Wenn jemand als Frau oder Mann im Hintergrund bezeichnet wird, ist das zumindest in der Politik oft nur vordergründig richtig. Jedenfalls wäre es fatal, die Macht von Vorzimmerdamen und Hinterzimmerherren zu unterschätzen. Juliane Weber ist das beste Beispiel dafür. Vier Jahrzehnte lang diente sie Helmut Kohl als Büroleiterin, Sekretärin, Referentin, Vertraute. Wer zu ihm wollte, musste an ihr vorbei. Weber wusste alles. Und verriet nichts.
Juliane Weber nahm viele Geheimnisse mit ins Grab
Schon in Mainz, wo der CDU-Politiker als junger Wilder Ministerpräsident war, wurden die beiden ein Team. Sie begleitete Kohl nach Bonn, bis ins Kanzleramt, und stand auch später in Berlin loyal an dessen Seite, als Wahlniederlage und Parteispendenaffäre den politischen Lebensabend des Kanzlers der Einheit verdunkelten. Juliane Weber ist nun mit 84 Jahren gestorben. Und wie ihr Chef nahm sie viele Geheimnisse mit ins Grab.
Helmut Kohl vertraute nicht vielen Menschen und mit den Jahren wurde sein Misstrauen immer größer, selbst langjährigen Weggefährten gegenüber. Über Weber jedoch verlor er öffentlich nie ein böses Wort. "Es gibt nur zwei Menschen, die alles über mich wissen - meine Frau und die Juliane", soll die CDU-Ikone einmal gesagt haben. Kohl wiederum wusste, dass er sich ohne Wenn und Aber auf die Frau im Hintergrund verlassen konnte.
Als die Spendenaffäre über ihn hereinbrach und andere Getreue wie Wolfgang Schäuble oder Norbert Blüm enttäuscht ob des Kohlschen Starrsinns auf Distanz gingen, tat Juliane Weber das, was sie all die Jahre getan hatte – sie ließ nichts raus.
In der Parteispendenaffäre musste Juliane Weber aussagen
Im Untersuchungsausschuss zu den schwarzen Kassen, die der "Bimbes-Kanzler" betrieben hatte, beteuerte Weber, von all dem nichts gewusst zu haben. Das schien zwar wenig glaubhaft, ließ sich aber nicht widerlegen. Genauso wenig wie Jahrzehnte zuvor, als sich Kohls "Mädchen für alles", wie sie oft genannt wurde, auch in der Affäre um nebulöse Parteispenden des Industriellen Friedrich Karl Flick ahnungslos gab.
Abgesehen von solchen Pflichtterminen mied die gebürtige Dresdnerin die Öffentlichkeit. Bezeichnend, dass es kaum Fotos von ihr gibt und fast keine, auf denen sie zusammen mit Kohl zu sehen ist. In den 70er- und 80er-Jahren war es noch möglich, ganz nah dran zu sein und doch im Verborgenen zu bleiben.
Manche sagen, ohne Weber, zu deren Markenzeichen eine riesige Sammlung von Elefanten-Figuren aus Glas, Porzellan und Metall gehörte, die sie auf ihrem Schreibtisch, in Regalen und auf Fensterbänken drapiert hatte, wäre ein Kanzler Kohl nicht möglich gewesen. Sie selbst hätte das nie behauptet, doch sie wusste um ihren Einfluss als Türsteherin der Macht. Weber war keine Sekretärin, sie war die Organisatorin von Kohls Politik. Sie gab den Takt vor, sie hob oder senkte den Daumen und bestimmte mit, wer Freund und wer Feind war in Kohls Kosmos. Wie selbstverständlich saß sie mit am Tisch, wenn in der legendären Morgenlage im engsten Zirkel die große Linie besprochen wurde – oder auch nur der Kurs für den Tag.
Ihre Nähe zu Helmut Kohl ließ Gerüchte aufkommen
Immer wieder aufkommende Gerüchte um die ungewöhnliche Nähe zu ihrem Chef ließ sie ins Leere laufen. Auch an Hannelore Kohl, der ersten Ehefrau des langjährigen Kanzlers, schienen solche Spekulationen zumindest nach außen hin abzuperlen. Sie kümmerte sich in Ludwigshafen um Kohls Kinder, während Weber sich in Mainz und Bonn um Kohls Karriere kümmerte. Die beiden Frauen machten sogar demonstrativ gemeinsam Urlaub. Was Weber über Maike Kohl-Richter dachte, die in den letzten Lebensjahren bis zu seinem Tod 2017 über den Altkanzler und dessen Bild in der Öffentlichkeit wachte, blieb ihr Geheimnis - wie so vieles andere eben auch.