Leicht hatten sie es nie miteinander – Gerhard Schröder und die SPD. Dem alten sozialdemokratischen Ideal vom Arbeiterführer, bodenständig, klassenbewusst und im Zweifel links, entsprach er schon als Kanzler nicht mehr, und das lag keineswegs nur an den dicken Cohiba-Zigarren, die er rauchte, oder an den teuren Anzügen von Brioni, die er trug. Schröder, aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen als Sohn einer Kriegerwitwe, ist im Herzen zwar noch immer ein Genosse – zeigen aber konnte (und kann) er es nur selten. Im Gegenteil: Wer sich unter Unternehmern erkennbar wohler fühlt als in sozialdemokratischen Ortsvereinen, wer elementare Teile des Sozialstaates zur Disposition stellt und viel Geld als Lobbyist für einen russischen Gaskonzern verdient, wird in der SPD allenfalls respektiert. Geliebt wird er nicht.
So sehr ihn die Partei für seine Wahlsiege gefeiert hat, erst in Niedersachsen und dann 1998 und 2002 im Bund, so dankbar sie ihm für sein Nein zu einer Beteiligung der Bundeswehr am Krieg im Irak war, so häufig ist sie auch an ihm verzweifelt. An seinen Sozialreformen, die Deutschland nach einer langen konjunkturellen Durststrecke wieder wettbewerbsfähig gemacht, der Sozialdemokratie aber viel zugemutet haben. An seiner Basta-Politik, die so gar nicht zu einer Partei passen wollte, die jedes Problem bis ins Letzte ausdiskutieren will. Und, nicht zuletzt, an seiner Loyalität zu Wladimir Putin, den er einst einen lupenreinen Demokraten nannte, der ihm und seiner damaligen Frau Doris half, zwei russische Kinder zu adoptieren, der sich inzwischen aber außerhalb jeder Ordnung gestellt hat. „Man muss sich leider für ihn schämen“ hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach gerade erst geklagt und damit nicht Putin gemeint, sondern Gerhard Schröder, der an diesem Sonntag 80 Jahre alt wird.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert? Für Schröder "ein armer Wicht"
Sie leiden aneinander, die SPD an Schröder und er an ihr, aber ganz ohne einander können sie eben auch nicht. Wolfgang Clement, den er einst zum Superminister für Wirtschaft und Arbeit gemacht hat, ist irgendwann aus Verdruss ausgetreten, Thilo Sarrazin akzeptierte seinen Ausschluss zermürbt von den quälend langen Auseinandersetzungen – Gerhard Schröder aber, so scheint es, verbindet noch etwas mit dieser Partei. Gerade erst hat er sich in einem Interview darüber empört, dass im Willy-Brandt-Haus auf der Vorstandsetage kein Bild von ihm hänge, wo er doch auch fünf Jahre Parteivorsitzender war. Gleichzeitig aber schont er die Partei auch nicht, wenn er in einer ARD-Dokumentation poltert: „Ich brauch' doch für mein Lebenswerk nicht die Zustimmung der SPD-Führung.“ Das seien alles „armselige Gestalten“, stichelt er da, und Generalsekretär Kevin Kühnert sei nur „ein armer Wicht.“
Die SPD aber, findet Schröder, „ist größer als diese Leute.“ Dass sie ihn inzwischen nicht einmal mehr zu ihren Parteitagen einlädt? Geschenkt. „Ich bin Sozialdemokrat, und solange man mich lässt, will ich das auch bleiben.“ Das große Zerwürfnis mit seiner Partei und dem großen Rest der Republik erklärt er sich vor allem damit, dass er halt schon immer anders gewesen sei als andere Politiker. Weniger berechenbar. Ungeduldiger. Nicht so stromlinienförmig. Und seine Freundschaft zu Putin? „Ich bereue nichts.“
Der Versuch, ihn aus der SPD auszuschließen, ist jedenfalls gescheitert. Etwas verschämt hat die Partei ihn im Oktober sogar für 60 Jahre Mitgliedschaft geehrt, auch wenn viele Spitzengenossen ihn noch immer gerne los wären. Schröder selbst aber schert sich darum wenig. Lieber spielt er Golf mit seiner Frau Soyeon, die auch darauf achtet, dass er sich gesünder ernährt, er hält Vorträge in China, wo er immer noch wie ein Staatsgast hofiert wird, oder sammelt Geld für ein neues Kirchenfenster in seiner Heimatstadt Hannover. Neuerdings mischt er sich sogar wieder in die aktuelle Politik ein, aus der er sich lange Zeit herausgehalten hat. Die defensive Linie von Olaf Scholz im Streit um die Waffenlieferungen an die Ukraine etwa heißt er ausdrücklich gut: „Es kann ja nie schaden, in der politischen Diskussion als jemand zu gelten, der sehr zurückhaltend ist, was die Beteiligung an einem Krieg betrifft“, sagt Schröder. Er selbst hat es beim Irak-Krieg genauso gehalten und war zugleich der erste deutsche Kanzler, der die Bundeswehr in einen Krieg geschickt hat – 1999 im Kosovo. Zwei Jahre später folgte dann der Einsatz in Afghanistan.
Gerhard Schröders Geburtstagsfeier plant seine Frau
Wer seinen 80. Geburtstag alles mit ihm feiere, sagt er, sei noch ein Geheimnis. „Das ist eine Überraschung für mich. Meine Frau hat Freunde und Freundinnen eingeladen. Ich weiß weder welche, und ich weiß nichts über ein denkbares Programm. Ich weiß nur, dass es in Berlin stattfindet.“ Die offizielle SPD in Gestalt ihrer Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil wird dabei kaum vertreten sein, und Kevin Kühnert, „der arme Wicht“, sicher auch nicht, wohl aber ein paar alte Genossen, die den Kontakt nicht haben abreißen lassen, als aus dem Altkanzler ein allseits Geächteter wurde. Sigmar Gabriel etwa, ebenfalls ein paar Jahre SPD-Chef, der frühere Innenminister Otto Schily oder Schröders erster Kanzleramtschef Bodo Hombach. Zu seinem 70. hat die SPD dem kunstsinnigen Schröder noch einen großen Empfang in einem Berliner Museum organisiert – undenkbar heute. Sogar die Kaffeetassen mit seinem Konterfei hat die Partei aus ihrem Onlineshop genommen.
Vom Krieg in der Ukraine hat der Altkanzler sich distanziert, nicht aber von Putin. Sein Versuch, kurz nach Kriegsbeginn zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln, scheiterte zwar früh. Schröder aber plädiert weiter für eine Lösung auf dem Verhandlungsweg und wähnt sich dabei, wie er selbst sagt, „in der Mitte der Sozialdemokratie.“ Dass die das ganz ähnlich sieht, ist allerdings nur ein Gerücht.