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Rentenpolitik: Rente mit 63: Ein Erfolgsmodell wird zur Falle

Rentenpolitik

Rente mit 63: Ein Erfolgsmodell wird zur Falle

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    Ruhe und Erholung, so stellen sich viele Menschen ihren Lebensabend vor. Doch die Rente ist nicht mehr sicher.
    Ruhe und Erholung, so stellen sich viele Menschen ihren Lebensabend vor. Doch die Rente ist nicht mehr sicher. Foto: Christoph Schmidt, dpa (Symbolbild)

    Jens Spahn wird sich ein wenig ins Fäustchen gelacht haben. Sein Vorschlag, die vorgezogene Rente mit 63 abzuschaffen, schlägt gerade Wellen. Dabei hat der CDU-Politiker das Modell schon häufiger kritisiert, zuletzt im Dezember. Der ehemalige Gesundheitsminister forderte da die Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung. „Für jedes Jahr länger leben einen Monat später in Rente“, schlug er vor und kritisierte bereits damals, die Rente mit 63 sei ein großer Fehler der Großen Koalition gewesen, weil sie für das Fehlen hunderttausender Fachkräfte verantwortlich sei.

    Die heftige Kritik an Spahns Neuauflage der Rentenkritik indes zeigt, wie angespannt die Lage ist. Die Zeiten, in denen ein gut gelaunter CDU-Politiker wie Norbert Blüm ein Plakat mit der Aufschrift „Denn eins ist sicher: Die Rente“ auf eine Litfaßsäule kleben konnte, sind definitiv vorbei.

    Sozialverband Deutschland: Für viele Rente mit 63 schon schwierig

    Spahns Vorschlag ließe sich nur über Gesetzesänderungen realisieren, die Ampel lehnt das ab. Die Reaktionen fielen harsch aus. „Für viele Menschen, die einer körperlich harten Arbeit nachgehen, ist es schon jetzt schwierig, das Renteneintrittsalter ohne gesundheitliche Einschränkungen zu erreichen“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, unserer Redaktion.

    Diesen Menschen könne nicht noch mehr zugemutet werden. „Denn die Rente mit 63 ist ja schon heute nur dann möglich, wenn schon 45 Jahre lang Beiträge eingezahlt worden sind“, erklärte Engelmeier und ergänzte: „Aus Sicht des SoVD ist es ein Skandal, dass Menschen von einem Bürosessel aus mal eben so den Vorschlag machen.“

    Mehr im Ruhestand als in Arbeit: Der Rente geht das Geld aus

    Tatsächlich ist die Rente mit 63 ein Erfolgsmodell – zumindest aus Sicht der Arbeitnehmer. Bei der Einführung hatte die Regierung rund 200.000 Antragsteller pro Jahr für diese ungekürzte Rente prognostiziert. Es waren dann aber jährlich mehrere Zehntausend mehr, so 2021 zum Beispiel 268.957. Insgesamt sind es bereits rund zwei Millionen.

    Vor allem aber geht es um die Finanzierung der gesetzlichen Rente. Die derzeitigen Beitragszahlerinnen und -zahler bilden keine eigenen Rücklagen, sondern finanzieren über das sogenannte Umlageverfahren die Rente für die heutigen Ruheständler.

    Deren Anzahl steigt in Relation zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter deutlich an, die Rentenbeiträge müssen also steigen. Der Bund stößt schon jetzt an seine Grenzen, er zahlte 2022 mehr als 100 Milliarden Euro in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Das war etwa ein Drittel der Rentenausgaben in Höhe von rund 308 Milliarden Euro. Der Rest kam durch die Beiträge herein, wie sie Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlen.

    Schon jetzt gilt, dass die Jahrgänge ab 1964 erst mit 65 abschlagsfrei in den Ruhestand gehen können. Die später Geborenen müssen bis 67 arbeiten. Eine weitere Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist nicht geplant. „Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des Renteneintrittsalters geben“, heißt es unmissverständlich im Koalitionsvertrag. 

    Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) möchte die „Rente mit 63“ beenden.
    Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) möchte die „Rente mit 63“ beenden. Foto: Boris Roessler, dpa

    Die Ampelregierung will sich nun aufs Spekulieren verlegen, um staatliche Zuschüsse sowie Beitragssteigerungen zu begrenzen. Das Stichwort lautet „Generationenkapital“, dahinter verbirgt sich die Idee, zunächst einmal zehn Milliarden Euro an den internationalen Kapitalmärkten einzusetzen und auf Rendite zu hoffen. Das „Generationenkapital“ steht noch nicht, die zehn Milliarden wären auch erst der Anfang. Bis in die zweite Hälfte der 2030er Jahre müssten jährlich zweistellige Milliardensummen eingezahlt werden, damit die Sache Sinn macht. Die Ampel favorisiert dieses Modell noch aus einem anderen Grund: Das Geld würde nicht auf die Schuldenbremse angerechnet, weil es nicht konsumiert, sondern angelegt wird. 

    Die Lösung des Renten-Problems: Beamte zahlen auch ein

    Auf die lange Strecke betrachtet sind Aktien zwar eine relativ sichere Bank. Bei einer Einzahlung von 50 Euro im Monat vom ersten bis zum 18. Lebensjahr könnte Modellrechnungen zufolge mit 63 Jahren ein maximales Anlagevermögen von 440.000 Euro auf dem Konto sein. Fällt die geplante Auszahlung jedoch in eine Phase hoher Inflation, wie derzeit in Deutschland (7,2 Prozent), schmälert der Kaufkraftverlust den Gewinn deutlich. 

    Der Sozialverband Deutschland lehnt eine Aktienrente deshalb ab. Er wünscht sich stattdessen ein stabiles Rentenniveau. Es gibt über das Verhältnis vom Durchschnittseinkommen zur Rente Auskunft und liegt bei rund 48 Prozent. Der SoVD favorisiert die Rückkehr zu den 53 Prozent früherer Jahre. Eine Idee, wie das zu bezahlen wäre, hat der Verband: Die Einführung einer Erwerbstätigenrente, in die auch Beamte, Freiberufler und Parlamentarier einzahlen. Sie gilt Verbänden, Gewerkschaften und vielen Expertinnen und Experten als die einzige Antwort auf den demografischen Wandel. Die Politik jedoch scheut den zu erwartenden Widerstand.

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