Olaf Scholz hat es nicht leicht. Wenn der Kanzler zum Ende seiner dreitägigen Chinareise den kommunistischen Staats- und Parteichef Xi Jinping trifft, muss er in einer komplexeren Gemengelage navigieren als seine Amtsvorgänger. China hat sich gewandelt. Ein Eckpfeiler für den deutschen Wohlstand ist es längst. Davon zeugt nicht nur der Tross des Kanzlers in Peking, zu dem die mächtigsten Konzernlenker der Republik gehören. Doch der wirtschaftliche Aufstieg ging einher mit einem deutlich gewachsenen Selbstbewusstsein nach außen – und der Wandlung zu einer zunehmend totalitären Ein-Personen-Diktatur nach innen.
Strategisch baut China wirtschaftliche Abhängigkeiten auf, um diese dann politisch zu nutzen. Die USA setzen dieser Politik Handelshemmnisse entgegen und versuchen China von Hightech-Produkten wie neuen Computerchips für KI-Anwendungen abzuschneiden. Deutschland und die EU sehen der Flut konkurrenzlos günstiger, subventionierter chinesischer Industrieprodukte wie Solarpaneelen oder E-Autos bislang eher hilflos entgegen. Auch, weil Deutschland aus Angst vor chinesischen Gegenmaßnahmen bei einer schärferen Gangart bremst.
China droht Taiwan: Die Geopolitik verschiebt die Prioritäten
Weder Pekings rabiate Coronapolitik noch der Umgang mit der Demokratie-Bewegung in Hongkong oder Berichte über Menschenrechtsverletzungen an der Minderheit der Uiguren trübten nachhaltig die Hoffnungen deutscher Unternehmen, in dem riesigen Markt gute Geschäfte zu machen. Doch nun geht es auch um Geopolitik, um die globale Vormachtstellung der USA. Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine wächst die Angst im Westen, China könnte seinen zunehmend harschen Drohungen in Richtung Taiwan Taten folgen lassen und den Inselstaat ebenfalls militärisch in die Knie zwingen.
Taiwans Schutzmacht USA wäre dann nicht nur militärisch herausgefordert. Washington würde auch Druck auf seine Alliierten machen, die Wirtschaftsbeziehungen zu Peking abzuschneiden. Die Folgen möchte man sich in Berlin lieber nicht ausmalen. Diese Abhängigkeit hat die Bundesregierung zwar erkannt und in einer lange vorbereiteten China-Strategie klar festgehalten. Weniger klar sind dagegen die Schlussfolgerungen, die sie daraus zieht.
Technologische Trends werden in China gemacht
Scholz spricht zwar auch gerne vom De-Risking, dem Versuch, über breitere Streuung von Investitionen auch in andere aufstrebende Schwellenländer, wie etwa Indien oder Vietnam, das Erpressungspotenzial durch China zu reduzieren. Angesichts der immensen Investitionen, die deutsche Unternehmen bereits in China getätigt haben, scheint das aber eher wie Wunschdenken für eine ferne Zukunft. Zudem ist China längst über den Status der Werkbank der Welt hinaus. Technologische Trends für die ganze Welt werden hier nicht nur übernommen, sondern entwickelt, das zeigt nicht zuletzt die starke Stellung des Landes bei der Batterietechnik und der Elektromobilität.
Doch so stark, wie es scheint, ist auch China nicht. Die Wirtschaft wächst längst nicht mehr so schwunghaft wie zuvor. Die Bevölkerung altert in dramatischem Tempo und die jüngsten Verwerfungen auf den Immobilienmärkten haben Sorgen vor einer Überschuldung der öffentlichen Haushalte geweckt. Zudem braucht China dringend Absatzmärkte für die Unmenge an Waren, die seine Fabriken ausstoßen. Scholz sollte also durchaus die Chance wahrnehmen, selbstbewusster aufzutreten. Für mehr Glaubwürdigkeit würde es ihm aber helfen, eine gemeinsame Position in Brüssel zu entwickeln.