Nach dem neuen Rekord bei den Lohnnebenkosten durch den starken Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung fordern Arbeitgeber und Gewerkschaften die Politik zum Handeln auf. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Arbeitgeber, Steffen Kampeter, sprach von einem „Netto-Klau“, der durch die jetzige Bundesregierung und ihre Vorgänger den Wirtschaftsstandort belaste. Auch DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel kritisierte, der unerwartet starke Sprung der Krankenkassenbeiträge zum Jahreswechsel fresse die steuerlichen Entlastungen für die Beschäftigten auf.
Kassen und DGB fordern gerechtere Finanzierung der Krankenversicherung
Mit dem Krankenkassenbeitragserhöhungen stieg die Lohnnebenkostenquote auf den historischen Rekord von 42,3 Prozent des Bruttolohns. Nach Meldungen aller 94 Krankenkassen bestätigte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung, dass die Zusatzbeiträge zum Jahresbeginn deutlich stärker gestiegen sind, als die von der Bundesregierung im Herbst verkündeten 2,5 Prozent. „Der Zusatzbeitragssatz aller Kassen ist zum Jahreswechsel im bundesweiten Durchschnitt auf 2,9 Prozent gestiegen“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, unserer Redaktion. „Das unterstreicht die Dringlichkeit von Reformen, um nach zehn Jahren der teuren Gesetzgebung die Rückkehr zu einer nachhaltigen GKV-Finanzierung zu schaffen“, forderte Pfeiffer.
„Ich bin davon überzeugt, dass die gesundheitliche Versorgung der Menschen entscheidend für den sozialen Zusammenhalt und damit für ein gutes gesellschaftliches Zusammenleben ist“, betonte die Vertreterin der gesetzlichen Krankenkassen. „Deshalb ist die stabile Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die 90 Prozent der Bevölkerung versichert und versorgt, für unsere Gesellschaft so wichtig“ betonte sie.
Arbeitgeber kritisieren Politik „Beschäftigte haben immer weniger Netto auf dem Konto“
Auch DGB-Vorständin Piel forderte die Regierung auf, die Krankenkassen besser mit Mitteln für gesamtgesellschaftliche Aufgaben auszustatten, die sonst allein auf Kosten der Beschäftigten gingen. „Ein Single ohne Kinder, der 3000 Euro brutto verdient, hat ab dem 1. Januar 2025 trotz Steuersenkung etwa sieben Euro netto weniger, bedingt durch gestiegene Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung“, sagte sie. „Die zukünftige Bundesregierung kann und muss schnell handeln, um Beschäftigte zu entlasten und gute Versorgung sicherzustellen“, forderte die Gewerkschafterin. Dazu müssten die Steuerzuschüsse an die Kassen erhöht werden.
Auch BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter warf der Regierung eine Politik auf Kosten der Arbeitnehmer vor. „Beschäftigte haben immer weniger Netto auf dem Konto“, kritisierte der Arbeitgebervertreter. „Es ist ein politikgemachtes Problem“, betonte er.
„Rente, Pflege, Gesundheit und Bürokratie sind die bekannten Kostentreiber“, fügte er hinzu. Die Politik unternehme dagegen seit vielen Jahren zu wenig. „Das kultivierte Nichtstun der vergangenen Regierungen in diesen Bereichen gefährdet nicht nur Arbeits- und Ausbildungsplätze, auch ausländische Investoren und hochqualifizierte Fachkräfte schreckt das ab“, warnte Kampeter. „Die nächste Bundesregierung muss die Reformbremse schnell und konsequent lösen“, forderte er. „Wir brauchen einen Agenda-2030-Moment“, betonte Kampeter. „Arbeit nehmen und Arbeit geben - beides muss sich wieder lohnen.“
Frühere Gesetze belasten Finanzen der Krankenkassen
Stattdessen hätten jedoch zuletzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Arbeitsminister Hubertus Heil die Arbeits- und Bürokratiekosten weiter in die Höhe getrieben, kritisierte der Arbeitgebervertreter. DGB–Vorständin Piel machte dagegen vor allem die früheren CDU-Gesundheitsminister Herrmann Gröhe und Jens Spahn für die schwierige Lage der Krankenkassen verantwortlich.
Beide Unionspolitiker hätten durch teure und ineffektive Gesetze die Rücklagen der Kassen abgeschmolzen, die nun mit teuren Beiträgen wieder aufgefüllt werden müssten. Zugleich habe FDP-Chef Christian Lindner die im Koalitionsvertrag versprochene Entlastung blockiert, den Kassen ausreichend hohe Beiträge für Bürgergeldempfänger zu bezahlen. „Den gesetzlichen Krankenkassen fehlen dadurch anhaltend Steuermittel, um gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen, wie die Finanzierung der Krankenhausreform, die nun allein von Beitragszahlern getragen wird“, sagte Piel. „Vermögende und Privatversicherte leisten dazu keinen Beitrag“, kritisierte sie die Reformkosten.
„Höhere Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind keine Naturgewalt, die plötzlich über uns kommt“, sagte Piel. „Im nächsten Haushalt müssen Steuerzuschüsse bereitgestellt werden, um die Gesundheitskosten gerecht zu verteilen und Beitragszahler zu entlasten“, forderte sie. „Zudem gehören teure Gesetze aus der Vergangenheit auf den Prüfstand, da sie hauptsächlich der Fachärzteschaft zugutekamen, ohne die Versorgungsqualität für alle zu verbessern.“
Der DGB kann gerene kritisieren. Er sollte aber mal bei sich anfangen, da er, bzw. angeschlossene Gewerkschaften, eine Mitschuld an den Steigerungen trägt/tragen.
Der DBG kritisiert völlig zurecht. Es dürfte für alle verständlich sein, dass große Schultern mehr tragen können als kleine Schultern. Dass dies Arbeitgeberverbände nicht so deutlich sehen können wie der DBG ist naturgemäß und verständlich. Die Interessen sind schließlich gegensätzlich. Allerdings scheint der momentane Trend gerade bei Union und FDP die Belastung der schwachen Schultern noch etwas zu steigern. Die Gunst der Stunde durch leicht geschwächte Industrie wird gnadenlos ausgenutzt und den Letzten beißen wieder mal die Hunde. Als ehemaliger Arbeitnehmer bleibt mir nichts anderes übrig als sich der Kritik von DGB–Vorständin Piel anzuschließen.
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