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Misstrauensvotum: Wie geht es für Boris Johnson weiter?

Großbritannien

Wie geht es für Boris Johnson nach dem Misstrauensvotum weiter?

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    Premier Boris Johnson: Von Exzessen nichts gewusst.
    Premier Boris Johnson: Von Exzessen nichts gewusst. Foto: Matt Dunham, dpa

    Zwei Tage nach den Paraden und Straßenfesten anlässlich des 70. Thronjubiläums der Queen zierten gestern immer noch kleine Wimpel, bedruckt mit dem Muster des „Union Jacks“, das britische Regierungsgebäude in der Downing Street 10. Zum Feiern war Boris Johnson allerdings sicherlich nicht zumute. Schließlich hat der 57-jährige Politiker, an dem Skandale lange Zeit abperlten wie an einer Teflon-Pfanne, am Vorabend die größte Schlappe seiner politischen Karriere erlebt.

    Der britische Premierminister konnte das kurzfristig angesetzte Misstrauensvotum gegen ihn am Montagabend nur knapp für sich entscheiden. 41 Prozent der konservativen Abgeordneten sprachen sich dafür aus, dass er geht. Das Ergebnis übertraf die schlimmsten Befürchtungen seiner Unterstützer und lässt den konservativen Parteichef „verwundet" zurück, wie die britische Tageszeitung i gestern titelte. Er sei nun „der kranke Mann in der Downing Street“. Die sonst regierungsfreundliche britische Tageszeitung The Daily Mirror schrieb: „Die Party ist vorbei, Boris“ und „die Uhr tickt“.

    Es wird wohl kein „Weiter so“ für Boris Johnson geben

    Boris Johnson selbst wollte davon nichts wissen. Er gab sich gestern gewohnt kämpferisch und bezeichnete das Ergebnis als „sehr gut” für die Politik und für das Land. Es bedeute, dass sich die Regierung endlich auf die Dinge konzentrieren könne, die für die Menschen wirklich wichtig seien. Dabei bezog er sich unter anderem auf die steigenden Lebenshaltungskosten und den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Justizminister Dominic Raab äußerte sich ähnlich: „Das Wichtigste ist, dass wir das Ergebnis akzeptieren und weitermachen“, betonte dieser gestern.

    Nach einem „Weiter so“ für Johnson sieht es Experten zufolge allerdings nicht aus. Im Gegenteil: Dass sich so viele Torys gegen ihn ausgesprochen haben, sei Ausdruck davon, dass ihn viele mittlerweile als untragbare Belastung für die Partei wahrnehmen, kommentiert die britische Tageszeitung The Independent die Entwicklungen der letzten Tage. Hinter den Kulissen von Westminster formiert sich eine immer größer werdende Revolte gegen den Premierminister. Seine Gegner wollen die Tatsache, dass er im Zuge des Misstrauensvotums für ein Jahr vor einer erneuten Abstimmung geschützt ist, nicht akzeptieren und zur Not die Regeln ändern, hieß es gestern.

    Die regierungskritische Tageszeitung The Guardian verwies außerdem darauf, dass es nach einem Misstrauensvotum erfahrungsgemäß nur eine Frage der Zeit sei, bis der Premierminister schließlich endgültig aus dem Amt gedrängt wird. Das habe man unter anderem im Fall von Theresa May gesehen, die eine solche Abstimmung Ende 2018 überstand, nur um rund fünf Monate später schließlich ihren Hut zu nehmen. Medien sprachen von einem „langsamen Tod“ Johnsons, „dem Anfang vom Ende".

    Die Krise des Premierministers ist die Folge der Skandale um Partys in der Downing Street während der Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021, von denen dieser erst nichts gewusst haben wollte und sie dann angeblich für Arbeitstreffen hielt, obwohl Fotos belegen, dass er dabei war und mitgefeiert hat. Johnson entschuldigte sich zwar immer wieder für die Veranstaltungen, vermittelte Experten zufolge jedoch gleichzeitig, dass er eigentlich nichts falsch gemacht habe – und das, obwohl ihn die Mehrheit der Bevölkerung Umfragen zufolge als Lügner bezeichnete.

    Die Debatten um die Nachfolge von Boris Johnson werden lauter

    Als wäre dies nicht genug, wurden die Nerven der konservativen Abgeordneten während der Feierlichkeiten anlässlich des 70. Thronjubiläums der Queen weiter strapaziert. Als der Premierminister mit seiner Frau Carrie zu einem Dankes-Gottesdienst zu Ehren der Queen in der St. Paul’s Kathedrale am vergangenen Freitag ankam, wurde der Jubel schnell von einer Welle von Buh-Rufen übertönt. Vor den Augen von Milliarden von Zuschauern weltweit.

    Mutmaßliche Feiern in der Downing Street wurden Johnson zum Verhängnis.
    Mutmaßliche Feiern in der Downing Street wurden Johnson zum Verhängnis. Foto: Sue Gray Report, dpa

    Dementsprechend lauter werden auch die Debatten um einen möglichen Nachfolger. Der vormalige Top-Kandidat, Finanzminister Rishi Sunak, ist vorerst aus dem Rennen. Er soll Steuern hinterzogen haben. Als Anwärter gelten unter anderem die Außenministerin Liz Truss, Tom Tugendhat, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Unterhaus, sowie Verteidigungsminister Ben Wallace. Noch ist jedoch Boris Johnson Premierminister und der wird so lange an seinem Amt festhalten, wie er kann – trotz seiner vielen Wunden.

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