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Studie : Deutsche „Kriegstüchtigkeit“ noch in weiter Ferne

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Deutsche „Kriegstüchtigkeit“ noch in weiter Ferne

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    Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Indienststellung des Luftverteidigungssystems der Kaserne Todendorf in Schleswig-Holstein. Im Juni 2024 schreckte der SPD-Politiker mit seiner Forderung, dass Deutschland „Kriegstüchtig“ werden müsse, Teile der Gesellschaft auf.
    Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Indienststellung des Luftverteidigungssystems der Kaserne Todendorf in Schleswig-Holstein. Im Juni 2024 schreckte der SPD-Politiker mit seiner Forderung, dass Deutschland „Kriegstüchtig“ werden müsse, Teile der Gesellschaft auf. Foto: Christian Charisius, dpa

    Ein Satz des deutschen Verteidigungsministers im Juni 2024 sorgte nicht nur für Aufsehen, sondern gar für Verstörung und empörte Reaktionen: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“, sagte Boris Pistorius. Das Wort „Krieg“ an einer Stelle, an der sonst meist von der ungleich ziviler klingenden „Verteidigungsfähigkeit“ die Rede ist, löste einen Abwehrreflex aus, den der SPD-Politiker möglicherweise unterschätzt hat. Unter den Tisch fiel dabei, dass Pistorius nicht das Ziel Kriegstüchtigkeit ausruft, um offensiv losschlagen zu können. „Wir müssen Abschreckung leisten, um zu verhindern, dass es zum Äußersten kommt“, erklärte er sein Konzept.

    Doch glaubt man einer aktuellen Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), sind die deutschen Streitkräfte weit davon entfernt, gegen eine militärische Bedrohung von außen gewappnet zu sein. Und es kommt noch schlimmer. Der Hauptautor der groß angelegten Analyse, Guntram Wolff, sieht kaum Besserung am Horizont: „Russland erwächst zu einer immer größeren Sicherheitsbedrohung für die Nato. Gleichzeitig kommen wir mit der für die Abschreckung nötigen Aufrüstung nur sehr langsam voran.“

    Eine Zeitenwende auszurufen reicht alleine nicht aus

    Die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Beginn des russischen Großangriffs auf die Ukraine Ende Februar 2022 ausgerufene Zeitenwende mag ein Umdenken und eine neue Sensibilität ausgelöst haben, wenn es um militärische Fähigkeiten geht. Dass dies allein aber nicht ausreicht, zeigt der IfW-Report, der minutiös und fast schon detailversessen auf alle Waffengattungen der Bundeswehr blickt.

    Die Bilanz, die der IfW-Präsident Moritz Schularick zieht, ist alarmierend: „Die Zeitenwende ist bislang nur eine Worthülse. Frieden gibt es dann, wenn das Regime in Moskau versteht, dass es einen Angriffskrieg in Europa militärisch nicht gewinnen kann. Dafür brauchen Deutschland und Europa glaubhafte militärische Fähigkeiten. Deutschland muss dafür ein angemessenes Verteidigungsbudget von mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung haben.“

    Russland baut seine Rüstungskapazität rasant aus

    Das Tempo der Reorganisation und Aufrüstung der Truppe müsste sich nach Überzeugung der Kieler Wissenschaftler deutlich erhöhen. „Um Militärbestände von vor 20 Jahren zu erreichen, bräuchte Deutschland beim aktuellen Beschaffungstempo bis zu knapp 100 Jahre“, heißt es mit Verweis auf die „drastische Abrüstung in den letzten Jahrzehnten“. Dem stünden massiv anwachsende russische Rüstungskapazitäten auch bei modernen Waffensystemen gegenüber. Dort gelinge es, die gesamte Menge der deutschen Waffenbestände in nur gut einem halben Jahr zu produzieren. Besonders beunruhigend seien in diesem Zusammenhang die „wesentlichen Fortschritte“, die Russland nach Einschätzung der Experten bei der Entwicklung hochtechnologischer Kampfsysteme wie Drohnen und Hyperschallraketen macht.

    Aktuell schaffe es die Ampel-Koalition nur mit Mühe, wenigstens die Waffen zu ersetzen, die der Ukraine zur Unterstützung ihres Verteidigungskampfes geliefert werden. Bei den für die Verteidigungsbereitschaft Deutschlands essenziellen Luftverteidigungssystemen sei der Bestand gar rückläufig.

    Europäische Rüstungsprojekte vorantreiben

    Um erfolgreich gegenzusteuern, fordern die Autoren der Studie eine effektivere Beschaffung, die Senkung der Stückpreise bei Rüstungsgütern durch höhere Stückzahlen, die durch gemeinsame europäische Rüstungsprojekte und eine Stärkung des europäischen Verteidigungsmarktes erreicht werden könnten. Zudem sollten die deutschen Rüstungsunternehmen zu einem entschlossenen Ausbau ihrer Kapazitäten durch eine klare und verlässliche Planung und Finanzierung von Rüstungsvorhaben ermuntert werden.

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