Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Porträt: Karl-Theodor zu Guttenberg versucht sich neu zu erfinden

Porträt

Karl-Theodor zu Guttenberg versucht sich neu zu erfinden

    • |
    Karl-Theodor zu Guttenberg hat mit Thomas Gottschalk den RTL-Jahresrückblick moderiert.
    Karl-Theodor zu Guttenberg hat mit Thomas Gottschalk den RTL-Jahresrückblick moderiert. Foto: Angelika Warmuth, picture alliance/dpa

    Das Foto ist gut 14 Jahre alt. Der damals 37-jährige Karl-Theodor zu Guttenberg gab dem Affen wieder mal Zucker und widerstand nicht dem Lockruf der Fotografen, sich auf dem New Yorker Times Square in der Pose eines Showmans ablichten zu lassen. Da stand der Bayer mit zurückgekämmtem Haar, runder Brille, breit lächelnd und breit die Arme mit den Hand-Innenflächen nach oben zur Seite ausgestreckt. Das zugeknöpfte Sakko und die gelbe Krawatte rundeten das Selbst-Arrangement ab. Guttenberg war in die USA gereist, um bei der einstigen Mutter General Motors auszuloten, ob Opel zu retten sei. Das lässige Auftreten des Bundeswirtschaftsministers passte nicht zu seiner ernsten Mission. 

    Nachdem der Senkrechtstarter blitzartig über seine Zitierschwäche gestürzt war und rund zehn Jahre mit der Familie in den USA als Berater und Unternehmer unterkriechen konnte, ist er seit einer Weile zurück in Deutschland. Guttenberg versucht einen Neuanfang. Die Haare sind nach vorn gekämmt, brauchen kein Gel mehr. Das Sakko knöpft er nicht mehr zu, verzichtet auf Krawatten. 

    Dafür sind die beiden obersten Knöpfe des Hemds offen, wenn er überhaupt eines zum Sakko trägt und sich nicht mit einem T-Shirt begnügt. Der 51-Jährige trägt oft Chucks, ein Schuhwerk, das aus der Welt des Basketballs stammt. Er wirkt wie einer der Väter, die, was Hipness betrifft, nicht zu stark hinter ihren Kindern zurückfallen wollen. Sein Sieben-Tages-Bart soll die modische Neu-Inszenierung des schlanken Mannes abrunden. 

    Nicht nur optisch wirkt der einstige Politik-Star, den sich viele als Kanzler gewünscht hatten, verändert. Seine Äußerungen der vergangenen Monate deuten darauf hin, dass sich der adelige Franke auch als Mensch runderneuert hat. Seine zahlreichen Beiträge auf dem Karriere-Netzwerk LinkedIn, aber auch Podcasts und Interviews legen die Interpretation nahe, Guttenberg sei ein Stück weit geläutert, bereue seine Fehler und versuche mit Selbstironie und Neugier einen neuen Abschnitt seines Lebens zu betreten.

    Ein Bild aus alten Zeiten: Karl-Theodor zu Guttenberg und seine Frau Stephanie.
    Ein Bild aus alten Zeiten: Karl-Theodor zu Guttenberg und seine Frau Stephanie. Foto: Felix Hörhager, dpa

    Hat Karl-Theodor zu Guttenberg wirklich Buße getan?

    Ist es nur eine Show oder hat er wirklich Buße getan? Einer, der ihn lange kennt, sagt unserer Redaktion, mit der Bitte, nicht namentlich genannt zu werden: "Zu einem Großteil ist sein Wandel glaubhaft, doch immer noch schwingt bei ihm, gerade wenn er sein früheres Verhalten kritisiert, der Wunsch mit, Menschen zu gefallen." Aber dürsten nicht die meisten nach Anerkennung? Auf alle Fälle hat sich Guttenberg die Selbstironie zum Verbündeten auserkoren. So ließ er sich nach "langem Sträuben" darauf ein, mit dem Ober-Linken Gregor Gysi einen regelmäßigen Podcast zu bestreiten. Warum macht er das? Aus Eitelkeit etwa? fragt Guttenberg sich und den Mitstreiter. Seine Antwort lautet: "Kaum, das haben wir beide schon exzessiv hinter uns." Die politisch weit auseinanderliegenden Männer "mögen sich", wie sie beteuern. Der Linke schätzt an dem Konservativen, dass er keinen miesen Charakter habe, der Ironie fähig sei und sich für andere Menschen echt interessiere.

    Gysi spricht mit dem "lieben K.T. zu Guttenberg" über Einsamkeit, ein Thema, das auf der Agenda aktiver Politiker selten auftaucht. Ganz unironisch gewähren die Herren Einblicke in ihr Seelen-Leben, eine Offenheit, die auch zum neuen Guttenberg gehört. "Es gibt Tage, da fühlst du dich grauslig", bekennt Gysi. Guttenberg ergänzt: "Abgründig!" Die

    Karl-Theodor zu Guttenberg ist eben nur fast ganz anders

    Ein wenig Eitelkeit schwingt immer noch mit. Guttenberg ist eben nur fast ganz anders. So lässt er es sich nicht nehmen, der Zuhörerschaft mitzuteilen, wie gut er den jetzt 100 Jahre alt gewordenen US-Politiker Henry Kissinger, der fränkische Wurzeln hat, kennt, ja, ihn als seinen Mentor seit einer frühen Bekanntschaft betrachtet. Der neue Guttenberg erkennt allerdings die Gefahren der Selbstüberschätzung und tritt rasch wieder aus dem Licht allzu stolzer Selbstbetrachtung heraus. "Wir neigen dazu, uns das erfolgreiche Leben ein Stück weit schönzureden", sagt er nun und erzählt von einsamen Momenten in seiner Kindheit, als er nach der Scheidung der Eltern bei seinem Vater, dem berühmten Dirigenten, aufgewachsen ist.

    Als Verteidigungsminister betrieb zu Guttenberg die Aussetzung der Wehrpflicht – das Ende auch des Zivildienstes.
    Als Verteidigungsminister betrieb zu Guttenberg die Aussetzung der Wehrpflicht – das Ende auch des Zivildienstes. Foto: Fredrik von Erichsen, dpa

    Wenn Guttenberg gegenüber Gysi seine Bildung durchblicken lässt ("Ich habe ein Bismarck-Zitat mitgebracht") behilft er sich wiederum, um nicht arrogant zu wirken, mit seinem bewährten Allheilmittel Selbstironie: "Ich muss beim Zitieren, wie man weiß, aufpassen." Der neue Guttenberg spricht nicht nur gerne mit politischen Gegnern, er moderierte mit Thomas Gottschalk den Jahresrückblick auf RTL oder führte für einen Film des Senders über Wladimir Putin wie ein Journalist durchaus interessante Interviews. Guttenberg schreibt auch mit großer Ausdauer und Empathie auf LinkedIn kleine literarische Miniaturen auf, die dort eine beachtliche Anhängerschaft finden. So hat der Nachwuchs-Literat und "Suchende", wie er sich selbst nennt, ausgiebig Zeit, in New York zu begutachten, wie Künstler Theater betreten und nach der Vorstellung wieder verlassen. Der genaue Beobachter Guttenberg schreibt Sätze wie diesen: "Kaltes Halogen leuchtet die Dämonen aus." 

    Einige der Leserinnen und Leser wünschen sich "ihren Karl-Theodor zu Guttenberg" nicht so sehr als Alltags-Poet, sondern sehen in ihm trotz aller Skandale einen Retter für Deutschland. "Hier gibt es eine Wirtschaftskrise, wir brauchen aktive Problemlöser", lässt ihn eine Frau wissen. Dergleichen Lockrufe überhört der Angesprochene standhaft. "Mich gibt es nicht mehr politisch. Nein, ich kehre nicht mehr in die Politik zurück", winkt Guttenberg stets ab. Ist es wieder eine K.T.-Show oder ein glaubhaftes Bekenntnis? Ein CSU-Kenner meint: "Da müsste man ihn nach einem Scheitern Söders auf Knien bitten, dann würde er es sich in einer Not-Situation vielleicht doch anders überlegen." Mal sehen, wann sich Guttenberg das nächste Mal neu erfindet. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden