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"Sorgfalt vor Schnelligkeit": GroKo-Parteien vor schwierigem Endspurt

"Sorgfalt vor Schnelligkeit"

GroKo-Parteien vor schwierigem Endspurt

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    SPD-Chef Martin Schulz (l-r), Horst Seehofer, Vorsitzender der CSU, und Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel kommen zur Hauptverhandlungsrunde der Koalitionsverhandlungen im Willy-Brandt-Haus.
    SPD-Chef Martin Schulz (l-r), Horst Seehofer, Vorsitzender der CSU, und Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel kommen zur Hauptverhandlungsrunde der Koalitionsverhandlungen im Willy-Brandt-Haus. Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)

    Viele Einigungen, aber auch neue Konflikte: Die Chefs von CDU, SPD und CSU rechnen mit harten Verhandlungen auf der Zielgeraden zu einer neuen großen Koalition.

    Es gebe noch "eine ganze Reihe sehr ernster Dissenspunkte", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Start in die entscheidenden Marathonverhandlungen. "Wir sind guten Willens, sie zu überwinden." Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung eines Maximalwerts für die Zuwanderungszahlen stellten die möglichen Partner vor neue Probleme.

    In der Berliner SPD-Zentrale kam erstmals die große Runde von mehr als 90 Unterhändlern von Union und SPD zusammen. Geplant war, dass die 18 thematischen Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse jeweils 20 Minuten lang vortragen. SPD-Chef Martin Schulz mahnte zum Start, nun müsse "Sorgfalt vor Schnelligkeit" gehen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte, es gebe bisher keinen Grund davon auszugehen, dass die Verhandlungen länger als bis einschließlich Sonntag dauerten. Verhandlungskreise erwarten aber eine Verlängerung. Montag und Dienstag sind als mögliche Puffertage festgelegt.

    Als entscheidende Knackpunkte nennen die GroKo-Unterhändler übereinstimmend die Abschaffung der "Zwei-Klassen-Medizin" und von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen. Beides fordert die SPD. In diesen Punkten werde man in den kommenden Tagen noch "hart" verhandeln, kündigte Schulz an. SPD-Vize Manuela Schwesig betonte: "Da muss die Union sich bewegen." Am Ende der Verhandlungen stimmen die SPD-Mitglieder über einen Koalitionsvertrag ab.

    Die Sozialdemokraten verlangen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur außerdem eine Änderung an dem von allen Seiten gebilligten Sondierungspapier im Bereich Migration. Dort hieß es bisher, man stelle fest, dass die Zuwanderungszahlen "die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden". Die SPD will nun die Formulierung einfügen, man stelle fest, "dass beim jetzigen Kenntnisstand zu erwarten ist, dass die Zuwanderungszahlen (...) für die nächsten Jahre bei jährlich insgesamt ca. 180 000 bis 220 000 liegen werden".

    In anderen Bereichen sind sich die Fachgruppen dagegen weitgehend einig. Nach milliardenschweren Verständigungen bei Bildung und Rente kamen die Unterhändler auch in der Wirtschafts-, Gesundheits-, Verkehrs- und Innenpolitik voran.

    Historisch schlechte Umfragewerte für die Sozialdemokraten überschatten den Endspurt des Verhandlungsmarathons. In Umfragen rutschte die SPD auf ein Rekordtief von 18 und 19 Prozent ab - nach 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl im vergangenen September. "Wir schauen gerade nicht auf Umfragewerte, sondern darauf, dass wir hier zu guten Inhalten kommen", sagte Schwesig.

    In der SPD fürchten viele einen beschleunigten Absturz, wenn die Partei zum dritten Mal seit 2005 in eine große Koalition gehen und Merkel zur Kanzlerin wählen sollte. Anders als der SPD schadet der Union dem "Deutschlandtrend" zufolge die schwierige Regierungsbildung bisher kaum. Sie kommt wie Anfang Januar auf 33 Prozent. Im ZDF-"Politbarometer" liegt die Union bei 31 Prozent, zwei Punkte weniger als Mitte Januar.

    Im Kampf gegen schmutzige Diesel-Abgase ziehen die GroKo-Parteien nun ausdrücklich technische Nachbesserungen an älteren Motoren in Betracht - aber nur unter Vorbehalt, dass diese technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar sein müssten. Ein Experten-Gutachten dazu steht noch aus. Parallel wollen Union und SPD den schleppenden Ausbau der Elektromobilität beschleunigen und in eine flächendeckende Lade- und Tankinfrastruktur für Elektroautos investieren.

    Deutlich ausbauen wollen Union und SPD den Bahnverkehr. Mit einem "Schienenpakt" von Politik und Wirtschaft sollten bis 2030 doppelt so viele Bahnkunden gewonnen und mehr Güter in Zügen transportiert werden.

    In der Gesundheitspolitik einigten die Koalitionäre sich auf mehr Geld für Kliniken, mehr Landärzte und eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassen bereits ab 2019 - der Anteil von Arbeitnehmern und Arbeitgebern soll also wieder gleich sein.

    Um die Justiz zu stärken, wollen Union und SPD 6000 neue Stellen erreichen. Geplant sei dazu ein "Pakt für den Rechtsstaat auf Ebene der Regierungschefs von Bund und Ländern", heißt es in einem Entwurf für das Kapitel zum Bereich Innen und Recht im Koalitionsvertrag. Angepeilt sind demnach 2000 Stellen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften, 2000 im "nachgeordneten Bereich" und 2000 im Strafvollzug. Bei der Polizei sollen 15 000 zusätzliche Stellen entstehen: jeweils 7500 im Bund und 7500 in den Ländern.

    In der Nacht zu Freitag hatten sich die Unterhändler bereits auf ein Bildungs-, Digital- und Forschungspaket mit einem Volumen von insgesamt elf Milliarden Euro geeinigt. Union und SPD sprechen von einer der größten Bildungsoffensiven aller Zeiten. Sie wollen unter anderem das Grundgesetz ändern, damit der Bund sich stärker am Ausbau von Ganztagsschulen und einem Digitalpakt für die Schulen beteiligen kann. Zuvor war ein milliardenschweres Rentenpaket verabredet worden.

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