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Ramstein-Konferenz: So schlägt sich der neue Verteidigungsminister auf seiner ersten Mission

Ramstein-Konferenz

So schlägt sich der neue Verteidigungsminister auf seiner ersten Mission

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    Am zweite Arbeitstag gleich auf die Weltbühne: Verteidigungsminister Boris Pistorius in Ramstein.
    Am zweite Arbeitstag gleich auf die Weltbühne: Verteidigungsminister Boris Pistorius in Ramstein. Foto: Boris Roessler, dpa

    Da war er wieder – der Vorwurf aus dem Ausland an die deutsche Politik im Streit um Leopard-Panzer für die Ukraine: „Warum zögert Berlin in dieser Frage so?“, fragt eine US-Reporterin den neuen deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius am Rande der internationalen Ramstein-Konferenz. Der SPD-Politiker kontert in sicherem Englisch: „Wir sind nicht wirklich zögerlich, wir sind einfach sehr vorsichtig, dabei alle Pros und Contras abzuwägen.“

    Es ist der erste große Auftritt von Boris Pistorius auf der Weltbühne. Die Luftwaffen-Basis Ramstein liegt zwar auf deutschem Boden, aber politisch ist sie amerikanisches Territorium. Schon zwei Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine lud der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin seine Nato-Partner in das europäische Hauptquartier der amerikanischen Air Forces in der Nähe von Kaiserslautern. Pistorius wirkt an seinem gerade mal zweiten Tag im Amt trotz des hohen Drucks auf Deutschland in der Ukraine-Frage deutlich selbstsicherer als Verteidigungsminister als seine glücklose Vorgängerin Christine Lambrecht.

    Der langgediente SPD-Politiker aus der niedersächsischen Landespolitik muss in Ramstein vor allem seinen neuen Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz, gut aussehen lassen, der in der Panzerfrage nicht nur bei der deutschen Opposition und seinen Koalitionspartnern in der Kritik steht. Fast noch härter fällt der Unmut im Ausland aus.

    Boris Pistorius tritt in Ramstein ohne eine Panzer-Lieferungsgenehmigung auf

    Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte vor der Konferenz gedroht, Polen werde notfalls auch ohne deutsche Genehmigungen Leopard-Panzer in die Ukraine liefern: „Die Zustimmung ist hier zweitrangig. Wir werden entweder schnell eine Einigung erzielen oder wir werden selbst das Richtige tun.“ Und den neuen Minister Pistorius strafte Morawiecki mit offener Verachtung: „Er ist ein enger Mitarbeiter des Symbols der Schande, Gerhard Schröder – einer, der die ganze Zeit mit Putin redet, plaudert, als wäre nichts gewesen“, sagte der Politiker der nationalistischen Pis-Partei. Politprofi Pistorius ließ die polnischen Drohungen abperlen: Diese Position sei in Ramstein nicht vorgebracht worden und es stehe jedem Partner gerne frei, als Vorbereitung schon mal ukrainische Militärkräfte an den Leopard-Panzern auszubilden.

    Pistorius’ Mission war aber, den Eindruck zu zerstören, dass Deutschland mit seiner skeptischen Haltung zu Panzerlieferungen inzwischen international isoliert sei. Dass der Kanzler, der immer vor deutschen Alleingängen bei Waffenlieferungen gewarnt hatte, längst auf einem Alleingang unterwegs zu sein scheint. „Der Eindruck, der gelegentlich entstanden ist, es gebe eine geschlossene Koalition und Deutschland stehe im Weg, dieser Eindruck ist falsch“, behauptet Pistorius. „Es gibt viele Alliierte, viele Verbündete, die sagen, wir teilen die Auffassung, die ich heute dargelegt habe: Es gibt gute Gründe für die Lieferung, es gibt gute Gründe dagegen.“ Dass allerdings bei allen bislang bekannten Stimmen die Gründe dafür klar überwiegen, verschweigt der SPD-Mann.

    Ohne die Liefergenehmigung des Kanzlers im Gepäck bleibt Pistorius in Ramstein nur übrig, auf Zeit zu spielen: Um „vor der Lage zu sein“, leitet sein Ministerium alles für eine möglichst schnelle Leopard-Lieferung an die Ukraine ein, sagt er. „Das ist die Vorbereitung auf einen Tag, der möglicherweise kommen mag“, sagt er. Pistorius erweckt den Eindruck: Nach einer Anstandsfrist für den getriebenen Kanzler sind auch Leopard-Panzer-Lieferungen an die Ukraine auch aus deutschen Beständen nur mehr eine Frage der Zeit.

    Doch US-Medien berichten, dass Scholz nach wie vor in der Frage hart bleiben soll und von den USA fordere, mit der Lieferung amerikanischer Abrams-Panzer voranzugehen. Dies erklärte auch der amerikanische Repräsentantenhaus-Abgeordnete Seth Moulton, der sich mit dem Kanzler in Davos zu Gesprächen getroffen hatte. „Scholz will mit den USA im Gleichschritt sein“, sagte der Demokraten-Politiker dem Sender CNN. „Ich denke, die USA sollten ein paar Panzer geben, wenn das für Deutschland erforderlich ist. Das nennt man Führung.“ 

    Rodrich Kiesewetter kritisiert Bundesregierung in Leopard-Frage scharf

    Mit scharfer Kritik reagiert die Union. „Das Ergebnis des Ramstein-Treffens ist für Deutschland leider eine weitere Isolierung“, sagt der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter. „Alle Partner haben auf eine Entscheidung in der Leopard-Frage gewartet. Deutschland zögert zu entscheiden und weigert sich, Führung zu übernehmen.“ 

    Kiesewetter betonte, dass auch der Auftritt von Pistorius über den Streit in der Panzerfrage nicht hinwegtäuschen könne. „Der Unmut der USA und der Partner war in den abschließenden Statements deutlich zu vernehmen“, sagte der Außenpolitiker. „Deutschland hat der Ukraine und sich selbst für die künftige Position einen Bärendienst erwiesen. Russland wird sich über die öffentlich ersichtlichen Risse unter den Partnern bei der Ukraine-Unterstützung freuen. Die Opfer in der ukrainischen Bevölkerung und unter den Soldaten und Soldatinnen, wie man gerade in Bachmut sieht, werden damit immer weiter zunehmen.“ 

    Der frühere Bundeswehr-Oberst sieht westliche Kampfpanzer als einen entscheidenden Faktor für den weiteren Kriegsverlauf in der Ukraine. „Für die Befreiung von Staatsgebiet würden Leopard-Panzer ab einer Anzahl von 100 bis 150 Stück im Verbund mit Schützen- und Transportpanzern eine Wende einleiten.“ Sprachlos mache es ihn, dass die Regierung erst jetzt eine Bestandsliste an Leopard 1 und 2 in Bundeswehr- und Industriebeständen in Auftrag gebe. „Es ist peinlich und erschreckend, dass Deutschland dies knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn offenbar erst einfällt.“ 

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