Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags entwickelt sich zum Polit-Krimi. In früheren Jahren war es üblicherweise ja so: Die öffentlich-rechtlichen Sender meldeten ihren Bedarf an. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) prüfte das und gab eine Empfehlung ab. Die Ministerpräsidenten folgten ihr und auch die Länderparlamente stimmten zu. Politisches Alltagsgeschäft.
Dieses Mal jedoch ist es anders: Ab Januar 2021 soll der Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio von monatlich 17,50 Euro pro Haushalt auf 18,36 Euro angehoben werden. Und das ist derart umstritten, dass die Erhöhung – die erste seit 2009 – möglicherweise noch auf der Ziellinie scheitert.
Scheitert die Erhöhung des Rundfunkbeitrags doch noch?
Denn nicht nur die Länderchefs, sondern auch alle 16 Länderparlamente müssen ihr zustimmen. Ob das geschieht, ist fraglich. Vor allem mit Blick auf Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Dort gebe es noch einen „erhöhten Diskussionsbedarf“, wie es Heike Raab, rheinland-pfälzische SPD-Medienstaatssekretärin, am Dienstagabend nach einer Videokonferenz der Rundfunkkommission der Länder, die sie koordiniert, im Gespräch mit unserer Redaktion sagte.
Als sich die Ministerpräsidenten Mitte März auf die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent einigten, enthielt sich Sachsen-Anhalt – das von CDU, SPD und Grünen regiert wird – als einziges Bundesland. Nun will, so bestätigte es Regierungssprecher Daniel Mouratidis auf Anfrage, CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff an diesem Mittwoch den für die Beitragserhöhung nötigen Staatsvertrag im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz zwar unterzeichnen. „Er wird aber aller Voraussicht nach eine Erklärung abgeben, dass es derzeit im Landesparlament keine Mehrheit für eine Gebührenerhöhung gibt“, sagte Mouratidis. Die mitregierende CDU lehne bislang eine Zustimmung ab; SPD und Grüne wollten zustimmen. „Die Unterzeichnung erfolgt daher aus dem Grund, das weitere parlamentarische Verfahren nicht zu verhindern.“
Und das ist der Knackpunkt. Letztlich müssen die Abgeordneten den Staatsvertrag ratifizieren. Doch nicht nur die CDU in Sachsen-Anhalt ist gegen eine Beitragserhöhung, sondern auch die AfD, die die Öffentlich-Rechtlichen gerne als „Staatsfunk“ verunglimpft. Im Wahlprogramm der AfD Sachsen-Anhalt ist von „horrenden Zwangsabgaben“ die Rede. Der Rundfunkstaatsvertrag müsse „einseitig aufgekündigt“ werden. CDU und AfD stellen 51 von 87 Abgeordneten. Hinzu kommt die Linke-Fraktion mit 16 Abgeordneten, die ebenfalls gegen eine Beitragserhöhung ist.
Wie eine Abstimmung darüber ausgehen könnte, wagt man in Regierungskreisen nicht vorherzusagen. Was Sprecher Mouratidis allerdings sagt, ist: Für alle Fraktionen der Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt sei klar, dass Anträge der AfD nicht unterstützt würden. Daran aber lassen Wortmeldungen aus der CDU zweifeln: Denen zufolge würde man durchaus mit der AfD stimmen. Eine verfahrene Lage. Und so verwundert es auch nicht, dass in Sachsen-Anhalt bereits spekuliert wird, man könne die Abstimmung über die Beitragserhöhung zur „Gewissensfrage“ erklären und damit den Fraktionszwang umgehen. Auch in diesem Fall wäre der Ausgang mehr als ungewiss.
Wegen Corona sollte die Erhöhung des Rundfunkbeitrags verschoben werden
Der Widerstand gegen die Erhöhung hat viele Gründe. Im Mai etwa forderten Bundestagspolitiker von CDU und CSU eine Verschiebung – wegen der Corona-Krise. In Betrieben und Privathaushalten müsse ja auch gespart werden. Ostdeutsche Politiker führen an, über den Osten werde zu wenig berichtet. Sie halten die Öffentlich-Rechtlichen für zu teuer oder für zu links – und meinen, Ostdeutschland werde als Medienstandort übergangen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff verlangte in einem Brief an die Intendanten „die Schaffung oder Verlagerung einer programmbezogenen Gemeinschaftseinrichtung in Halle (Saale)“. BR-Intendant Ulrich Wilhelm nannte das „eine klare Grenzüberschreitung“. Das Bundesverfassungsgericht habe hier „eine sehr wesentliche Schutzmauer errichtet, die vermeiden soll, dass der Rundfunk im Zeitpunkt der Beitragsentscheidung selbst Forderungen und Bedingungen einzelner Länder ausgesetzt ist“, sagte er. Dennoch wird nächstes Jahr – vermutlich in Halle – ein gemeinsames digitales Kulturportal der öffentlich-rechtlichen Sender aufgebaut. Ein Deal, um Sachsen-Anhalts Landespolitik umzustimmen? Die ARD weist das scharf zurück.
Wenn tatsächlich ein oder mehrere Länderparlamente gegen die Erhöhung votieren, wird es bei der bisherigen Höhe des Rundfunkbeitrags bleiben. Wahrscheinlich wird sich dann das Bundesverfassungsgericht damit befassen müssen. Damit rechnet auch SPD-Politikerin Heike Raab: „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Anstalten klagen werden – und dass diese Klage auch gute Erfolgsaussichten haben wird“, sagte sie. Gleichwohl sei sie „vorsichtig optimistisch, dass wir zum 1. Januar 2021 eine Beitragserhöhung bekommen werden“.
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