Vor wenigen Wochen erst hat Gesundheitsminister Jens Spahn die Pflege zur sozialen Frage dieses Jahrzehnts erklärt – jetzt will er mit einer rund sechs Milliarden Euro teuren Reform Fakten schaffen. "Fast 25 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung in Deutschland ist es an der Zeit, die grundlegenden Strukturen zu überdenken und zukunftsfest zu machen", heißt es im Konzept des CDU-Politikers. Nach allem, was bisher durchgesickert ist, plant er unter anderem:
Länder sollen monatlichen Zuschuss für vollstationäre Pflege zahlen
Mehr als 700 Euro im Monat sollen Pflegebedürftige oder deren Angehörige nicht mehr für die stationäre Pflege bezahlen müssen – und das auch nur maximal drei Jahre lang, dann würde der Staat die 700 Euro übernehmen. Im Schnitt lag dieser Eigenanteil zuletzt bei 786 Euro. Dazu kommen allerdings noch weitere Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in Ausstattung und Gebäude. Je nach Heim können sich die Eigenbeiträge für einen Pflegeplatz so auf deutlich über 2000 Euro im Monat addieren. Auch deshalb sollen die Länder nach Spahns Willen für jeden vollstationär Pflegebedürftigen monatlich noch 100 Euro als eine Art Investitionszuschuss beisteuern. Im Gegenzug, argumentiert der Minister, würden sie bei der Sozialhilfe ja um rund eine Milliarde Euro jährlich entlastet.
Bisher zahlen Kinderlose in die Pflegekasse einen um 0,25 Prozentpunkte höheren Beitrag ein. Diesen Aufschlag will Spahn um 0,1 Prozentpunkte anheben. Das diene der "Demografie–festigkeit" der Pflegeversicherung.
Pflegeheime und ambulante Dienste sollen in Zukunft nur noch dann eine Zulassung erhalten, wenn sie ihren Beschäftigten auch Tariflöhne zahlen. Mit Billiglöhnen für Pflegekräfte wäre damit endgültig Schluss. Über ein Sonderprogramm will Spahn darüber hinaus noch bis zu 20.000 Stellen für Pflegehelfer finanzieren.
Pflegegeld und Zuschüsse für Tagespflege steigen um fünf Prozent
Leistungen wie das Pflegegeld, die Zuschüsse für die ambulante Pflege oder die Tagespflege sollen zum 1. Juli kommenden Jahres um fünf Prozent angehoben werden. Vom Jahr 2023 an sollen sie dann regelmäßig an die Inflationsrate angepasst werden. Ansprüche von Kurzzeit- und Verhinderungspflege sollen in einem Jahresbetrag von 3300 Euro gebündelt werden. Die Pauschale für Hilfsmittel bei der Pflege soll von 40 auf 60 Euro monatlich steigen.
Um die Pflegeversicherung für die nächsten Jahre wetterfest zu machen, will Spahn ihr einen festen Zuschuss aus den Steuereinnahmen des Bundes überweisen. Wie hoch er sein soll, ist noch nicht bekannt. Er dürfte in jedem Fall in die Milliarden gehen.
Die staatliche Zulage für die private Pflegevorsorge, etwa durch den Abschluss einer speziellen Versicherung, will der Gesundheitsminister von fünf auf bis zu 15 Euro im Monat anheben.
Mit dem Koalitionspartner SPD hat Spahn seine Pläne noch nicht abgestimmt. Ihr Generalsekretär Lars Klingbeil bemängelt, der Vorschlag enthalte einen typischen konservativen Rechenfehler, da er nicht berücksichtige, "dass diejenigen, die hohe Einkommen und hohe Vermögen haben, mehr leisten können". Die SPD pocht auf eine stärkere Berücksichtigung des Einkommens bei den Pflegekosten. Der Minister dagegen hatte schon im Oktober beteuert: "Notwendige Pflege bekommt jeder, unabhängig vom sozialen Status. Das Versprechen gilt."
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Gesellschaft muss die Pflege mehr wertschätzen
Das könnte Sie außerdem interessieren:
- Corona: Wie es Angehörigen mit den Einschränkungen im Pflegeheim geht
- Steigende Zahlen: Wie Seniorenheime im Wittelsbacher Land mit Corona umgehen
- Donauwörth: Hier üben die Pflegekräfte von morgen
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.