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Ungarn: Paukenschlag in der EU: Kommission geht wegen Rechtsstaatsverstößen gegen Ungarn vor

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Paukenschlag in der EU: Kommission geht wegen Rechtsstaatsverstößen gegen Ungarn vor

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    Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
    Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Foto: Etienne Ansotte, European Commission/dpa (Archivbild)

    Auch auf großer Bühne an Tag zwei nach seiner Wiederwahl war kein Wort des Glückwunsches von Ursula von der Leyen an Viktor Orbán zu vernehmen. Stattdessen machte die EU-Kommissionschefin die maximale Kampfansage an den alten und neuen Regierungschef Ungarns. Während dieser noch am Sonntag frohlockte, sein Sieg könne man „ganz bestimmt von Brüssel aus sehen“, kündigte die Deutsche am Dienstag im Straßburger EU-Parlament an, man werde den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus einleiten.

    Ein Paukenschlag auf europäischer Ebene, historisch noch dazu. „Bei Ungarn lautet das Problem Korruption“, begründete von der Leyen. Man sei im Moment nicht in der Lage, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Ungarn ist das erste Land, das sich wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit dem Verfahren stellen muss. Das seit Anfang 2021 im EU-Haushalt verankerte Instrument erlaubt es der Brüsseler Behörde, einem Land Fördermittel zu kürzen oder zu streichen, wenn die Gefahr besteht, die Gelder könnten missbräuchlich verwendet werden. Viele Milliarden Euro stehen für Budapest auf dem Spiel.

    Polen und Ungarn klagten gegen den EU-Rechtsstaatsmechanismus

    Der Titel der Fragerunde im EU-Parlament erinnerte an das politische Aushängeschild der BBC. Während es bei der Talkshow „Question Time“ jedoch sorgfältig ausgesuchte Briten sind, die Politiker ausquetschen und in die Enge treiben, ging es bei von der Leyens „Question Time“ weit weniger hitzig zu, auch wenn insbesondere beim Umgang der Brüsseler Behörde mit den nationalkonservativen Spitzen in Budapest und Warschau viel Frustration unter den Europaabgeordneten herrscht. Sie fordern seit langem, das wirksame Werkzeug einzusetzen, mit dem Regierungen sanktioniert werden können, die den Rechtsstaat im eigenen Land aushöhlen. Einen härteren Kurs verlangen die Parlamentarier denn auch gegenüber Polen. Hier scheint von der Leyen weiter auf Dialog setzen zu wollen. Beide Länder hatten vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Einführung des Mechanismus geklagt. Erfolglos.

    Immerhin, von der Leyen erntete mit ihrer Ankündigung, den ersten Schritt im Verfahren gegen Budapest einzuleiten, Applaus im Parlament, was traditionell dann doch eher selten vorkommt. Die Aktivierung sei „eine gute Nachricht für die Demokratie in Europa und ein Meilenstein im europäischen Integrationsprozess“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner. So würde klargestellt: „Die EU ist eine Wertegemeinschaft, die nicht länger bereit ist, korrupte illiberale Tendenzen in den eigenen Reihen hinzunehmen.“ Trotzdem habe der späte Zeitpunkt „einen faden Beigeschmack“. Der Grünen-Parlamentarier Daniel Freund nannte es „einen strategischen Fehler“, den Mechanismus nicht lange vor den ungarischen Wahlen auszulösen. „Die Untätigkeit der Europäischen Kommission zeigt, dass Möchtegern-Autokraten dem Beispiel Viktor Orbans folgen und die Regeln der Demokratie beugen können, während sie EU-Gelder zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.“

    EU-Parlament drängt Kommission schon länger, den Rechtsstaatsmechanismus auszulösen

    Durch Orbáns Sieg fühlen sich etliche EU-Parlamentarier in ihren Befürchtungen bestätigt. Ihr Vorwurf an von der Leyen: Durch deren zögerliches Verhalten habe sie dem rechtskonservativen Regierungschef noch einmal vier Jahre geschenkt, die ungarische Demokratie weiter zu demolieren. Ende vergangenen Jahres reichte das Parlament sogar beim Europäischen Gerichtshof eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission ein. Würde von der Leyen die Abgeordneten in ihrem aufgestauten Ärger etwas beschwichtigen können? Die nächste Auseinandersetzung dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

    Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban dankt jubelnden Anhängern während einer Wahlparty in Budapest. Er gewann die Wahl am Sonntag deutlich.
    Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban dankt jubelnden Anhängern während einer Wahlparty in Budapest. Er gewann die Wahl am Sonntag deutlich. Foto: Petr David Josek, AP/dpa

    Denn hinter den Kulissen wird damit gerechnet, dass die Kommissionschefin bei ihrem Besuch in Warschau am Wochenende die erste Tranche der bislang zurückgehaltenen Corona-Wiederaufbauhilfen freigeben wird. Bis dato hat die Behörde Polen wie auch Ungarn die Gelder verwehrt. Einige Vertreter in Brüssel meinen, angesichts der rund 2,5 Millionen ukrainischen Flüchtlingen, die bislang in Polen Schutz gefunden haben, sei nun nicht der richtige Zeitpunkt, finanzielle Unterstützung zurückzuhalten – obwohl die nationalkonservative Regierung weiter versucht, ihre Kontrolle über die Justiz auszubauen.

    EU geht gegen Ungarn vor - doch was ist mit Polen?

    Von der Leyen müsse bei ihrem Besuch in Polen „einen politischen Spagat“ hinbekommen, so Körner: Hilfe bei der Versorgung der Vertriebenen zusichern und gleichzeitig harte Kante beim Schutz des Rechtsstaates zeigen. „Der Rechtsstaat in der EU brennt und dieses Feuer wird nicht verschwinden, weil nun ein noch größeres Feuer Europa heimsucht“, sagte er mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD), gehört ebenfalls zu den Kritikern von der Leyens.

    Die Kommission und Orbáns langjährige konservative Freunde hätten den Ungarn „hofiert“. Manfred Weber (CSU), Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, forderte von der Kommission, dass sie die Grundprinzipien wie die Unabhängigkeit der Justiz oder die Pressefreiheit „entschieden und kompromisslos schützt“. Sie seien „eine unabdingbare Voraussetzung“ für das Funktionieren der Union. „Das ist kein parteipolitischer Kampf oder ein Konflikt zwischen Ost und West“, so Weber gegenüber unserer Zeitung. „Wir erwarten, dass die Europäische Kommission das Gesetz unabhängig von der Größe des Landes oder der politischen Situation vor Ort anwendet.“

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