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US-Wahl 2024: Knappes Rennen um Präsidentschaft zwischen Harris und Trump

US-Wahl 2024

Das große Zittern vor einem knappen Wahlausgang

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    Anhänger von US-Präsident Donald Trump stürmten im Januar 2021 das US-Kapitolgebäude, in dem Abgeordnete den Sieg des gewählten Präsidenten Joe Biden bei der Wahl im November bestätigen sollten.
    Anhänger von US-Präsident Donald Trump stürmten im Januar 2021 das US-Kapitolgebäude, in dem Abgeordnete den Sieg des gewählten Präsidenten Joe Biden bei der Wahl im November bestätigen sollten. Foto: Bryan Smith, dpa

    Es ist eine Zitterpartie, wie sie selbst die an schwierige politische Großwetterlagen gewöhnte amerikanische Gesellschaft lange nicht erlebt hat: Gerade einmal drei, in manchen Umfragen sogar nur zwei Prozentpunkte liegen die beiden Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump drei Wochen vor der US-Wahl auseinander. In einzelnen Staaten sind es Kommastellen, die die beiden in der Wählergunst trennen. In der Welt der Demoskopie mit all ihren Unschärfen gleicht das einem Patt. Wie ungewöhnlich dieses Rennen ums Weiße Haus ist, hat der Datenanalyst des Fernsehsenders CNN, Harry Enten, ausgerechnet: Bei den vergangenen 15 Präsidentschaftswahlen seit 1964 hat bislang immer ein Kandidat mindestens drei Wochen lang mit mehr als fünf Punkten Vorsprung im nationalen Umfragedurchschnitt geführt. Diesmal ist das anders.

    In den Wahlkampfteams wächst die Nervosität, vor allem Wechselwähler und zweifelnde Stammwähler müssen mobilisiert werden. Denn wenn am 5. November der Nachfolger von US-Präsident Joe Biden gewählt wird, könnten wenige Stimmen über Sieg und Niederlage entscheiden. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Oder: Ein „Albtraumrezept für Chaos“, wie die amerikanische Nachrichtenseite Axios die angespannte Lage nennt. Und das nicht nur, weil den USA eine Phase der Unsicherheit drohen könnte. Vor allem die Erfahrungen vom 6. Januar 2021 sind es, die der amerikanischen Politik noch in den Knochen sitzen.

    Wiederholt sich der Sturm aufs Kapitol?

    „Der einzige Weg, wie sie uns schlagen können, ist, zu betrügen“, tönte Trump schon bei einer Kundgebung im Juni in Las Vegas. Der Ex-Präsident sät bis heute Zweifel am rechtmäßigen Ausgang der Präsidentschaftswahlen 2020. Damals hatte eine Menschenmenge schließlich das Kapitol gestürmt, um den Machtwechsel von den Republikanern an die Demokraten zu verhindern. Die Sorge ist: Je knapper das Ergebnis, umso angreifbarer könnte es für Zweifel und Zweifler sein.

    „Ich glaube trotzdem nicht, dass es zu Ausschreitungen kommen wird, wie wir sie am 6. Januar 2021 in Washington erlebt haben“, sagt Julian Müller-Kaler. Der Deutsche ist Leiter des Programms für Strategische Vorausschau beim Stimson Center, einem unabhängigen Thinktank in Washington. Gegen Krawalle würden schon die politischen Voraussetzungen sprechen: Die Nationalgarde untersteht der Regierung, die Wahrscheinlichkeit, dass der dann noch amtierende US-Präsident Joe Biden die Kräfte sofort aktiviert, ist groß – anders als vor vier Jahren, als Trump den Mob erst einmal gewähren ließ. „Die Regierung wird Vorkehrungen treffen“, sagt Müller-Kaler. „Trotzdem bereitet man sich auf eine Situation vor, die alles andere als normal sein könnte.“

    Julian Müller-Kaler ist Experte am Stimson Center in Washington.
    Julian Müller-Kaler ist Experte am Stimson Center in Washington. Foto: Davslens

    Die Schlacht, die dieses Mal toben könnte, dürfte weniger mit Waffen und wütenden Wählern geführt werden, sondern vor allem mit juristischen Mitteln. Ganze Heerscharen an Anwälten bereiten sich auf den Tag nach der Abstimmung vor oder haben das Feuer bereits eröffnet. Mehr als 100 Klagen gegen Details des Wahlprozesses haben die Republikaner angestoßen. In Washington wird längst gewitzelt, dass diese Wahl den Kanzleien das Geschäft ihres Lebens bescheren werde. Und die Juristen werden ganz genau hinschauen. „Auf manchen Stimmzettel ist es nur erlaubt, mit einem schwarzen Stift sein Kreuz zu machen – schon, wenn jemand einen blauen Stift benutzt, wird versucht werden, das anzufechten“, sagt Müller-Kaler. Die Republikaner wollen mehr als 175.000 Freiwillige einsetzen, um die Wahlen zu beobachten, auch die Demokraten rüsten sich entsprechend. In den Kampagnen der Parteien werden massive finanzielle Mittel für das bereitgehalten, was Trump „Wahlintegrität“ nennt.

    Trump streut Zweifel an der Briefwahl

    Das Schreckensszenario derer, die auf eine ruhige Wahl hoffen, ist vor allem ein Phänomen namens „red mirage“, übersetzt: rote Illusion. Demnach könnten die Republikaner – deren Parteifarbe Rot ist – in der Wahlnacht zunächst bei der Auszählung der Stimmen führen, ehe die Briefwahlstimmen das Ergebnis zugunsten der Demokraten verschieben. In der Zwischenzeit, so die Sorge, könnte sich Trump längst zum Sieger erklärt haben und einen Auszählstopp fordern. „Das würde Verschwörungstheorien Tür und Tor öffnen“, sagt Müller-Kaler. „Trump wird behaupten, dass auf scheinbar mysteriöse Weise Stimmen aufgetaucht sind.“

    Schon 2020 versuchte der republikanische Kandidat Zweifel in diese Richtung zu streuen. Immer wieder erhebt er den Vorwurf, dass die Briefwahl anfällig sei für Betrug – Beweise gibt es hierfür allerdings nicht. „Ein Argument, das immer wieder angeführt wird, ist, dass die Amerikaner keinen Personalausweis haben, die Menschen registrieren sich also mit ihrem Führerschein oder mit ihren College-Ausweisen“, sagt Stimson-Experte Müller-Kaler. Je nach Bundesstaat sei das Prozedere, wie diese Dokumente überprüft werden, unterschiedlich. „Aber dass bei einer Wahl großflächig Betrug stattfindet, das war weder bei den vergangenen Wahlen der Fall, noch wird das meiner Ansicht nach diesmal so sein“, sagt der Experte. Einzelne Fehler oder gar Betrugsversuche kämen vor, hätten aber kaum ein Ausmaß, das das Wahlergebnis beeinflussen könnte – und vor allem: Sie kommen in beiden politischen Lagern vor.

    Was die Kandidaten mit besonders harten Bandagen kämpfen lässt, ist nicht nur das Streben ums Weiße Haus. Für Harris mag die politische Karriere auf dem Spiel stehen, für Trump womöglich sogar seine Freiheit. Sollte er verlieren, verliert er auch seine Immunität, eine ganze Reihe von Prozessen wartet auf den 78-Jährigen. „Trump könnte im Gefängnis landen“, sagt Müller-Kaler. Für ihn kommt es auf jeden Wähler an – das zeigt auch ein Blick zurück ins Jahr 2000. Damals gewann George W. Bush mit gerade einmal 537 Stimmen Vorsprung gegen Al Gore. Entscheidend war damals das Ergebnis im Swing State Florida. Dieses Mal könnten die Bundesstaaten Pennsylvania und Michigan über Sieg und Niederlage entscheiden. „Wenn Harris einen der beiden Staaten verliert, wird es für sie sehr schwierig, die Präsidentschaftswahl für sich zu entscheiden“, prognostiziert Julian Müller-Kaler. 

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