Aller guten Dinge sind vier für Viktor Orban. Der ungarische Ministerpräsident hat laut vorläufigen amtlichen Ergebnissen mit seiner rechtsnationalen Fidesz-Partei zum vierten Mal in Folge die Parlamentswahl in Ungarn gewonnen. Orban, der seit 2010 amtiert, kann demnach für vier weitere Jahre mit großer Mehrheit regieren. Nach Auszählung von gut zwei Dritteln der Wahlbezirke erreichte der Fidesz 54,8 Prozent der Zweitstimmen. Die Vereinte Opposition kam auf 33,4 Prozent. Prognosen auf Basis von Nachwahlbefragungen hatten der Orban-Partei 49 und der Opposition 41 Prozent signalisiert. Hinzu kommt, dass in Ungarn mehr als die Hälfte der Parlamentssitze an Kandidaten in den Wahlkreisen vergeben werden. Bei diesen Direktmandaten sahen die Projektionen den Fidesz klar vorn.
Nicht sicher war am Abend, ob Orbán seine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit behaupten konnte. Fidesz-Sprecher Gergely Gulyas zeigte sich in einer ersten Reaktion dennoch „vollauf zufrieden“. Herausforderer Peter Marki-Zay hatte bei der Stimmabgabe am Sonntagmittag noch gemahnt: „Jedes einzelne Kreuz zählt.“ Eine Stimme können einen Wahlkreis entscheiden „und ein Wahlkreis über den Sieg“, erklärte der parteilose 49-Jährige. Aber zu dem von Marki-Zay erhofften Kopf-an-Kopf-Rennen kam es nicht.
Dabei hatte sich der liberalkonservative Bürgermeister einer südungarischen Provinzstadt deutlich mehr ausgerechnet. Denn erstmals seit Orbáns Regierungsübernahme vor zwölf Jahren trat die lange zerstrittene Opposition in einem breiten Bündnis vereint an. Sechs Parteien, die ein Spektrum von weit links bis rechts außen abdecken, einigten sich auf ein Ziel: Orbán ablösen. „Fidesz oder nicht Fidesz“, lautete die zentrale Botschaft im Wahlkampf, die aber kein eigenes Angebot vermittelte. Dieser Ansatz überzeugte die Menschen im Land offenbar nicht.
Orbán änderte im Wahlkampf nach Beginn des Ukraine-Kriegs seine Strategie
Dem Amtsinhaber war seine Genugtuung schon bei seinen letzten Auftritten vor der Wahl deutlich anzumerken. „Ungarn hat eine klare, unverwechselbare Stimme in Europa und auf der internationalen Bühne, und dabei wird es bleiben“, erklärte er. In seiner Kampagne präsentierte sich der 58-Jährige als treusorgender Landesvater, der Ungarn mit Ruhe und Standfestigkeit durch eine Zeit existenzieller Krisen steuert. Schließlich tobt im Nachbarland Ukraine seit dem russischen Einmarsch Ende Februar ein Krieg, in den auch die Nato und damit Ungarn hineingezogen zu werden droht. Orbán reagierte, indem er sich zwar nicht neutral, aber betont unabhängig positionierte.
„Wir müssen uns da heraushalten“, betonte der Premier bei der Stimmabgabe am Sonntag. In den Wochen zuvor hatte seine Regierung den Transport westlicher Waffenlieferungen durch Ungarn in die Ukraine untersagt und angekündigt, sich einem möglichen Boykott russischer Rohstoffe in der EU nicht anzuschließen. Der Grund dafür war jedoch weniger die Sorge um eine weitere Eskalation. Vielmehr pflegt Orbán seit vielen Jahren enge Beziehungen zu Kremlchef Wladimir Putin. Eine Folge: Ungarn ist zu rund 80 Prozent von russischen Energielieferungen abhängig. Zugleich schaffen die Sonderbeziehungen zu Moskau ein Gegengewicht zum Druck der EU. Denn in Brüssel will man die Angriffe auf den Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Ungarn nicht länger dulden. Orbán selbst spricht von einer „illiberalen Demokratie“.
Marki-Zay wollte als junger und anständiger "Orbán 2.0" punkten
Dazu zählt auch, dass der Fidesz fast alle Medien im Land auf Linie gebracht hat. An den Schalthebeln von Wirtschaft und Justiz, Wissenschaft und Kultur sitzen treue Gefolgsleute des Regierungschefs. Diese Gemengelage hatte schon bei den Wahlen 2014 und 2018 dazu geführt, dass internationale Beobachter die Abstimmungen als „frei, aber nicht fair“ einstuften. Ein ähnliches Urteil erwarteten Fachleute auch für den Urnengang am Sonntag. Der autoritäre Staatsumbau in Ungarn war auch der wichtigste Hebel, mit dem die Vereinte Opposition Orbán zu Fall bringen wollte. Spitzenkandidat Marki-Zay machte im Wahlkampf vor allem gegen den „Fidesz-Mafiastaat“ mobil. Doch die Eskalationsstrategie ging nicht auf.