Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vertrauensfrage im Bundestag verloren. Die Mehrheit der Abgeordneten sprach dem 66-Jährigen am Montag das Misstrauen aus und ebnete damit den Weg für die Neuwahl am 23. Februar. Die Stunde seiner Niederlage versuchte der SPD-Politiker in einen Neuanfang seiner Kanzlerschaft zu verwandeln. „Für unser Land, für Deutschland, werde ich jeden Tag weiter alles geben. Und dafür bitte ich Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, um Ihr Vertrauen“, sagte Scholz am Abschluss seiner Rede, die einer Bewerbung für das mächtigste politische Amt Deutschlands glich.
Darin ging er vor allem einen Mann frontal an. FDP-Chef Christian Lindner sprach er die „sittliche Reife“ für Politik ab, warf ihm die bewusste Sabotage der Ampel-Koalition vor. „Die Wahrheit über dieses Schauspiel ist inzwischen ans Licht gekommen“, erklärte Scholz.
Keine deutschen Soldaten in der Ukraine
Vor den versammelten Abgeordneten aller Fraktionen und parlamentarischen Gruppen warb er unter der Kuppel des Reichstages für seinen Politikansatz des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Soziale Sicherung dürfe nicht gegen Investitionen in Infrastruktur und die Aufrüstung der Bundeswehr ausgespielt werden. Zu seinem Angebot an die Wähler gehört auch, einerseits der Ukraine anhaltende Unterstützung mit Waffen und Geld zu versichern, andererseits Russland nicht übermäßig durch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern oder die Abstellung deutscher Soldaten zu provozieren. „Nicht mit mir als Bundeskanzler“, betonte Scholz. Der Union mit deren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz warf er vor, die Renten kürzen zu wollen.
In seiner Antwort auf die Rede des Kanzlers entgegnete der CDU-Chef, dass das eine falsche Unterstellung sei. „Es wird mit uns keine Rentenkürzungen geben. Wer etwas anderes sagt, lügt“, betonte Merz. Zu Beginn seiner Rede warf er sich zunächst vor den heftig kritisierten FDP-Chef Lindner, um dann mit der Ampel-Regierung abzurechnen. Wirtschaftsschwäche, die Verschleppung der Zeitenwende, eine wackelige Energieversorgung und verprellte europäische Partner. „Herr Bundeskanzler, Sie stellen heute die Vertrauensfrage. Sie haben Ihre Chance gehabt. … Sie, Herr Scholz, haben das Vertrauen nicht verdient“, sagte Merz.
Der CDU-Vorsitzende stellte die Beseitigung der Konjunkturkrise in den Mittelpunkt, kündigte Steuersenkungen und eine Absenkung des Bürgergeldes an, sollte er die Wahl gewinnen. Hatte er in den vergangenen Wochen zeitweise die Nähe zu den Grünen gesucht, nahm er im Bundestag auch Wirtschaftsminister Robert Habeck in die Verantwortung: „Sie sind das Gesicht der Wirtschaftskrise in Deutschland.“
Die Familienunternehmen sind besorgt
Rückendeckung erhielt der CDU-Mann aus dem Kreis der Unternehmer. „Die Milliardärssteuer von Habeck und die Vermögensteuer der SPD sind neue Steuern auf die unternehmerische Basis in Deutschland. Denn große Vermögen sind in Deutschland zu mehr als 60 Prozent in Betrieben gebunden“, sagte der Chef der Stiftung Familienunternehmen, Rainer Kirchdörfer, unserer Redaktion. Nach zwei Jahren Rezession in Deutschland benötigten die Unternehmen nicht neue Strafsteuern, sondern dringend Entlastungen.
Habeck sprach direkt nach Merz und räumte ein, dass die Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition schwierig gewesen sei. Die Beschlüsse seien oft zu klein gewesen und zu spät gekommen. Der Kanzlerkandidat der Grünen warf zugleich der Union vor, unbezahlbare Wahlversprechen zu machen und nicht in der Wirklichkeit angekommen zu sein. „Sie verweigern die Antwort, wie Sie es machen wollen. Sie müssen sich nicht mit uns, sondern mit der Realität auseinandersetzen.“
Die Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel, ging sowohl mit Scholz als auch mit Merz hart ins Gericht. Dem Kanzler warf sie vor, das Land wirtschaftlich ruiniert und für Ströme von Migranten geöffnet zu haben, Merz wegen seiner Haltung zur Ukraine Deutschland „zur Zielscheibe eines drohenden Atomkrieges machen“.
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