Genau einen Monat nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine ringen die Spitzen von Nato, Europäischer Union und G7 an diesem Donnerstag um gemeinsame Antworten. Alle drei Organisationen treffen sich zu Sondergipfeln in Brüssel, an denen auch US-Präsident Joe Biden persönlich teilnehmen wird. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird per Video zugeschaltet.
Bereits vor der Zusammenkunft des transatlantischen Verteidigungsbündnisses teilte Generalsekretär Jens Stoltenberg mit, dass die Nato zur Abschreckung Russlands ihre Ostflanke mit vier weiteren Gefechtsverbänden verstärken wird. Als Standorte sind demnach die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien vorgesehen. Derzeit hat die Nato lediglich in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen dauerhaft Verbände stationiert. Diese sind normalerweise etwa 1000 Soldaten stark.
Nato will nicht Kriegspartei in der Ukraine werden
Beim Nato-Treffen wird es nach Informationen aus der Bundesregierung darum gehen, die Geschlossenheit der Allianz und die Unverletzlichkeit des Bündnisgebiets zu untermauern. Gleichzeitig gelte weiter die Überzeugung, dass die Nato keine Konfliktpartei sei. Dies hatte zuvor auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag bekräftigt. Zwar höre er die, die eine Flugverbotszone oder Nato-Friedenstruppen in der Ukraine forderten. Doch, so Scholz: „So schwer es fällt, wir werden dem nicht nachgeben.“ Eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland dürfe es nicht geben. „Die Nato wird nicht Kriegspartei“, sagte Scholz.
Wie sollen die Millionen Ukraine-Flüchtlinge verteilt werden?
In den Treffen der Staatschefs der EU und der sieben großen demokratischen Industrienationen wird es der Bundesregierung zufolge um die Bewertung der Sanktionen gegen Russland und die Sicherstellung der Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln gehen. Ein Verzicht auf russische Energielieferungen ist offenbar nicht geplant. Die Versorgung und Verteilung der vielen Millionen Ukraine-Flüchtlinge steht dagegen auf der Tagesordnung.
Im Bundestag wurde am Mittwoch über die Ertüchtigung der Bundeswehr debattiert, für die Kanzler Scholz ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro angekündigt hatte. Der Union bot Scholz an, sie in die Entscheidungen über die bessere Ausstattung der Truppe mit einzubeziehen: „Es soll eine gemeinsame Sache werden, die wir für unser Land tun.“ Der SPD-Verteidigungspolitiker Christoph Schmid sagte unserer Redaktion: „Kurzfristig spürbar müssen vor allem die persönlichen Ausrüstungsgegenstände der Soldatinnen und Soldaten verbessert werden. In der mittel- bis langfristigen Perspektive können nun die bereits länger geplanten Investitionen in die Tornado-Nachfolge oder den schweren Transport-Hubschrauber umgesetzt werden.“
CSU kritisiert Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
„Alle geplanten Beschaffungen“, so Schmid weiter, „müssen sich zwingend am erforderlichen Fähigkeiten-Profil der Bundeswehr und der Nato orientieren und nicht an industriepolitischen Wünschen.“
Auf scharfe Kritik aus der CSU stößt indes die Entscheidung des Verteidigungsministeriums, auf dem Fliegerhorst Lechfeld bei Augsburg keine Transportmaschinen vom Typ A400M zu stationieren. In einem unserer Redaktion exklusiv vorliegenden Brief an Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) schreiben Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und sein Stellvertreter Hansjörg Durz, dies sei „im Angesicht der veränderten Sicherheitslage in Europa“ nicht nachvollziehbar und „vollkommen unverständlich“. Dobrindt und Durz fordern Lambrecht auf, die Entscheidung jetzt zurückzunehmen und die Stationierung „umgehend neu zu bewerten“.
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