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Rom: Der Rücktritt von Mario Draghi lässt Italiens Rechte träumen

Rom

Der Rücktritt von Mario Draghi lässt Italiens Rechte träumen

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    Mario Draghis Tage als Ministerpräsident von Italien sind gezählt.
    Mario Draghis Tage als Ministerpräsident von Italien sind gezählt. Foto: Cecilia Fabiano, dpa

    Dass Mario Draghi emotional wurde bei seinem vorerst letzten Auftritt im italienischen Abgeordnetenhaus in Rom, das musste der stets kühl und abgeklärt wirkende 74-Jährige schon ausdrücklich bestätigen. Ausgiebig hatten ihm die Parlamentarier am Donnerstag mit Applaus Respekt gezollt – eine in Teilen scheinheilige Geste nach der mangelnden Unterstützung vom Vortag. Draghi schien eher verschlafen als gerührt, sagte dann aber ironisch: „Manchmal wird auch das Herz von Bankern weich.“ Die Herzen der Abgeordneten der italienischen Rechtsparteien dürften hingegen angesichts einer realistischen Machtoptionen höherschlagen.

    Der italienische Ministerpräsident und frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) fasste sich kurz zum Abschied. Er werde nun dem Staatspräsidenten seine „Entscheidungen“ mitteilen, sagte der Römer, winkte mit beiden Händen in das Parlamentsrund und verschwand in Richtung Quirinal, zum Amtssitz des Staatsoberhauptes. Draghi sprach nicht von Rücktritt, denn dieses Ansinnen war ihm vergangene Woche bekanntlich vom Staatspräsidenten Sergio Mattarella verweigert worden.

    So war es zu einer fünftägigen Besinnungspause und einer erneuten Abstimmung am Mittwochabend gekommen. Diesmal enthielten sich aber nicht nur die rebellische linksorientierte Fünf-Sterne-Bewegung. Die rechte Lega Matteo Salvinis sowie Silvio Berlusconis Forza Italia nutzten die Krise für ihre Zwecke. Sie blieben dem Votum fern. So kam Draghi im Senat zwar auf eine Mehrheit von 95 Ja-Stimmen bei 38 Nein-Stimmen. Angesichts von 321 Mitgliedern des Oberhauses war die Botschaft des Votums eindeutig: Die Regierung Draghi war nach 17 Monaten im Amt am Ende.

    Die Wahlen könnten bereits im Herbst anstehen

    Nach Draghis Rücktritt löste Staatspräsident am frühen Abend per Dekret die beiden Parlamentskammern auf, die der Ausrufung von Neuwahlen vorangeht. Dies sei „das letzte Mittel“, sagte Mattarella, die politische Situation lasse ihm keine andere Wahl. Mattarella sagte auch, es sei „keine Zeit für Pausen“. Er möchte die Wahlen sobald wie möglich stattfinden lassen, damit die künftige Regierung genügend Zeit für das bis Jahresende zu verabschiedende Haushaltsgesetz hat. Die Rede war deshalb von einem möglichen Wahltermin Anfang Oktober oder schon Ende September. 

    Draghi und seine Regierung werden bis zur Bildung einer neuen Regierung im November oder Dezember die Amtsgeschäfte weiterführen, der international angesehene Römer wird also nicht so schnell von der politischen Bildfläche verschwinden. Im Frühjahr wären dann zum Ende der Legislaturperiode regulär Parlamentswahlen angestanden. Die Regierung Draghi, die formal nicht abgewählt wurde, könnte auch noch einige bereits vorbereitete Gesetze auf den Weg bringen. Mattarella rief deshalb das Parlament zu „konstruktiver Zusammenarbeit“ auf.

    So ist zu hören, dass bei entsprechender Parlamentsmehrheit das 23-Milliarden-Euro-Hilfsdekret zur Unterstützung sozial schwacher Schichten und Unternehmen trotz der Krise verabschiedet werden soll. Was die Einhaltung der Fristen für den Recovery Fund angeht, könnte die EU diese Fristen bis zur Vereidigung einer neuen Regierung einfrieren, sollte es im Parlament keine Mehrheiten zur Einhaltung befristeten Verpflichtungen geben.

    Italiener sorgen sich um Folgen von Draghis Rücktritt für die Wirtschaft

    Italien hätte bei Einhaltung der Termine zum Jahresende eine Tranche in Höhe von 19 Milliarden Euro erwarten können. Nach dem Rücktritt herrschte in Rom die Sorge, Italien sei ohne Draghi auch von den EU-Finanzierungen abgeschnitten. „Ein schwarzer Tag“ kommentierte Außenminister Luigi Di Maio auf Twitter. „Hier wurde mit der Zukunft der Italiener gespielt.“ 

    Der italienische EU-Wirtschaftskommissar und frühere Premierminister Paolo Gentiloni sprach gar von einem „perfekten Sturm“, der sich nun anbahne. Davon war am Donnerstag allerdings noch nichts zu spüren. Der Spread genannte Zinsaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Gegensatz zu deutsche stieg am Donnerstag auf 242 Punkte. Welchen Effekt die Leitzinserhöhung der EZB um 0,5 Prozent zur Bekämpfung der Inflation auf die Finanzierung des enormen italienischen Staatsdefizits (150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) haben würde, war am Donnerstag noch nicht klar.

    Silvio Berlusconi spekuliert auf ein rechtes Wahlbündnis

    Er ist auch mit 85 Jahren noch ein Faktor ikn der italienischen Politik: Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi.
    Er ist auch mit 85 Jahren noch ein Faktor ikn der italienischen Politik: Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Foto: Claudio Furlan, Lapresse Via Zuma Press, dpa

    Auch parteipolitisch hatte das Votum gegen Draghi Folgen. Zwei Minister, Maria Stella Gelmini und Renato Brunetta, kündigten ihren Austritt aus der Berlusconi-Partei Forza Italia an. Die Partei habe „ihre eigene Geschichte verraten“, sagte Gelmini. Der Corriere della Sera schrieb von einem „Erdbeben“. Auslöser des Konflikts war die Entscheidung des 85 Jahre alten Berlusconi mit Draghi zu brechen und auf einer Neubildung der Regierung zu bestehen. Dies hatte Draghi zuvor ausgeschlossen. Er wollte ausschließlich einer Regierung der „nationalen Einheit“ vorsitzen, um nicht Opfer politischer Erpressungsversuche zu werden.

    Berlusconi, der nun wieder eine zentrale Rolle im römischen Politikbetrieb einnimmt, spekulierte zusammen mit Lega-Chef Salvini auf Neuwahlen, wie sie nun höchstwahrscheinlich sind. In Umfragen führt die postfaschistische Rechts-Partei „Fratelli d'Italia“ (FdI) von Giorgia Meloni mitrund 24 Prozent. In Rom wird damit gerechnet, dass sich Berlusconi mit den Rechtspopulisten von Lega und FdI für die Wahlen verbündet.

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