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Musk interviewt Alice Weidel (AfD) auf X: Wie der Milliardär die Fäden zieht

Elon Musk, CEO von Tesla und SpaceX, hat sich am Donnerstagabend auf seiner Plattform X mit der Spitzenkandidatin der AfD, Alice Weidel, unterhalten.
Foto: Alex Brandon, AP/dpa
US-Milliardär

Wie Elon Musk die Fäden zieht

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    Aus ihrer Vorfreude auf diesen Abend hatte sie gar nicht erst versucht, einen Hehl zu machen. Im Gegenteil. Alice Weidel zählte die Tage. Auf der Online-Plattform X startete sie schon am Montag eine Art Countdown. „Nur noch 3 Tage!“, freute sich die AfD-Chefin. Und wer wollte es ihr verübeln? Elon Musk, der Mann, der ihr hier die größtmögliche aller Bühnen bot, ist schließlich nicht irgendwer. Musk hat es geschafft, zu einer der prägenden Figuren dieser Zeit zu werden - im Guten, wie im Schlechten. In ihm vereinen sich enorme finanzielle Kraft und politischer Einfluss, und nicht wenige Beobachter meinen, auch ein gutes Stück Wahnsinn in dem 53-Jährigen zu erkennen. Lange Zeit schwirrten Politiker jeglicher Couleur um den Milliardär, er galt als Macher, wagemutiger Unternehmer. Inzwischen sind es vor allem Rechtspopulisten, die Musk um sich schart. So wie an diesem Donnerstagabend, natürlich auf seiner Plattform X.

    250 Millionen Follower hat er auf dort, Alice Weidel immerhin rund 720.000 und damit mehr als Bundeskanzler Olaf Scholz. Mehr als 200.000 Menschen schalten zwischen 19 und 20 Uhr zwischenzeitlich ein, als die beiden miteinander sprechen. Doch wer sich ein Spektakel erwartet hat, wird enttäuscht. „Es ist eine komplett neue Situation für mich, dass ich nicht ständig unterbrochen werde und negativ dargestellt“, sagt Weidel und kichert.

    Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende, Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD, sitzt während des Live-Talks mit dem US-Milliardär Elon Musk auf der Plattform X an ihrem Laptop in ihrem Büro des Jakob-Kaiser-Hauses.
    Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende, Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD, sitzt während des Live-Talks mit dem US-Milliardär Elon Musk auf der Plattform X an ihrem Laptop in ihrem Büro des Jakob-Kaiser-Hauses. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Lästereien, persönliche Befindlichkeiten, Allgemeinplätze. 25.000 Papiere habe er ausfüllen müssen, als er seine Giga-Factory vor den Toren Berlins in Angriff genommen habe, erzählt Musk. Junge Menschen würden in den deutschen Schulen nichts mehr anderes lernen als „Gender Studies“, schimpft Weidel. „Wirklich?“, fragt Musk. „Ich dachte immer, Deutschland habe ein gutes Bildungssystem.“ Der Staat erlaube es Flüchtlingen, ihren Pass wegzuwerfen. In den USA sei alles noch viel schlimmer. Nur die AfD könne die Juden in Deutschland schützen - dass gerade der Zentralrat der Juden einen Aufstieg der Partei fürchtet, sagt sie nicht. Widersprüche werden ausgeblendet. Man tauscht Freundlichkeiten aus, will das Gegenüber möglichst komfortabel durch das Gespräch führen.

    Musk sagt: „Nur die AfD kann Deutschland retten“

    „Nur die AfD kann Deutschland retten“, wiederholt Musk seine Parole, die er bereits seit Wochen öffentlich vertritt. Wenn man unglücklich mit der Situation in seinem Land sei, müsse man für Veränderung („change“) stimmen, sagt er. „Sonst wird es in Deutschland noch viel, viel schlimmer werden.“ - „Yes“, sagt Weidel und liefert ihm zum Dank eine ganze Liste an Stichworten, die seine Weltanschauung widerspiegeln. Flüge zum Mars, überbordende Bürokratie, Donald Trump als Friedenshoffnung für die Ukraine. Ausgerechnet Adolf Hitler dient Weidel als Zeuge für die Ungerechtigkeit, die ihrer Partei widerfahre. Hitler habe die Meinungsfreiheit eingeschränkt, so wie es die etablierten Parteien heute mit den sozialen Medien machen wollten. Hitler sei eigentlich ein Kommunist und Sozialdemokrat gewesen, weil er in die Wirtschaft eingegriffen haben. Ihre Partei vertrete komplett andere Werte.

    Persönlich begegnet sind sich Musk und Weidel bislang noch nie, auch der Talk kommt ohne Video aus, es bleibt beim Gespräch. Die Idee für die Online-Veranstaltung war von einer Nutzerin gekommen, einer AfD-nahen Influencerin namens Naomi Seibt. Und auch wenn die X-Debatte irgendwann abdriftet in eine Musk-Show, in ein „glaubst-du-eigentlich-an-Gott“-Philosophieren, muss das Urteil wohl lauten: Es läuft für die AfD. Bei der jüngsten Sonntagsfrage gewann die Rechtsaußenpartei im Vergleich zur letzten Umfrage zwei Prozentpunkte hinzu und liegt aktuell bei 21 Prozent - damit wäre sie in Deutschland zweitstärkste politische Kraft. Das Beispiel Österreich hat in dieser Woche zudem eindrucksvoll gezeigt, dass politische Brandmauern selten für die Ewigkeit gebaut werden und die schleichende Normalisierung extremen Parteien den Weg bis ins Kanzleramt ebnen kann. An diesem Wochenende wird Alice Weidel beim Parteitag in Sachsen zur ersten Kanzlerkandidatin in der elfjährigen Parteigeschichte der AfD ernannt. Die Proteste und Anti-AfD-Demos, die vor genau einem Jahr durch die Republik getragen wurden, haben sich längst verlaufen. Und dann ist da eben noch Musk, eine der prägenden Figuren der Zeit, der versucht, die AfD aus ihrer Schmuddelecke zu holen. Dass Teile der Partei vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden, ist für ihn wahrscheinlich noch nicht einmal eine Fußnote einer längst überkommenen Geschichte.

    Soziologe sieht in Musk einen globalen Oligarchen

    Die AfD ist längst nicht Musks einziges politisches Projekt jenseits seiner Wahlheimat USA. Der Soziologe Oliver Nachtwey sagt über den Tech-Milliardär: „Er wird gerade zum ersten wirklich globalen Oligarchen.“ Oder anders ausgedrückt: Der reichste Mensch des Planeten bastelt daran, die Welt nach seinen Vorstellungen zu formen, indem er Politiker belohnt, die seinen Vorstellungen entsprechen - und die ihm nützlich sein können. „In der Geschichte moderner Staaten hat keine Person ihren Reichtum in einen derart globalen politischen Einfluss ummünzen können“, schreibt Nachtwey in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Schon länger unterstützt Musk etwa die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und wütet öffentlich gegen Gerichte, die der 47-Jährigen juristische Fesseln anlegen bei ihrem umstrittenen Vorhaben, Asylverfahren nach Albanien auszulagern und Flüchtlinge dort in Lagern zu internieren. In Großbritannien beleidigt Musk den Premier Keir Starmer als Tyrannen und lobt den Rechtspopulisten und Brexit-Verfechter Nigel Farage - doch die Freundschaft währte nicht lange. Denn noch lieber als Mr. Brexit ist Musk der inhaftierte britische Rechtsextreme Tommy Robinson. Selbst Farage, nicht gerade als zimperlich bekannt, distanzierte sich von Robinson. Die Folge: Farage geriet ins Visier von Musk, wird beschimpft und zum Rücktritt aufgefordert.

    Mal hebt Musk den Daumen, mal senkt er ihn. Widerspruch ist unerwünscht, sonst wird der „Oligarch“ ungehalten. Was sich auszahlt, ist Gefolgschaft, das bewies er im US-Wahlkampf eindrucksvoll. Dort führte Musk auf seiner Plattform X eine regelrechte Meinungsschlacht, die vor allem gegen Zuwanderer feuerte. Mit Fake News und Desinformationen beeinflusste er die Stimmung massiv zugunsten von Donald Trump, wie eine Studie nachweisen konnte. Und nicht nur das: Laut US-Bundeswahlkommission (FEC) war Musk der größte Geldgeber in der Geschichte der US-Politik. Er unterstützte Trump mit mehr als 270 Millionen Dollar, bot Menschen in den Swing-States Geld, wenn sie sich für die Wahl registrieren ließen. Das Investment hat sich gelohnt. Nicht nur, dass Trump schon bald ins Weiße Haus einzieht und eine Politik ganz nach den Vorstellungen des X-Chefs machen dürfte. Der gebürtige Südafrikaner wird zudem Leiter einer Behörde für Regierungseffizienz, dort kann er versuchen, unliebsame Sozial- und Gesundheitsprogramme zurückzudrängen - alles unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus. Zudem steckt Musk mit dieser Position nun in den Köpfen der Mitarbeiter von mindestens zwei US-Behörden, die Tesla und SpaceX beaufsichtigen: der Verkehrsbehörde NHTSA und der Luftfahrtbehörde, FAA. Zur Erinnerung: Musk ist nicht nur Chef des Elektroauto-Herstellers Tesla und Besitzer der Online-Plattform X. Er führt unter anderem auch die Raumfahrtfirma SpaceX. Damit hängen die USA bereits von ihm ab: Nur SpaceX hat die Raketen-Kapazität, um in großem Stil amerikanische Satelliten und Astronauten in die Umlaufbahn zu bringen.

    Der designierte US-Präsident Donald Trump mit Elon Musk vor dem Start des sechsten Testflugs der SpaceX Starship-Rakete.
    Der designierte US-Präsident Donald Trump mit Elon Musk vor dem Start des sechsten Testflugs der SpaceX Starship-Rakete. Foto: Brandon Bell, Pool Getty Images North America/AP/dpa

    Musk kann seinen Reichtum noch steigern

    Und auch auf dem Konto sieht es gut aus. Seit dem Wahlsieg der Republikaner ist Musks Reichtum auf mehr als 400 Milliarden Dollar gestiegen. Tendenz steigend. In Italien will Musk mit seinem Satellitensystem Starlink ein sicheres Kommunikationsnetz im Wert von 1,5 Milliarden Euro entwickeln.

    Und die AfD, wie könnte sie profitieren? Zumindest Geldgeschenke muss sie dankend ablehnen. Deutsche Parteien dürfen keine Spenden annehmen, die aus Ländern außerhalb der EU fließen und mehr als 1000 Euro umfassen. Gerade die Rechtspartei kennt das Thema nur zu gut. Alice Weidel musste wegen einer Spendenaffäre fast 400.000 Euro Bußgeld zahlen, Geldgeber aus der Schweiz hatten Spenden auf das Geschäftskonto des baden-württembergischen Kreisverbands von Weidel überwiesen. Die Bundestagsverwaltung jedenfalls hat das X-Gespräch ganz genau verfolgt. Auf die Frage, ob es sich schon bei der Aktion womöglich um eine illegale Parteispende handeln könnte, antwortete ein Sprecher: „Die Bundestagsverwaltung führt im vorliegenden Fall derzeit eine Sachverhaltsklärung durch.“

    Bleibt also die Hoffnung der AfD, zumindest von der Aufmerksamkeit, die die Nähe zum Tech-Milliardär erzeugt, sich auszahlt. „Die Person Musk und sein möglicher Einfluss prägen ja seit einigen Tagen die Debatte“, sagt der Wahlforscher Thorsten Faas. „Und das hat natürlich einen Einfluss - Präsenz allein ist eine notwendige Bedingung.“ Dabei gebe allerdings die Reichweite der Plattform X in Deutschland das allein kaum her; das sei eher ein Nischenmedium hierzulande. Die Wirkung geht also weniger vom Talk an sich aus, sondern von der Debatte darüber. „Nicht vergessen sollte man auch, dass die Diskussion - man denke an die Correctiv-Recherchen im vergangenen Jahr - zu Gegenreaktionen führen kann“, sagt Faas.

    Die Unterschiede zwischen AfD und Musk sind groß

    Auch in der Partei selbst dürfte Musk nicht nur Fans haben. Ihren wirtschaftsliberalen Pfad hat die Rechtspartei vor Jahren verlassen. Laut einer Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft halten 69 Prozent der deutschen Unternehmen die AfD sogar für ein Standortrisiko und keineswegs für die Retter einer Ökonomie kurz vor dem Untergang. Es war auch die AfD, die sich vehement gegen den Bau von Musks Tesla-Werks in Brandenburg ausgesprochen hatte. Statt für E-Autos kämpft sie für den Diesel und drängt darauf, den Dialog mit Moskau wieder aufzunehmen, um von dort billige Energie zu beziehen. In ihrem Wahlprogramm schreibt sie: „Die heutige einseitige Bevorzugung von Elektromobilität ist sofort zu stoppen, ebenso die Finanzierung der Ladeinfrastruktur aus öffentlichen Mitteln.“ Eine andere Stelle dürfte Musk da schon besser gefallen: Die AfD stemmt sich gegen den so genannten „Digital Services Act“, sie will „keine Beschränkung der Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken“. Die EU will den Dienst hingegen zwingen, Hassrede und Falschinformationen zu löschen.

    Was die AfD-Anhänger und Musk aber sicher am stärksten verbindet, ist die Abneigung gegen die etablierten Parteien und der kritische Umgang mit dem Thema Migration. Und es ist ein Gefühl. Musk bedient eine Sehnsucht, die aktuell unter dem Begriff „Disruption“ Konjunktur hat: Der Wunsch, dass das Bestehende, in den eigenen Augen Überkommene erst zerstört und zerschlagen werden müsse, um Platz zu machen für das Gute. Eine politische Brandrodung. Für die liberale Demokratie ist nur noch Verachtung übrig. „Es war wundervoll, mit dir zu sprechen und deine Visionen zu hören“, sagt Alice Weidel nach 75 Minuten.

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