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Reform von ARD und ZDF: Konflikte und Chancen für die Sender

Rundfunk

Reform der Öffentlich-Rechtlichen: Das sind die Streitpunkte

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    So soll die Reform der Öffentlich-Rechtlichen aussehen: (von links) Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident des Landes Sachsen, und Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, stellen am Freitag ihre Pläne vor.
    So soll die Reform der Öffentlich-Rechtlichen aussehen: (von links) Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident des Landes Sachsen, und Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, stellen am Freitag ihre Pläne vor. Foto: Sebastian Willnow, dpa

    Nach Jahren der Debatte ist die Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio am Freitag einen deutlichen Schritt vorangekommen. Doch auch nach der Einigung der Länderchefinnen und -chefs besteht noch großer Diskussionsbedarf auf allen denkbaren Ebenen. Ein Überblick:

    Grundsätzliches: In Deutschland ist Medienpolitik Ländersache. Die Länderchefinnen und -chefs und die Länderparlamente geben den beitragsfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen einen rechtlichen Rahmen vor, inhaltlich gefüllt wird der von den Rundfunkanstalten.

    Konfliktpotenzial: Gerade die Streichung von TV-Spartenkanälen birgt reichlich Zündstoff zwischen ARD und ZDF. Nach der Bestandsgarantie für KiKA und funk etwa wackeln ZDFneo und ARD One. ZDF-Intendant Norbert Himmler hatte bereits klargemacht, für wie wichtig er ZDFneo und ZDFinfo hält. Sie belegten derzeit die Plätze zehn und elf beim jungen Publikum im Ranking aller deutschen TV-Sender und trügen „31 Prozent des gesamten Sehvolumens des ZDF bei Jüngeren bei“. ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab wies dagegen erst am Mittwoch bei den Medientagen München mit Blick auf mögliche Einsparpotenziale darauf hin, dass ZDFinfo jährlich das Vierfache von ARD one koste – und ARD one koste 40 Millionen Euro. Wie sehr die Verantwortlichen mit der Streichung eines Senders hadern, zeigte sich schon konkret: Der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Kai Gniffke hatte angekündigt, noch im Jahr 2023 einen linearen Fernsehsender abzuschalten. Dazu kam es bekanntlich nicht. Ob sich ARD und ZDF auf eine – wie auch immer geartete – Kooperation bei ZDFneo und ARD One, wie sie die Länderchefs anregten, einigen können?

    Erklärbedarf: Immer wieder forderten Zuschauerinnen und Zuschauer eine Reduzierung der Senderzahl, zugleich gab es in der Vergangenheit stets emotional geführte Diskussionen, wenn Programme gestrichen, umgestaltet oder ins Digitale verlagert wurden. Was der eine für verzichtbar hält, ist für die andere unabdingbar. Die Öffentlich-Rechtlichen werden sich diesen Diskussionen nun verstärkt stellen müssen. Zugleich bietet ihnen die Reform die Chance, sich wieder stärker zu profilieren – und zwar, was ihren öffentlich-rechtlichen Kernauftrag Information und Bildung angeht. Indem sie zum Beispiel Formate aus den Spartenkanal-Nischen holen und in den Hauptprogrammen oder ihren Mediatheken prominenter platzieren. Sender wie Zuschauerinnen und Zuschauer werden es dabei aushalten müssen, dass dann das Argument nicht mehr greift, wie viele Menschen etwas angeschaut oder angehört haben. Einschaltquoten hätten im Grunde im öffentlich-rechtlichen System eine untergeordnete Rolle spielen müssen. Die Realität war eine andere, weil die Quoten als Beleg dafür herangezogen wurden, ob man „auftragsgemäß“ ein breites Publikum erreicht habe. Damit ließ sich ebenfalls begründen, warum man Vorabend-Soaps und Quizsendungen zeigt – die von denen der Privatanbieter nicht zu unterscheiden sind. Was jetzt nicht geschehen darf, ist, dass künftige Programmentscheidungen an „Popularitätswerten“ bemessen werden. Auf die Sender kommen hier schwierige Entscheidungen zu.

    Konkurrenz: Vor allem der Streit um das Thema „Presseähnlichkeit“ hatte sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. Aufseiten der ARD nahm er Züge einer grenzwertigen Kampagne an – denn statt zu informieren, musste es den Verlegern einmal mehr wie ein beitragsfinanziertes Foulspiel vorkommen. Auf dem Instagram-Kanal der „Tagesschau“, der 5,4 Millionen Follower hat, erschienen plötzlich schwarze Kacheln anstelle von Nachrichten und Erklärgrafiken. Auf ihnen stand „Was ist hier los?“, beim Weiterklicken kam ein großes Ausrufezeichen und der Text: „Unsere Arbeit auf Social Media könnte eingeschränkt werden.“ Am Freitag betonte Alexander Schweitzer, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, wie falsch das war. Drittplattformen wie Social Media seien von der geplanten Beschränkung der Onlinetexte gar nicht betroffen. „Die Sender lagen nicht richtig.“ Laut Entwurf des Reformstaatsvertrags, so hatte die „Tagesschau“ auf Instagram behauptet, „dürften wir dann nur noch Themen umsetzen, nachdem sie in einer tagesschau-Sendung im Fernsehen oder auf tagesschau24 gelaufen sind“. Aus Sicht der mit mehr als neun Milliarden Euro an Gesamterträgen (2023) ausgestatteten Öffentlich-Rechtlichen eine inakzeptable Beschränkung.

    Der Entwurf sah vor, den ohnehin schon bestehenden „Sendungsbezug“ für öffentlich-rechtliche Onlinetextangebote im Rahmen des ohnehin schon bestehenden Verbots der Presseähnlichkeit zu betonen. Schließlich seien ARD, ZDF und Deutschlandradio „primär als Bewegtbild- und Ton-Angebote“ zu begreifen. Aus Sicht der privaten Medien, die nicht auf mehrere Beitragsmilliarden jährlich zurückgreifen können, stellt diese Regelung eine schiere Notwendigkeit dar, um sie vor einer Wettbewerbsverzerrung zu schützen. Über eine „Positivliste“, auf die man sich nun in Leipzig verständigte, ist noch wenig Konkretes bekannt. Schweitzer nannte als Beispiele, die nicht beanstandet würden: Schlagzeilen zu aktuellen Ereignissen einschließlich begleitender Echtzeitberichterstattung, Faktenchecks, Maßnahmen zum Zwecke der Barrierefreiheit, Informationen über die jeweilige Anstalt und Informationen, zu denen eine gesetzliche Verpflichtung besteht.

    Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) begrüßten, dass die Bundesländer die Textangebote der Rundfunkanstalten eindämmen wollen. Klar sei, dass eine „unmissverständliche Beschränkung“ nötig sei: „Es wird zu klären sein, ob die heute verabschiedeten Regelungen das erklärte Ziel der Länder überhaupt erreichen können“, hieß es am Freitag in einer Mitteilung. „Besonders aufmerksam werden wir beobachten, wie die Auswirkungen der Änderungen auf die Praxis der Rundfunkanstalten sind.“

    Rundfunkbeitrag: Auch wenn es am Freitag hieß, man sei „nah an einer Lösung“ – eine einstimmige Einigung der Länderchefinnen und -chefs scheint tatsächlich schwer vorstellbar, erst recht binnen der kurzen Zeitspanne bis Dezember. Dann steht das nächste Treffen der Ministerpräsidenten an. Alexander Schweitzer skizzierte: Es werde zentral bleiben, was die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) vorschlage und was die Sender zuvor in ihrer Bedarfsanmeldung wollten. Das klang nicht nach „Systemwechsel“, sondern in den Grundzügen eher nach dem bisherigen Verfahren, auch wenn der Wunsch besteht, dieses zu „entpolitisieren“. Unklar auch, ob die Sender den Streit über die Beitragshöhe vors Bundesverfassungsgericht tragen werden. Unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hält es für falsch, dass der Beitrag – wie von der KEF empfohlen – zum Jahreswechsel um 58 Cent auf 18,94 Euro pro Monat und Haushalt steigt, ohne dass die jetzt auf den Weg gebrachten Reformen und ihre Folgen auch auf den Finanzbedarf der Sender berücksichtigt werden. Die Sender argumentieren mit der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und versprechen sich einen Erfolg vor Gericht. Sorgen bereitet ihnen eine ab 2025 entstehende „Finanzierungslücke“.

    Annika Sehl, Professorin für Journalistik mit dem Schwerpunkt Medienstrukturen und Gesellschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, erklärte am Freitag in einer ersten Reaktion: Sie finde es „positiv, dass sich die Ministerpräsidenten einstimmig auf Reformen einigen konnten, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die Zukunft aufstellen sollen“. Das sei vorher nicht zwingend so anzunehmen gewesen. Allerdings: „Der Knackpunkt, die Finanzfrage, ist jedoch auf den Dezember vertagt. Dann wird sich zeigen, ob es gelingt, ein Finanzierungssystem vorzustellen, das den Anstalten eine auskömmliche Finanzierung zur Erfüllung ihres Auftrags sichert, gleichzeitig Wirtschaftlichkeit in den Blick nimmt und – das ist zentral – entpolitisiert ist.“ Sehl war eines von acht Mitgliedern des „Zukunftsrats“, den die Länder mit der Erarbeitung von Reformideen betraut hatten.

    Weiter sagte sie unserer Redaktion: „Die offene Frage des künftigen Rundfunkbeitrags kann nun dazu führen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Denn die neue Beitragsperiode beginnt schon am 1. Januar 2025.“ Der Beitrag müsste dann steigen, das beruhe auf einem verfassungsrechtlich verbrieften Verfahren, an dem sich die Landesregierungen und Länderparlamente eng orientieren müssen. „Hier hatte Sachsen-Anhalt schon in der Vergangenheit einmal eine Niederlage kassiert, als es sich gegen die Empfehlung gestellt hatte.“

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