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Sigmar Gabriel rechnet mit der Ampel-Koalition ab

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Gabriel rechnet mit der Ampel ab

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    Sigmar Gabriel hat eine Menge erlebt als Politiker, aktuell bleibt ihm aber auch nur Staunen.
    Sigmar Gabriel hat eine Menge erlebt als Politiker, aktuell bleibt ihm aber auch nur Staunen. Foto: Rolf Poss, imago

    Nach der FDP hadert jetzt auch die SPD offen mit der Ampel. „Angesichts der jüngsten Entwicklungen müsste man eigentlich sagen: hört auf oder besinnt euch!“, betonte der frühere Parteichef Sigmar Gabriel gegenüber unserer Redaktion. Minister wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) oder Finanzminister Christian Lindner (FDP) hätten offenbar nur noch Wahlkampf im Kopf und nutzten ihre Ministerien, um ihnen dafür die Vorlagen zu erarbeiten. Dies sei ein „Missbrauch von Personal und öffentlichen Mitteln“, kritisierte Gabriel.

    Außerdem würden so nur Luftblasen produziert, die kurz danach am Widerstand des jeweils anderen Koalitionspartners zerplatzten. „Was da der Öffentlichkeit als Koalition verkauft werden soll, wird zu einem zunehmend gefährlichen Prozess, der nur Politikzorn und damit Extremismus befördert“, warnte Gabriel.

    Sigmar Gabriel sieht in Migration und Wirtschaft die wichtigsten Themen für die Regierung

    Der 65-jährige, unter Angela Merkel zeitweise selbst Wirtschaftsminister, sieht neben den Problemen mit der Migration die lahmende Wirtschaft als das alles entscheidende Thema für die Koalition. „Wir müssen unser Unternehmen endlich von den vielen wirklich unerträglichen bürokratischen Fesseln befreien“, verlangte er. „Ob diese Regierung dafür noch die Kurve kriegt? Ich weiß es nicht.“

    Früher seien Regierungen sogar in der Lage gewesen, selbst in einem beginnenden Bundestagswahlkampf noch gemeinsam mit der Opposition große Aufgaben anzupacken - etwa beim Asylkompromiss 1993. „Heute scheinen das nicht mal mehr die Koalitionspartner zu schaffen.“ Wenn sich das nicht sofort ändere, so Gabriel weiter, „macht sich die Ampel mitschuldig an dem wachsenden Zynismus gegenüber der Politik und am Erstarken der Extreme.“ Dabei habe sie eigentlich das Gegenteil vorgehabt.

    Umstritten ist in der Koalition vor allem die Wirtschaftspolitik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine industriepolitische Offensive angekündigt und für Dienstag Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden zu einem Industriegipfel ins Kanzleramt eingeladen. Habeck und Lindner sind zu dem Treffen nicht eingeladen.

    Die FDP-Fraktion will sich am Dienstag ihrerseits mit Wirtschaftsvertretern treffen - am Morgen, noch vor dem Gipfel des Kanzlers. Die Liberalen pochen trotz hoher Steuerausfälle auf Haushaltsdisziplin und wollen die Schuldenbremse nicht lockern. Habeck dagegen hat einen schuldenfinanzierten „Deutschlandfonds“ vorgeschlagen, mit dem Investitionen gefördert werden sollen. Der Streit um den Haushalt, der bis Mitte November beigelegt sein muss, gilt als mögliche Bruchstelle für die Koalition.

    Saskia Esken will Abkehr von strengen Schuldenregeln

    SPD-Chefin Saskia Esken argumentierte am Wochenende ähnlich wie Habeck: Sie fordert massive Investitionen und eine Abkehr von den strengen Schuldenregeln, um die Wirtschaft aus der Krise zu holen. „Jetzt ist nicht die Zeit zu sparen, jetzt muss investiert werden,“ sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In den kommenden Jahren müsse der Staat mindestens 400 bis 600 Milliarden Euro zusätzlich investieren.

    Der Kanzlerkandidat der Union, CDU-Chef Friedrich Merz, nannte die Treffen am Dienstag „Schauveranstaltungen der drei Koalitionsparteien, die sich untereinander nichts mehr zu sagen haben, die dafür aber umso heftiger gegeneinander um die jeweilige Ausgangsposition für die nächste Bundestagswahl ringen.“ Um etwas zugunsten der Wirtschaft zu ändern, brauche es keinen „Industriegipfel“. „Das könnte die Koalition mit ihrer Mehrheit im Deutschen Bundestag ganz allein sofort entscheiden.“

    Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rief die Ampel-Koalitionäre auf, ihre internen Streitereien beizulegen. „Unser Job ist, Probleme zu lösen, und nicht Fingerhakeln“, sagte Heil zum Abschluss der deutsch-indischen Regierungskonsultationen in Indien. „Wir sind nicht dazu da, jetzt bis zur Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres uns nur zu unterhalten.“ Scholz selbst antwortete am Rande des Indien-Besuches auf die Frage, ob die Koalition noch gemeinsam Weihnachten feiern werde, nur: „Weihnachten wird immer gefeiert.“

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    1 Kommentar
    Maria Reichenauer

    Also wenn ich höre, wie Gabriel heute auftrumpft, da frage ich mich schon, ob er tatsächlich so ein Superminister war oder nur davon profitierte, dass die Umwelt- und Klimapolitik vernachlässigt wurde, dass billiges Gas statt erneuerbarer Energien gepowert wurde etc. Er genehmigte die Abgabe des Gasspeichers Rehden an Gazprom, er sprach sich gegen eine nationale Gasreserve aus, die Rüstungsexporte erreichten Höchststand. Er wanzte sich als Minister sofort nach dem damals ausgehandelten Atomabkommen an den Schurkenstaat Iran an, schwächte das EEG entscheidend ab usw. Heute verkauft er sich gut, auch durch seine früheren Regierungskontakte und spielt sich als Elder Statesman auf. Aber wenn man auf seine Ministertätigkeiten zurückschaut – muss man ihn auf einen Sockel heben? Ich denke nicht.

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