Vor der heißen Phase der Koalitionsgespräche im Osten hat die SPD klargemacht, dass sie in Brandenburg, Sachsen und Thüringen nicht um jeden Preis regieren wird. „Wir können nicht auf Gedeih und Verderb in so etwas reingehen. Wir werden Politik nicht betreiben, indem man sich erpressen lässt“, sagte der neue Generalsekretär Matthias Miersch im Interview mit unserer Redaktion. Das Signal richtet sich vor allem an das Bündnis Sahra Wagenknecht, das den anderen Parteien weitreichende Bedingungen gestellt hat.
BSW stellt Bedingungen, es geht um Putin
Dabei hat der entscheidende Streitpunkt mit der Landespolitik gar nichts zu tun: Im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine liegen das BSW und die potenziellen Koalitionspartner weit auseinander. Parteigründerin Wagenknecht fordert mehr diplomatische Bemühungen und Gespräche mit Wladimir Putin. Außerdem will sie die Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen und lehnt die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zur Abschreckung strikt ab. Im Osten gibt es zwar pragmatische BSW-Leute, die das Thema lieber ausklammern würden, doch die Parteispitze pocht auf schriftlich fixierte Zugeständnisse der Verhandlungspartner.
Die neue Partei befindet sich in einer machtvollen Verhandlungsposition, denn sowohl die CDU als auch die Sozialdemokraten sind auf das BSW angewiesen, um stabile Mehrheiten in den ostdeutschen Landtagen bilden zu können. Weil die AfD bei den Wahlen im September so stark abgeschnitten hat und alle anderen eine Zusammenarbeit mit der rechtsradikalen Partei ablehnen, kommt es auf das BSW an.
SPD-Generalsekretär Miersch spielt den Ball ins Wagenknecht-Lager
Doch SPD-Generalsekretär Miersch versucht, den Ball ins Wagenknecht-Lager zurückzuspielen: „Die Kernfrage für das BSW bleibt: Ist man bereit, Verantwortung zu übernehmen und Kompromisse zu schmieden?“, sagte er und machte zugleich mit Blick über die deutschen Grenzen hinaus deutlich, dass es notfalls auch andere Auswege gäbe. „Wir sehen in anderen Ländern, dass es bei einer Vielzahl von Parteien gar nicht mehr möglich ist, Koalitionen zu schmieden. Da braucht es dann andere Modelle, beispielsweise eine Minderheitsregierung, bei der man sich natürlich immer Mehrheiten suchen muss und die letztlich am seidenen Faden hängt“, sagte Miersch.
Bislang sind solche Konstellationen in Deutschland die absolute Ausnahme. Doch angesichts der erstarkten politischen Ränder müssen sich die Parteien der Mitte damit auseinandersetzen. Der langjährige saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte kürzlich im Gespräch mit unserer Redaktion: „In anderen Ländern sind Minderheitsregierungen nichts Ungewöhnliches. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass diese Frage sich auch bei uns neu stellt.“ Der neue SPD-Stratege Miersch sieht das ähnlich: „Ich fordere das nicht, aber wenigstens mal den Horizont etwas zu erweitern – das, glaube ich, täte uns gut.“
Auf Bundesebene bleibt das BSW isoliert
Auf Bundesebene gilt eine Zusammenarbeit von Union und SPD mit dem BSW derzeit als undenkbar. Vor allem CDU und CSU lehnen das rigoros ab – weil die Wagenknecht-Partei nicht nur in Sachen Putin, sondern auch bei anderen Kernthemen wie Marktwirtschaft oder dem Bekenntnis zu Nato und EU in eine komplett andere Richtung zieht. In den Ländern jedoch will man versuchen, diese Differenzen auszublenden, selbst wenn es hinter den Kulissen mächtig brodelt. Für die SPD hat Miersch Hoffnung, dass das gelingen kann: „Über die Ukraine wird nicht in den Bundesländern entschieden, insofern wird man dort Brücken finden – wenn man das will.“
Mich würde es nicht wundern, wenn die Koalitionsverhandlungen von SPD und Union mit dem BSW im Osten sämtlich scheitern. Wagenknecht will dort gar nicht regieren. Sie fühlt sich in der Opposition viel wohler, denn dort muss sie ihre Vorstellungen nicht in die Tat umsetzen. Ihr persönliches Ziel ist allein der Bundestag, aber auf Bundesebene ist sie mit ihrem wirren und gefährlichen Programm weder koalitions- noch regierungsfähig - außer mit der AfD. Das wäre dann allerdings das Ende der Bundesrepublik, wie sie sich seit dem Zweiten Welltkrieg in der Welt etabliert hat.
Nicht nur in den Landesparlamenten sehe ich die Möglichkeit von Minderheitsregierungen als mögliches Zukunftsmodell, um den Demokratieprozess wieder vorwärts zu bringen. Mit dem Ziel, echte zukunftsweisende, tragfähige und solide Mehrheits-entscheidungen zu finden und zu treffen. Zum Wohl des jeweiligen Bundeslandes, oder auch des Bundes selber einschließlich der jeweiligen Bevölkerung. Wir werden nicht darum herumkommen, um die rechtsradikalen Kräfte auf Dauer wirkungsvoll von der Ergreifung der Macht fernhalten zu können.
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