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Regierungskrise: Mario Draghi steht in Italien vor dem Ende

Regierungskrise

Mario Draghi steht in Italien vor dem Ende

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    Nach seinem gescheiterten Rücktrittsangebot ist Mario Draghi doch bereit, italienischer Ministerpräsident zu bleiben.
    Nach seinem gescheiterten Rücktrittsangebot ist Mario Draghi doch bereit, italienischer Ministerpräsident zu bleiben. Foto: Andrew Medichini, dpa

    Italien steuert auf Neuwahlen im Herbst zu. Acht Monate vor dem regulären Ende der Legislaturperiode verweigerten drei Regierungsparteien bei der Vertrauensabstimmung am Mittwochabend Ministerpräsident Mario Draghi das Vertrauen. Die linksorientierte Fünf-Sterne-Bewegung, die die Krise in der vergangenen Woche ausgelöst hatte, die rechte Lega sowie Silvio Berlusconis konservative Forza Italia, stimmten am Mittwochabend nicht für einen Beschluss, demzufolge die Regierung unter Draghi im Amt bleiben sollte.

    Es wird erwartet, dass der 74 Jahre alte Premierminister am Donnerstag seinen definitiven Rücktritt in Rom bei Staatspräsident Sergio Mattarella einreichen wird. Der hatte Draghis Rücktritt vergangene Woche noch abgelehnt, nachdem die Fünf-Sterne-Bewegung schon damals in einer Vertrauensabstimmung über ein Hilfsdekret ihre Unterstützung verweigerte. Eine fünftägige Pause, so hoffte der Staatspräsident, hätten Draghi und das Parlament noch zur Besinnung bringen können. Dem war nicht so. Draghi wird die laufenden Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung übernehmen. Möglicher Termin für die Neuwahlen ist der 2. Oktober.

    Draghi vor Rücktritt? Ende der "Regierung der nationalen Einheit" naht

    Damit endet die "Regierung der nationalen Einheit" nach nur 17 Monaten. In der laufenden Legislaturperiode in Italien ist es bereits die dritte Regierung, die scheitert. Unter der Regie von Staatspräsident Mattarella hatte der parteilose frühere Präsident der Europäischen Zentralbank als parteiübergreifend anerkannte Integrationsfigur die Führung der Exekutive im Februar 2021 übernommen.

    Wegen der außergewöhnlichen Umstände wie der Corona-Pandemie, und ihren wirtschaftlichen Folgen war damals von einem "Pakt der nationalen Einheit" die Rede. Eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung war es, Reformen im Gegenzug für EU-Milliardenhilfen, zu liefern. Trotz der internationalen Lage mit dem Ukrainekrieg, aber auch Herausforderungen wie der wachsenden Inflation, entschieden sich die Parteien am Mittwoch gegen eine Weiterführung der Regierung, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven. Die Fünf-Sterne-Bewegung unter Ex-Premier Giuseppe Conte, die in schwere interne Konkurrenzkämpfe verwickelt ist und um ihren Verbleib im Parlament kämpft, wollte sich vor den Wahlen als sozialpolitische Kraft positionieren. Sie hatte dem Premier eine Liste von Bedingungen gestellt, auf die Draghi in seiner Rede vor dem Senat auch einging.

    Draghi-Regierung: Rechtsparteien stellen sich gegen Fünf-Sterne-Bewegung

    Nach Draghis Regierungserklärung am Mittwochnachmittag bestanden die Rechtsparteien der Koalition, die von Matteo Salvini geführte Lega und Forza Italia, dann auf einer Neuauflage der Koalition ohne die Fünf-Sterne-Bewegung. "Wir sind dabei", sagte Lega-Politiker Massimiliano Romeo, "aber nur mit einer neuen Mehrheit, einer neuen Regierung ohne die Fünf Sterne und neuen, ehrgeizigen Zielen." Notwendig sei eine "deutliche Diskontinuität", ob es zu diesem Umschwung käme, liege nun an Draghi.

    Die Berlusconi-Partei schloss sich dieser Haltung an. Hintergrund waren wohl auch hier wahltaktische Überlegungen. Die Rechte spekulierte, mit einer neuen weiter rechts stehenden Regierung unter Draghis Führung eigene Projekte voranzubringen und so Punkte bei ihren Wählern gut zu machen. Damit wurde allerdings deutlich, dass im römischen Politik-Chaos nun wieder eine Logik der Erpressungen vorherrschte, die dem Appell Draghis zu einer Neuauflage des Paktes der nationalen Einheit nicht entsprach.

    Draghi kämpft um seine Regierung: "Seid ihr bereit für den Pakt?"

    Der Premierminister hatte nach der fünftägigen Pause am Mittwoch seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, die Regierung doch noch weiterzuführen. "Wir brauchen einen neuen Vertrauenspakt", sagte Draghi in seiner Rede. Und an die Parteien gewandt, die bislang seine Viel-Parteien-Regierung unterstützt hatten, fügte er hinzu: "Seid ihr bereit diesen Pakt wiederherzustellen?"

    Draghi listete die Erfolge seiner Regierung auf und warnte davor, wichtige Fristen im Hinblick auf die EU-Hilfsgelder verstreichen zu lassen. Auch angesichts der schwierigen internationalen Lage sei Geschlossenheit notwendig. "Italien ist stark, wenn es einig ist", sagte Draghi. Er fragte die Parteien, ob sie bereit seien, "die Anstrengungen zu bestätigen, die Sie in den ersten Monaten unternommen und dann abgeschwächt haben". Die Antwort sollte nicht ihm, sondern "allen Italienern" gegeben werden. Stattdessen wird der Staatspräsident das Parlament auflösen, der Wahlkampf beginnt.

    Allem Anschein nach dürfte Italien dann im Herbst von einer rechtspopulistischen Regierung geführt werden. Laut Umfragen ist die postfaschistische Partei "Fratelli d'Italia" (Brüder Italiens) von Giorgia Meloni mit rund 24 Prozent der Stimmen derzeit stärkste Partei. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass sich die "Brüder Italiens" in einem Rechtsbündnis mit Salvinis Lega und Berlusconis Forza Italia zusammentun.

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