jay Inslee, der demokratische Gouverneur des Bundesstaats Washington, mit Blicks auf Trumps künftiges Team.

    Doch Biden, so heißt es in seinem Umfeld, wolle mit der Organisation eines respektvollen Machtwechsels einen bewussten demokratischen Kontrast zu dem wilden Abgang von Trump vor vier Jahren setzen. Ob das den Republikaner, der bis heute den damaligen Wahlsieg von Biden bestreitet, oder seine Wähler irgendwie beeindruckt, steht auf einem anderen Blatt. „Joe Biden glaubt an Traditionen und Institutionen und dass es nur einen Präsidenten zu einer Zeit geben soll“, stichelt Ex-Obama Berater Jon Lovett im „Save America Podcast“: Es sei aber „eine überraschende Entscheidung“, dass er diese Rolle schon vorab Donald Trump überlasse.

    Der Mann, der Trump einst aus dem Amt vertrieb, ebnet ihm nun den Weg für die Rückkehr ins Oval Office. Es ist eine bittere historische Konstellation. Umso entschiedener scheint der scheidende Präsident in eigener Sache nun daran zu arbeiten, zu retten, was noch zu retten ist – sein politisches Vermächtnis. „Der Präsident hat einen scharfen Blick für die Geschichte und macht sich Sorgen über seinen Platz darin“, analysiert die Washington Post.

    Biden hat viel erreicht, vor allem wirtschaftlich – aber die Inflation hat er lange nicht ernst genommen

    Biden plagte eine Erkältung, als er Mitte Dezember ans Rednerpult der liberalen Denkfabrik Brookings in Washington trat. Aber den Auftritt vor dem verlässlich demokratisch gestimmten Publikum schien er sehr zu genießen. „Es ist großartig, wieder hier zu sein“, eröffnete er seine Rede, die für Bidens Verhältnisse rekordverdächtige 35 Minuten dauerte. Mit demonstrativem Stolz trug der Präsident eine Erfolgsbilanz seiner Wirtschaftspolitik vor. 

    „Der designierte Präsident Trump erbt die stärkste Wirtschaft in der modernen Geschichte, um die ihn die ganze Welt beneidet“, schrieb das Time-Magazin.
    „Der designierte Präsident Trump erbt die stärkste Wirtschaft in der modernen Geschichte, um die ihn die ganze Welt beneidet“, schrieb das Time-Magazin. Foto: Alex Brandon, AP/dpa

    Rund 16 Millionen neue Jobs, die niedrigste Arbeitslosenquote seit einem halben Jahrhundert, ein Rekordhoch am Aktienmarkt – auf einmal tat der Politiker, was er in den vergangenen vier Jahren sträflich vernachlässigt hatte: Er versuchte, die Erfolge seiner Arbeit zu verkaufen. Objektiv hat seine Regierung von den Corona-Hilfen über das Infrastrukturgesetz bis zu Milliarden-Investitionen im Klimaschutz eine Menge umgesetzt. Doch die Inflation, die viele Bürger bedrückt, hat sie zu lange nicht ernst genommen.

    „Der designierte Präsident Trump erbt die stärkste Wirtschaft in der modernen Geschichte, um die ihn die ganze Welt beneidet“, zitierte Biden am Ende das Time-Magazin. Die Frage, warum die Wahl trotzdem verloren ging, sparte er vorsichtshalber aus. Für einen kurzen Augenblick wirkte der 82-Jährige zufrieden mit sich und der Welt.

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