Rund 1,2 Millionen "Kunden" bedienen die 400.000 Prostituierten in Deutschland täglich mit sexuellen Dienstleistungen. Sex gegen Bares gilt als das älteste Gewerbe der Welt. Seit Prostitution durch das rot-grüne Gesetz von 2002 hierzulande seinen alten Makel der "Sittenwidrigkeit" verlor, habe sich Deutschland "zum Puff Europas entwickelt" - klagen lauthals konservative Kritiker. Belegen mit Zahlen und harten Fakten lässt sich das allerdings nicht. Auch in Staaten wie Frankreich und Schweden, wo Prostitution offiziell verboten ist, läuft das Geschäft mit dem Sex weiter - allerdings illegal und zum Teil mit heftigen kriminellen Auswüchsen.
Kritker: Ist Deutschland der "Puff Europas"?
Mit der kompletten gesetzlichen Neuregelung der Prostitution in Deutschland haben sich Union und SPD viel vorgenommen. Das erste mehrstündige Gespräch von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) mit den Fachpolitikern der Koalitionsfraktionen machte am Donnerstag deutlich, dass so eine Absichtserklärung schneller in den Koalitionsvertrag geschrieben als im einschlägigen Milieu umgesetzt ist. Wie es nun aussieht, soll es spätestens ab 2016 ein eigenständiges, völlig neues "Prostituiertenschutzgesetz" geben - bei dem der Schutz der Huren vor Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel im Vordergrund steht.
Ob es gemäß dem Ansinnen der Union auch zu Änderungen im Strafrecht kommt und die Freier von Zwangsprostituierten auch belangt werden können, ist noch fraglich. Denn Experten aus Justiz und Polizei haben hier Bedenken, weil häufig einzig von den Freiern Hinweise über Zwangsprostitution zu den Behörden gelangen. Aus der Union kam nun das Kompromissangebot, in solchen Fällen Straffreiheit zuzusichern. Man prüfe das noch, hieß es dazu beschwichtigend im Bundesjustizministerium.
Union und SPD wollen neues "Prostituiertenschutzgesetz"
Schwesig beklagt, dass man in Deutschland bisher leichter einen Puff als eine Frittenbude eröffnen kann. Sie setzt auf eine "Erlaubnispflicht" für Bordelle und sonstige Einrichtungen, in denen "sexuelle Dienstleistungen" angeboten werden. Zuhältern oder anderen einschlägig Vorbestraften soll der Betrieb von Bordellen verwehrt werden.
Prostitution bleibt aber grundsätzlich erlaubt. Den Huren steht - wie nach dem Gesetz von 2002 - weiter der Zugang zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung offen. Ihren Liebeslohn können sie von den Freiern auch weiter einklagen. Neu ist, dass sie sich künftig in den Kommunen an- und abmelden sollen. Auf der Basis dieser "Nachweisdokumente" sollen sich dann Huren und Bordell-Betreiber auf eine Art Arbeitsvertrag verständigen. Die Behörden müssen dieses "Rechtsverhältnis" kontrollieren.
Aufklärung im Bordell? Schwesig fordert Werbung für Safen Sex
Ein Ziel dabei ist, die Frauen vor Wuchermieten in Bordellen zu schützen. Zugleich kann der Staat so auch besser gegen "Scheinselbstständigkeit" in Puffs und Clubs vorgehen - und das Finanzamt kann viel leichter als bisher bei den Bordellen seinen Obolus für die Staatskasse eintreiben.
Schwesigs Eckpunkte für das Gesetz enthalten zudem eine Fülle weiterer guter Absichtserklärungen - deren Umsetzung in der heutigen Alltagsrealität des Rotlichtgewerbes allerdings noch schwer vorstellbar ist. So soll Werbung für ungeschützten Geschlechtsverkehr strikt verboten und die Bordelle zugleich verpflichtet werden, über Safer Sex aufzuklären. Die Union will gar noch weiter gehen und eine gesetzliche Kondompflicht einführen. Aber wer will das letztlich vor Ort kontrollieren?
Koalition einig: "Flatrate-Sex" und "Rape-Gang-Bang-Partys" werden verboten
Prostituierte und Prostitution in Augsburg
In Augsburg arbeiten laut Kripo rund 600 Prostituierte.
Die Zahl ist nach dem Verbot des Straßenstrichs in Augsburg vor knapp zwei Jahren leicht gesunken.
Rund 90 Prozent der Frauen kommen aus dem Ausland, die meisten aus Osteuropa.
Sie bleiben in der Regel nur einige Zeit in der Stadt und ziehen dann weiter.
Es gibt in Augsburg ein gutes Dutzend Bordelle und etwa 130 Bordellwohnungen.
Prostitution wurde 2002 durch ein Gesetz in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Verboten ist zwar Ausbeutung von Prostituierten – für die Polizei ist das aber oft schwer nachweisbar.
Einig ist sich die Koalition auch darin, künftig "menschenunwürdige Geschäftsmodelle wie Flatrate-Sex und Rape-Gang-Bang-Partys" zu verbieten. Zunehmend werden solche Angebote heute via Internet offeriert. Der Gesetzgeber stößt hier allerdings in eine immer schwerer abzugrenzende Grauzone vor - zwischen der käuflichen Prostitution in klassischen Bordellen und den vielen kommerziell betriebenen Swingerclubs in Deutschland, die sich offiziell als "Privatclubs" definieren, häufig aber Austragungsort solcher Partys sind - mit weiblicher Verstärkung gegen "Taschengeld" versteht sich. AZ/dpa