Deutschland baut die militärische Zusammenarbeit mit Norwegen und den neuen Nato-Partnern Finnland und Schweden vor dem Hintergrund russischer Drohungen aus.
"Wir wollen hier im hohen Norden - in the High North - einfach noch präsenter sein", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius südlich der Stadt Alta, wo seit Mitternacht das Manöver "Nordic Response 2024" mit einem simulierten Gegenangriff lief. Der SPD-Politiker nannte eine verstärkte Beteiligung an Übungen sowie eine gemeinsame Beschaffung wie bei U-Booten und der Arbeit an der Fregatte 127. Zu dem Manöver sagte er: "Es ist die größte und wichtigste Übung in der Nato seit mindestens 40 Jahren."
Sein norwegischer Amtskollege Bjørn Arild Gram betonte die Bedeutung einer gemeinsamen Abschreckung. "Wir treffen uns in einer sehr ernsten Sicherheitslage hier in Alta im hohen Norden. In diesen Zeiten ist es wichtig, Freunde, Alliierte und Partner zu haben." Bei der Übung gehe es darum, die Fähigkeit zum gemeinsam geführten Kampf und der Zusammenarbeit auszubauen. Diese Zusammenarbeit reiche bis hin zu Rüstungskooperationen.
Gebirgsjäger üben den Kampf nördlich des Polarkreises
Mit der Großübung trainieren Nato-Partner im Norden Europas seit Mitternacht die Abwehr eines Angriffs auf das Bündnisgebiet. An dem Manöver "Nordic Response 2024" sind 1500 Männer und Frauen der deutschen Streitkräfte beteiligt, darunter 700 Gebirgsjäger. Die Soldaten sollten vom Raum Alta aus südlich gelegene Gebiete, die in diesem Szenario bereits von einem Gegner besetzt wurden, mit einem Gegenangriff einnehmen. Dem Minister und seiner Delegation wurden Waffensysteme und ein Winterlager von Reservekräften gezeigt, die im weiteren Verlauf des Manövers in den Feuerkampf einsteigen sollten. Dabei kämpften Deutsche und Norweger mit einer lasergesteuerten Trefferkontrolle gegen Truppen aus anderen Nato-Staaten, die den Feind darstellten.
Bei dem Manöver sind nach norwegischen Militärangaben etwa 20.000 Soldaten aus 13 verbündeten Nationen dabei. Darunter sind auch Finnland und Schweden, die sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine für einen Beitritt zum Bündnis entschlossen haben. Die Nato-Staaten fahren ein breites Spektrum von Waffensystemen auf, darunter 100 Flugzeuge sowie Kräfte der Seestreitkräfte mit Fregatten und U-Booten.
Pistorius hatte am Vortag eine Station des norwegischen Militärs an der Grenze zu Russland besucht und dabei ein verstärktes Engagement der Bundeswehr im hohen Norden angeboten, auch wenn die Welt derzeit vor allem auf die Ukraine und den Nahen Osten schaue.
"In der Arktis laufen die Fäden zusammen"
"Klar wird eigentlich, dass hier in der Arktis, im Nordmeer, die Fäden - wenn man so will - zusammenlaufen", sagte Pistorius an der norwegischen Grenzstation Pasvik. Ein wesentlicher Teil der militärischen Macht Russlands sei im Norden versammelt. Pistorius sagte, hier gehe der Verkehr durch, "hier kreuzen die U-Boote. Hier kommt vieles zusammen, wovon wir in Mitteleuropa nur wenig mitbekommen."
Norwegen grenzt im hohen Norden auf 198 Kilometern Länge an Russland. Von Pasvik aus ist die nächste große Stadt auf russischer Seite Murmansk, die mit ihrem Umland an der Barentssee Heimat der für Russland strategisch wichtigen Nordflotte ist. Zu dieser gehören Atom-U-Boote der russischen Streitkräfte. Die ganze Region liegt nördlich des Polarkreises.
Nato reagiert mit Übungsserie
Zu der Übung "Nordic Response 2024" hat Deutschland Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 233 aus dem bayerischen Mittenwald an den Polarkreis geschickt. Als Teil der Division Schnelle Kräfte kommen sie mit Fähigkeiten für die Landes- und Bündnisverteidigung sehr schnell zur Wirkung. Die Bundeswehr will mit dieser Übung weitere praktische Erfahrungen unter den arktischen klimatischen Bedingungen sammeln.
Die Nato reagiert mit einer ganzen Übungsserie mit dem Namen "Steadfast Defender" (etwa: "Standhafter Verteidiger") auf die neue sicherheitspolitische Lage. Im Bündnis werden rund 90.000 Soldaten mobilisiert. Deutschland beteiligt sich mit mehreren eigenen Übungen unter dem Namen "Quadriga" an dem Großmanöver. Quadriga - dies ist auch der Name des von einem Vierergespann gezogenen römischen Streitwagens - erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Monaten.
(Von Carsten Hoffmann (Text) und Kay Nietfeld (Fotos), dpa)