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Regierungsbericht: Lebensqualität in Deutschland: Stadt, Land, Frust

Regierungsbericht

Lebensqualität in Deutschland: Stadt, Land, Frust

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    Verheerende Noten für den ÖPNV auf dem Land
    Verheerende Noten für den ÖPNV auf dem Land Foto: Marijan Murat, dpa

    Stadt und Land, Ost oder West, reicher Süden, strukturschwaches Ruhrgebiet: Die Lebensverhältnisse und auch die Lebensqualität unterscheiden sich in Deutschland mitunter so stark, dass die Politik zum Handeln gezwungen ist. Denn das Grundgesetz schreibt die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ als Staatsziel ausdrücklich ins Aufgabenheft der Bundesregierung. Wirtschaftsminister Robert Habeck und seine Kabinettskollegin Nancy Faeser, die nicht nur Innen-, sondern auch „Heimatministerin“ ist, legten nun eine dicke Bestandsaufnahme zur unterschiedlichen Lage der 400 Kreise und Städte der Nation vor.

    Medizinische Versorgung und ÖPNV auf dem Land schlecht bewertet

    Auf hunderten bunten Deutschlandkarten ist dokumentiert, dass der Süden – Bayern und Baden-Württemberg – meist besser als der Rest der Republik dasteht: nicht nur bei Jobs, Wirtschaftskraft und Einkommen. Auch bei der Geburtenrate, der Lebenserwartung, der Sicherheit vor Kriminalität und sogar bei der Beteiligung bei Bundestagswahlen oder der Erreichbarkeit von Supermärkten liegt der Süden vorn. Der Osten führt dagegen bei der Kinderbetreuung oder einer gerechten Bezahlung von Mann und Frau – weibliche Beschäftigte verdienen hier oft besser als ihre männlichen Kollegen.

    Gemeinsame Sorgen gibt es dagegen in weiten Teilen Deutschlands bei der Landbevölkerung: In dünn besiedelten Regionen bewerten 59 Prozent der Einwohner die Krankenhaus- und 77 Prozent die Facharztversorgung als schlecht. Und nur jeder vierte Landbewohner erklärt, dass sein Wohnort über ein lebendiges Ortszentrum mit ausreichend Geschäften und Lokalen verfüge. Den öffentlichen Nahverkehr finden nur 19 Prozent ausreichend – hier schneiden Bayern und Mecklenburg-Vorpommern am schlechtesten ab.

    Städte und Gemeindebund fordert mehr Investionen in ländlichen Raum

    Auch bei der Zufriedenheit über die Versorgung mit schnellem Internet vor Ort sind ausgerechnet die wirtschaftsstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg Schlusslicht. Der Städte- und Gemeindebund fordert Konsequenzen: „Das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse wird ohne dauerhafte finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern nicht zu erreichen sein“, sagt Geschäftsführer André Berghegger unserer Redaktion. „Gerade mit Blick auf die Versorgung mit Wohnraum, den demografischen Wandel oder die Entwicklung am Arbeitsmarkt nehmen die Disparitäten sogar zu.“ Gerade für den ländlichen Raum müsse mehr getan werden, fordert Berghegger.

    „Es muss das Ziel sein, über eine Stärkung dieser Regionen auch eine Entlastung der Ballungsräume, etwa mit Blick auf den Wohnungsmarkt oder die Verkehrssituation herbeizuführen“, betont er. „Es muss gelingen, mit einer besseren Breitband- und Mobilfunkversorgung, einer leistungsstarken Gesundheitsinfrastruktur, guten Bildungsangeboten und einer Anbindung der bislang unterversorgten Gebiete an den ÖPNV die Lebens- und Standortqualität zu verbessern“, mahnt Berghegger. „Damit die Städte und Gemeinden anstatt einer Mangelverwaltung ihre Entwicklung überall aktiv gestalten können, braucht es eine angemessene kommunale Finanzausstattung anstelle ständig neuer unterfinanzierter Aufgabenzuweisungen“, fordert er.

    Mieterbund und GdW fordern Konsequenzen aus großem Unmut

    Eines der drängendsten Probleme ist für die 31.000 Deutschen, die für den Bericht befragt wurden, das Thema Wohnen. Insgesamt 83 Prozent der Befragten erklären, dass es schwierig bis sehr schwierig ist, in ihrer Gegend eine bezahlbare Wohnung zu finden.

    „Eine Zahl, die nicht überrascht, schaut man sich die derzeitige Situation der Mieterinnen und Mieter in Deutschland an: Fehlender bezahlbarer Wohnraum, Stillstand bei den dringend benötigten mietrechtlichen Reformen, während gleichzeitig die Mieten immer weiter steigen, sowie für weite Teile der Bevölkerung unbezahlbare Angebotsmieten“, sagt Mieterbundchef Lukas Siebenkotten unserer Redaktion. „Die Bundesregierung sollte daher ihren eigenen Bericht zum Anlass nehmen, die Situation auf dem Mietwohnungsmarkt zu entspannen. Die Einführung einer effektiven Neuen Wohngemeinnützigkeit, die Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 sowie die Absenkung der Mieterhöhungsmöglichkeit im Bestand wären ein erster wichtiger Schritt.“

    Auch die Hauptgeschäftsführerin des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Ingeborg Esser, fordert Konsequenzen. „Die Regierung sollte das Ergebnis als immer eindringlicheren Weckruf wahrnehmen, um endlich zu handeln und den bezahlbaren Wohnungsbau voranzubringen“, sagt sie. „Viel zu lange haben Bund, Länder und Kommunen aber auch nicht an einem Strang gezogen und die vielen guten Beschlüsse der Bündnisse für bezahlbaren Wohnraum in der Mehrheit nicht umgesetzt. Das muss sich jetzt dringend ändern. Das Bauen muss einfacher werden, weg von immer weiteren teuren und oft nicht notwendigen Vorgaben.“

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